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Kongreß für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft
Bericht — 1914

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Abteilung II
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Sauerbeck, Ernst: Über ästhetische Perspektive
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https://doi.org/10.11588/diglit.65508#0303

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Sauerbeck, Über ästhetische Perspektive, Diskussion

297

Ich habe sie tatsächlich mißachtet, und zwar deshalb, weil sie mir für die
Zwecke einer ästhetischen Perspektive unbrauchbar schien. Er exemplifiziert
nur an dem Beispiel der Exzentrizität; er sieht in dem Terminus perspektivische
Asymmetrie einen völlig genügenden Ausdruck für dieselbe Sache. Er fügte
freilich selbst hinzu, daß mein Ausdruck sich für die vertikale Exzentrizität
brauchen lasse. D. h., daß es für diese bisher keinen typischen, „handwerklichen“,
zunftüblichen Ausdruck gab. Nun geht ein Hauptgedanke meines Buches auf die
Verwandtschaft der vertikalen und der horizontalen Exzentrizität; es war also, nach
den Regeln wissenschaftlichen Sprachgebrauchs, angezeigt, auch einen Namen zu
finden, der diese Verwandtschaft zum Ausdruck brachte. Ich glaube ein Übriges
getan zu haben, indem ich einen recht bezeichnenden Namen wählte. Eine Über-
tragung des vorhandenen Wortes „Asymmetrie“ verbot sich, weil diese Bezeichnung
in der Kompositionslehre unentbehrlich ist, die von der „ästhetischen Perspektive“
aufs schärfste zu trennen, eines meiner Hauptziele war, weil zweitens die
Bezeichnung sich auf die vertikale Exzentrizität wegen der Vertikalität nicht wohl
anwenden ließ. Ich sehe also einen Vorzug, wo Herr Kern einen Mangel sieht.
An einem Übersehen meiner Beweggründe, vielmehr an einem Mißverständnis,
gegen das ich glaubte durch mein Buch geschützt zu sein, liegt es, wenn Herr
Kern glaubt, daß ich perspektivische Gesetze von der Trivialität des Parallelen-
satzes nicht kenne. Was er hierüber sagte, zeigt mir nur, wie nötig meine
präliminarischen Erörterungen über das, was ich heute die physiologische
Bestimmtheit der Perspektive nannte, waren (in meinem Buch s. 10 ff. hier No. 6).
Ich kann an dieser Stelle nur behaupten, daß der Irrtum auf der Seite des
Einwands liegt. Den Beweis muß ich und darf ich den erwähnten Ausführungen
überlassen. Daß hier ein Mißverständnis möglich war, zeigt, wie wenig die
Kenntnis der mathematischen Perspektive und der vorhandenen, zur Perspektive
in Beziehung stehenden Einzelwissenschaften überhaupt, in welchen Kenntnissen
Herr Kern sicher der großen Mehrzahl der Kunsthistoriker und Ästhetiker über-
legen ist, den Gegenstand auch nur zu umfassen, geschweige denn zu erschöpfen
vermag.
Im übrigen begrüße ich nochmals in Herrn Jantzen wie in Herrn Kem wissen-
schaftlich aufs beste vorbereitete Kräfte, denen ich gerne die ästhetische
Perspektive zum Ausbau und zur Verteidigung gegen Entstellungen, wie die
Burgersche, überlasse. Denn was weiter zu tun ist, ist nur vom Fachmann zu tun.
 
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