Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 21.1923

DOI Heft:
Heft 8
DOI Artikel:
Scheffler, Karl: Max Liebermann in München
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4655#0251

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
muß; daneben hing das zur selben Zeit etwa entstan-
dene, im Jahre 1906 aber an Hand und Ärmel leicht
übermalte Bildchen der „Frau im Bett", das durch die
Verteilung der farbigen Akzente und durch den spon-
tanen Vortrag hinzureißen weiß; und endlich war das
„Mädchen an der Truhe" da (1888), ein Bild von so
reifer malerischer Haltung — vor allem in der Gestalt
der kleinen Tochter — daß man es neben Bilder unserer
alten Meister hängen könnte.

Die lange Reihe der Strand- und Seebilder war in
der Ausstellung vertreten durch eine breit und rapid ge-
malte Studie badender Männer, durch ein „Junges Mäd-
chen am Strande", einem Bild, in dem die prachtvoll be-
handelte Materie zum Träger der Stimmung wird, durch
einen „Reiter am Strande", dessen Silhouette dunkel vor
einem herrlich bewegten, dunstigen Meere steht, durch
ein mit höchster und lebendigster Kultur aus Grau, Weiß
und zarten Fleischtönen aufgebautes Bild von Badenden
in der Brandung, und durch eine pastellartig wirkende
Studie zu dem in einer Breslauer Privatsammlung befind-
lichen Bild „Nach dem Bade". Alle diese Meeresbilder
haben eine eigene, auf Anschauung beruhende, die Wahr-
heit ergründende Romantik.

Besonders reich war die Ausstellung an Familienbil-
dern. Man sah aus der früheren Zeit das bekannte große
Pastell der Gattin im Schaukelstuhl, die in farbigem Licht
herrlich funkelnde, Menzel übermenzelnde Gouasche der
Gattin auf dem Sofa, ein schönes Aquarell der jungen
Tochter im roten Kleid, und das große Pastell der Tochter
mit einer roten Puppe. Drei Bilder der letzten Jahre
stellen sodann die kleine Enkelin dar: eine Wärterin neben
dem am Tisch spielenden Kind, Frau Liebermann, die
Enkelin auf dem Schoß, und die Enkelin stehend an
einem Tisch. Diese drei Bilder sind sehr hell; sie sind
aus Weiß entwickelt und haben den leichten verklärten
Altersstil. Etwas Schwebendes ist in der Malerei, Zärtlich-
keit über eine Distanz hinweg, wie sie dem Alter natürlich ist.

Unter den ausgestellten Gartenbildern war besonders
schön die Darstellung eines Stücks der Wannseer Garten-
terrasse im Sonnenlicht vor dunkler Laubwand, und das
Motiv der Hauswand, vor der sich rote Blumenbeete aus-
breiten, während auf dem WTege die Wärterin mit dem
Kind spielt. Neben der lyrischen Entkörperung dieser Garten-
bilder wirkte die Tonskala eines „Gemüsemarktes in Delft"
(1907) herbe, kräftig und kühn. In den Gartenbildern ist
mehr Sensitivität, in dem „Gemüsemarkt" ist mehr Kraft.

In der Mitte der Hauptwand hing der „Jäger mit Hun-
den". Wohl um seiner dekorativen, seiner „münchnerisch"
anmutenden Werte willen; in der Mitte der zweiten Scbau-
wand hing das Selbstbildnis von 19:8. Es stellt den Künstler
mit der Palette in weißer Jacke dar, ist ganz auf Grau und
Gelb gestimmt, sehr schön gemalt, aber etwas gezwungen

JOH. G. SCHADOW, BILDNISZEICHNUNG FR. SCHILLER

AUSGESTELLT IN DER BERLINER AKADEMIE DER KÜNSTE

im Ausdruck. Daneben sah man das bekannte Bildnis
Dr. Lindes, das Bildnis Thannhausers (1918), das zu den
guten Bildnissen Liebermanns gehört, und die tonreiche
Studie eines Offiziers in Feldgrau. Dem Bildnis Einsteins
begegnet man in letzter Zeit oft in den Ausstellungen. Es
gehört aber nicht zu Liebermanns glücklichen Arbeiten; der
Gelehrte ist zu „bedeutend" aufgefaßt, darunter hat die
malerische Bedeutung gelitten.

Pastelle und Zeichnungen rundeten die Ausstellung noch
mehr zu einem lebendigen Ganzen. Als ein lebendiges Ganze
wird sie denn auch in der Erinnerung der Besucher bleiben,
einerlei ob sich diese zu Liebermann freimütig bekennen
oder ob sie das dunkle Gefühl seiner Bedeutung zu ver-
drängen suchen. Wahrheit und Schönheit lassen sich nicht
dauernd verdrängen. Karl Scheffler.

241
 
Annotationen