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Kongreß für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft
Bericht — 1914

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Abteilung IV
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Goodman, Alfred: Kunst und Wissenschaft des Gesanges
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https://doi.org/10.11588/diglit.65508#0523

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Guttmann, Kunst und Wissenschaft des Gesanges, Diskussion

517

Die Arbeit ist in vollem Gange. Aber heute kann die Wissenschaft noch
keinerlei Abschließendes über die Kunst des Gesanges aussagen. Es sind
erst Teile des großen Problems, die sie der Lösung nähergebracht hat.
Diskussion:
Herr Moser bemerkt ergänzend, daß der Fehler der Einregisterlehre nicht so
sehr darauf beruhe, daß deren Anhänger ein einheitliches Klangresultat,
sondern einen einheitlichen Registermechanismus voraussetzen, was aus
mangelnder Kenntnis der Kehlkopfphysiologie zu erklären sei. Sodann wünscht er
die Priorität mancher Experimente von Johannes Müller am Kehlkopf der
menschlichen Leiche Liscovius zugeschrieben zu sehen. Betreffs der Rutzschen
Typen bezweifelt er die Annahme des Vortragenden, als würden diese
sich bei Rachitis oder Amputationen ändern, und glaubt, man könne den
Konsequenzen der Rutzschen Stimmbildungslehre mit noch ernstlicheren
Argumenten zu Leibe rücken, als es der Vortragende getan; denn so wenig sich
bei den Sieversschen und Rutzschen Beobachtungen das Vorhandensein des
Phänomens selbst leugnen lasse, so wenig seien doch vorläufig die Kausal-
zusammenhänge klar, und es müsse gegenüber der von Rutz behaupteten
Lehrbarkeit der Typen stark bezweifelt werden, ob die von ihm aufgestellten
Theorien zu Recht bestünden, da sogar Sievers sich nicht mit ihnen völlig
einverstanden erkläre. Zum Schluß warnt Herr Moser vor dem wenig erfreulichen
Reklamewesen der Rutzschen Familie, die z. B. seinen verstorbenen Lehrer und
Freund Oskar Noe nachträglich zum begeisterten Anhänger der Typenlehre
stempeln wolle; Noe habe im Interesse der ihm notwendig erscheinenden Klärung
der Frage eine Einladung zum Vortrag des Herrn Rutz in Leipzig mit unterzeichnet,
selbst jedoch auf das entschiedenste gegen die Typenlehre Stellung genommen,
wie sich aus seinen hinterlassenen Papieren schlagend beweisen lasse. Solange
nicht unter Ausschaltung aller möglichen Fehlerquellen einwandfreie physiologische
und psychologische Experimente, Messungen und ausgedehnte Statistiken aus-
gearbeitet seien, lasse sich nicht an der Lehre ernsthaft und erfolgreich
weiterbauen.
Herr H. Leichtentritt vermißt die Antwort auf das zweite der in der
Einleitung des Vortrags angeführten Probleme: „Ist die Wissenschaft in der Lage,
Handhaben zu geben für die wissenschaftliche Erklärung des Kunstgesanges?"
Herr Guttmann holt dies nach und beantwortet die Frage im negativen
Sinne, entsprechend dem Schluß seiner Ausführungen. Bezüglich der Frage des
„Einregisters“ weist er darauf hin, daß er in seiner erwähnten Arbeit „Zur
Psychophysik des Gesanges“ ausführlich die begriffliche Verwechslung zwischen
der akustischen Wahrnehmung, für die es ein „Einregister“ gibt, und dem stimm-
physiologischen Vorgang, wonach mehrere Register mit charakteristischen
Einstellungen vorhanden sind, dargelegt hat. Das Gehör kann beim idealen
Ausgleich die Stimmregister nicht mehr unterscheiden und meint dann,
es sei ein „Einregister“.
 
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