plan von Breslau, wo der Architekt Ernst May seinen
Entwurf auf solcher Grundlage aufgebaut hatte. Aus
diesem Entwurf läßt sich erkennen, wie die neue Art
der „Stadterweiterung mittels Trabanten" im einzel-
nen gedacht ist. Die Zentralstadt wird soweit als mög-
lich abgerundet und danach auf ihren seither ein-
genommenen Raum beschränkt. Das sie umgebende
Freiland wird von der Zentralgemeinde erworben
und als Ackerfläche und Erholungsgrün ausgewertet.
Bei einzelnen besonders günstig gelegenen Punkten
dieses umfassenden Grüngürtels werden, unter An-
lehnung an bereits vorhandene kleinere Gemein-
wesen oder auch unter Neugründung solcher Or-
ganismen, nach Bedarf Trabanten ausgebaut, die
durch günstige Verkehrsverbindungen mit dem
Zentralkern verbunden sind. Unter der selbstver-
ständlichen Voraussetzung, daß Schnellbahn- und
Automobil verkehr vorhanden ist, wird die Ent-
fernung der Trabanten vom Zentralkörper mit
zwanzig bis dreißig Kilometern angenommen. Ihre
Bevölkerungszahl wird fest umgrenzt, etwa auf
fünfzig- bis hunderttausend Köpfe, je nach den ört-
lichen Gegebenheiten und dem Zweck, den sie zu
erfüllen haben. Indem die Bevölkerungsgrenze der
Einzelzellen derart beschränkt wird, soll verhin-
dert werden, daß sich das Trabantensystem allmäh-
lich wieder zur Großstadt auswächst.
So wirkt in diesen Plänen den bisherigen Kon-
zentrationstendenzen ein ausgesprochenes Streben
nach Auflockerung der Großstadt entgegen. Folge-
richtig fortgesetzt muß dieses Streben zu der For-
derung nach Auflösung der Großstädte überhaupt
führen, eine Forderung, die in dieser Formulierung
denn auch bereits erhoben worden ist (Bruno Taut,
„Die Auflösung der Städte oder die Erde eine gute
Wohnung", Folkwang-Verlag Hagen 1920). Den
extremen Konzentrationstendenzen steht diese letzte
Forderung wiederum als anderes gegenteiliges Ex-
trem gegenüber.
III
Während derart über die künftige Gestaltung
der Städte mit Eifer debattiert wird, beginnt das
ökonomische und politische System, auf dem die
Existenz der Großstädte beruht, in seinen Grund-
festen zu wanken. Und das stolze Gebäude der
Weltwirtschaft, das auf dem losen Flugsand der
Auslandsmärkte errichtet war, kracht bereits in allen
Fugen. Das feinmaschige Netz internationaler Han-
dels- und Wirtschaftsbeziehungen ist durch die Ge-
walt des Krieges zerstört worden und die zer-
rissenen Fäden wollen sich nicht wieder anspinnen
lassen. Mit andern Ländern ist von dieser Wen-
dung Deutschland wohl am stärksten betroffen wor-
den, das durch den Verlust des Krieges jeder Mög-
lichkeit zur Weltbetätigung für lange Zeit beraubt
ist. Abgeschnitten vom Weltmarkt, außerstande,
Rohstoffe und Lebensmittel einzuführen und gegen
seine Fertigprodukte zu tauschen, ist dieses Land
auf seine eigenen Hilfsquellen angewiesen und so
aus Selbsterhaltungstrieb gezwungen, zur National-
wirtschaft zurückzukehren.
Dieses Schicksal zum Besten der Nation zu
wenden und aus der Not ein willkommenes
Werkzeug zu machen, um den Wiederaufbau der
gebrochenen Volkskraft zu fördern, ist das Ziel
jener von starken Kräften getragenen Siedlungs-
bewegung, die nach dem Kriege mit mächtigem An-
lauf in Deutschland eingesetzt hat. Das erste und
nächste Ziel dieser Bewegung ist wirtschaftlicher
Art. Man will das Land, das durch den Verlust
des Krieges unfähig geworden ist zur Teilnahme
am Welthandel, das überdies seiner wertvollsten,
für die Lieferung von Rohstoffen und landwirt-
schaftlichen Erzeugnissen unentbehrlichen Gebiets-
teile beraubt ist, in die Lage setzen, durch ver-
mehrte Siedlungsmöglichkeiten in den Gebieten der
Urproduktion (Bergbau und Landwirtschaft) seine
brachliegenden Arbeitskräfte zu beschäftigen und
seine jetzige Bevölkerungsdichte durch Erhöhung der
Eigenproduktion an Nahrungsmitteln zu erhalten.
Überdies wird eine Vermehrung der landwirtschaft-
lichen Anbaufläche angestrebt durch ausgedehnte
Meliorisation von Moor- und Ödländereien, durch
verstärkte Innenkolonisation und durch vermehrte
Schaffung von selbständigen Bauernstellen. Dar-
über hinaus aber wird auch eine stärkere Autarkie
der Einzelwirtschaften angestrebt. Dem einzelnen
soll wieder ein größerer Anteil am Gemeindeboden
zugewiesen werden, um ihm die Möglichkeit zur
Eigenerzeugung von Nahrungsmitteln, zumindest
von Obst und Gemüse, zu geben und ihm auf
diese Weise die Versorgung mit Lebensmitteln zu
erleichtern. In diesem Sinne geht die Siedlungs-
bewegung von der Zelle aus. Sie hat ihre Arbeit
begonnen mit der Neugestaltung der Wohnform.
Das Kleinhaus mit Landzulage und Garten soll
als eine echte Heimstätte den Menschen wieder
mit dem Boden und mit der Natur in unmittelbare
178
Entwurf auf solcher Grundlage aufgebaut hatte. Aus
diesem Entwurf läßt sich erkennen, wie die neue Art
der „Stadterweiterung mittels Trabanten" im einzel-
nen gedacht ist. Die Zentralstadt wird soweit als mög-
lich abgerundet und danach auf ihren seither ein-
genommenen Raum beschränkt. Das sie umgebende
Freiland wird von der Zentralgemeinde erworben
und als Ackerfläche und Erholungsgrün ausgewertet.
Bei einzelnen besonders günstig gelegenen Punkten
dieses umfassenden Grüngürtels werden, unter An-
lehnung an bereits vorhandene kleinere Gemein-
wesen oder auch unter Neugründung solcher Or-
ganismen, nach Bedarf Trabanten ausgebaut, die
durch günstige Verkehrsverbindungen mit dem
Zentralkern verbunden sind. Unter der selbstver-
ständlichen Voraussetzung, daß Schnellbahn- und
Automobil verkehr vorhanden ist, wird die Ent-
fernung der Trabanten vom Zentralkörper mit
zwanzig bis dreißig Kilometern angenommen. Ihre
Bevölkerungszahl wird fest umgrenzt, etwa auf
fünfzig- bis hunderttausend Köpfe, je nach den ört-
lichen Gegebenheiten und dem Zweck, den sie zu
erfüllen haben. Indem die Bevölkerungsgrenze der
Einzelzellen derart beschränkt wird, soll verhin-
dert werden, daß sich das Trabantensystem allmäh-
lich wieder zur Großstadt auswächst.
So wirkt in diesen Plänen den bisherigen Kon-
zentrationstendenzen ein ausgesprochenes Streben
nach Auflockerung der Großstadt entgegen. Folge-
richtig fortgesetzt muß dieses Streben zu der For-
derung nach Auflösung der Großstädte überhaupt
führen, eine Forderung, die in dieser Formulierung
denn auch bereits erhoben worden ist (Bruno Taut,
„Die Auflösung der Städte oder die Erde eine gute
Wohnung", Folkwang-Verlag Hagen 1920). Den
extremen Konzentrationstendenzen steht diese letzte
Forderung wiederum als anderes gegenteiliges Ex-
trem gegenüber.
III
Während derart über die künftige Gestaltung
der Städte mit Eifer debattiert wird, beginnt das
ökonomische und politische System, auf dem die
Existenz der Großstädte beruht, in seinen Grund-
festen zu wanken. Und das stolze Gebäude der
Weltwirtschaft, das auf dem losen Flugsand der
Auslandsmärkte errichtet war, kracht bereits in allen
Fugen. Das feinmaschige Netz internationaler Han-
dels- und Wirtschaftsbeziehungen ist durch die Ge-
walt des Krieges zerstört worden und die zer-
rissenen Fäden wollen sich nicht wieder anspinnen
lassen. Mit andern Ländern ist von dieser Wen-
dung Deutschland wohl am stärksten betroffen wor-
den, das durch den Verlust des Krieges jeder Mög-
lichkeit zur Weltbetätigung für lange Zeit beraubt
ist. Abgeschnitten vom Weltmarkt, außerstande,
Rohstoffe und Lebensmittel einzuführen und gegen
seine Fertigprodukte zu tauschen, ist dieses Land
auf seine eigenen Hilfsquellen angewiesen und so
aus Selbsterhaltungstrieb gezwungen, zur National-
wirtschaft zurückzukehren.
Dieses Schicksal zum Besten der Nation zu
wenden und aus der Not ein willkommenes
Werkzeug zu machen, um den Wiederaufbau der
gebrochenen Volkskraft zu fördern, ist das Ziel
jener von starken Kräften getragenen Siedlungs-
bewegung, die nach dem Kriege mit mächtigem An-
lauf in Deutschland eingesetzt hat. Das erste und
nächste Ziel dieser Bewegung ist wirtschaftlicher
Art. Man will das Land, das durch den Verlust
des Krieges unfähig geworden ist zur Teilnahme
am Welthandel, das überdies seiner wertvollsten,
für die Lieferung von Rohstoffen und landwirt-
schaftlichen Erzeugnissen unentbehrlichen Gebiets-
teile beraubt ist, in die Lage setzen, durch ver-
mehrte Siedlungsmöglichkeiten in den Gebieten der
Urproduktion (Bergbau und Landwirtschaft) seine
brachliegenden Arbeitskräfte zu beschäftigen und
seine jetzige Bevölkerungsdichte durch Erhöhung der
Eigenproduktion an Nahrungsmitteln zu erhalten.
Überdies wird eine Vermehrung der landwirtschaft-
lichen Anbaufläche angestrebt durch ausgedehnte
Meliorisation von Moor- und Ödländereien, durch
verstärkte Innenkolonisation und durch vermehrte
Schaffung von selbständigen Bauernstellen. Dar-
über hinaus aber wird auch eine stärkere Autarkie
der Einzelwirtschaften angestrebt. Dem einzelnen
soll wieder ein größerer Anteil am Gemeindeboden
zugewiesen werden, um ihm die Möglichkeit zur
Eigenerzeugung von Nahrungsmitteln, zumindest
von Obst und Gemüse, zu geben und ihm auf
diese Weise die Versorgung mit Lebensmitteln zu
erleichtern. In diesem Sinne geht die Siedlungs-
bewegung von der Zelle aus. Sie hat ihre Arbeit
begonnen mit der Neugestaltung der Wohnform.
Das Kleinhaus mit Landzulage und Garten soll
als eine echte Heimstätte den Menschen wieder
mit dem Boden und mit der Natur in unmittelbare
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