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Kongreß für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft
Bericht — 1914

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Abteilung II
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Jantzen, Hans: Über Prinzipien der Farbengebung in der Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.65508#0334

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328

Kongreß für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft

Komposition bleibt nun, auch wenn man die Farben ganz als Eigenwerte auffaßt.
Weiß und Blau scheinen aus schwachen Nüancen im Hintergrund sich zu voll-
farbigen breiten Flächen im Vordergrund zu entwickeln, ebenso Rot und Gelb.
Außerdem findet eine kompositionelle Verschränkung der beiden Farbgruppen
statt. Die räumliche Anordnung der koloristischen Eigenwerte wird noch deut-
licher in einigen Gemälden des Rubens, z. B. Himmelfahrt der Maria, Bruxelles
N. 378 und Krönung der Maria, Baux N. 379. Vorstufen in Belgien bei Memling.
Im allgemeinen ist das Raumhafte der Anordnung besonders eindringlich, wenn
dieselbe Farbe oder Farbgruppe (reiche Nuancierung des Tones innerhalb des
Farbenzusammenhanges natürlich nicht ausgeschlossen) im Hintergrund und im
Vordergrund des Bildes in entsprechender perspektivischer Abwandlung vor-
kommt und die erstere von der letzteren stark überschnitten wird. Hinzuzufügen
wäre, daß immerhin bei vielen, formal räumlich ausgestalteten Gemälden die An-
ordnung der koloristischen Eigenwerte in der Fläche bleibt.
Herr Wulff: Ich möchte nur kurz das Wort nehmen, weil sich mir schon
hier Gelegenheit bietet, einen Punkt aus den später von mir zu behandelnden
Fragen herauszugreifen, der sich mit den Ausführungen des Vortragenden sehr
nahe berührt. Das über den Gegensatz von Eigenwert und Darstellungswert der
Farbe Gesagte bildet dafür die Voraussetzung. Ich wäre Herrn Jantzen für eine
Äußerung dazu dankbar, ob ein paar Gesichtspunkte, die sich mir über dieses
Verhältnis ergeben haben, mit seinen Beobachtungen übereinstimmen. Be-
kanntlich sieht die experimentelle Psychologie auf Grund des Farbenkreises als
wohlgefällige Verbindung zweier Farben die sogenannten kleinen und großen
Intervalle, als mißfällige die mittleren an. Es will mir nun scheinen, daß die
Harmonisierung der Farbengebung in der Malerei der Primitiven sich vorzugs-
weise auf den großen Intervallen (und ihnen entsprechenden Triaden) aufbaut.
Mit der wachsenden Bedeutung des Darstellungswertes der Farbe aber (also der
Naturillusion) treten andere Mittel in Wirkung, und zwar einmal die überwiegende
Verwendung der kleinen Intervalle, dann die stärkere Kontrastierung der kalten
und warmen Töne, endlich die Herstellung eines einheitlichen Grundtons. Dieses
wichtige Hilfsmittel ist zuerst von J. Six in seiner Bedeutung erkannt und die Lehre
von den Farbenskalen darauf begründet worden. Seine Theorie scheint mir aber
weder von Seiten der Kunsthistoriker noch der Psychologen bisher die verdiente
Beachtung gefunden zu haben. Sie besagt nicht, daß das Kolorit eines Bildes
durchweg auf Abstufungen oder Verbindungen einer einzigen Farbe auf gebaut
sein muß, wohl aber daß gewisse Farben von einer solchen Skala ausgeschlossen
bleiben. So verschwindet z. B. das Blau gänzlich aus der Rotgelbskala Rem-
brandts nach seiner Jugendzeit. Bei Vermeer kann man von einer Blauskala
sprechen und ebenso oder von einer Violettskala m. E. auch bei den modernen
Pleinairisten. Daraus folgt, daß nur eine harmonisch illusionistische Farbengebung
möglich ist, keine disharmonische.
Herr von Allesch: Ich möchte nur den Ausführungen des Herrn Wulff
gegenüber bemerken, daß die bisher geübten Methoden der experimentell ästheti-
schen Farbenanalyse keineswegs zu brauchbaren Ergebnissen geführt haben. Die
einzelnen Untersuchungen widersprechen sich derart, daß eine völlige Verwirrung
herrscht. Nun sind hier in Berlin seit zehn Jahren Versuche im Gang, bei denen
das ursprünglich quantitative Verfahren allmählich durch ein anderes ersetzt
wurde, bei dem der einzelne Farbreiz in völlig lebendiger Dinghaftigkeit erfaßt
wurde, und da erst hat sich durch vergleichende Betrachtung der einzelnen
 
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