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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 22.1911

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Cohen, Walter: Rheinisches Kunstleben: (Köln - Der Sonderbund und seine Ausstellung - Das Elberfelder Stadtjubiläum)
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https://doi.org/10.11588/diglit.5953#0033

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13
Neue Folge. XXII. Jahrgang 1910/1911 Nr. 4. 28. Oktober 1910.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« monatlich dreimal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 40 Nummern.
Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt
eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann,
Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen an.

RHEINISCHES KUNSTLEBEN
(Köln. — Der Sonderbund und seine Ausstellung. —
Das Elberfelder Stadtjubiläum.)

Das rheinische Volkstum hat in den letzten Jahren
oft scharfe Kritiker gefunden. Die Zeit ist vorüber,
da Niedersachsen und Märker den Westen um seine
größere geistige Beweglichkeit, die hemmungslose
Lebenslust, die Freude am Spiel nicht als Wiedergabe,
sondern als Verschleierung des Lebens, beneideten.
Vielen gilt jetzt der Westen als zu satt. Er ist zu
reich geworden. Jugendfrische findet man eher im
Neuland als in traditionellen Hochburgen des Wohl-
lebens. Wohl regt sich allenthalben im Rheinland
die Sehnsucht nach einer neuen reicheren Kunstkultur,
als sie im Geist des »Malkastens«, der bekannten
Düsseldorfer Künstlervereinigung und den außerhalb
Kölns nur verurteilten Kölner »Blumenspielen« ihre
Ausprägung gefunden haben. Das Düsseldorfer
Schauspielhaus der Frau Dumont und die Erfolge
junger rheinischer Dichter wie Herbert Eulenburgs
und Wilhelm Schmidtbonns weisen neue Wege auf
reingeistigem Gebiete. Aber das ist gewissermaßen
alles Sezession; das offizielle Kunstwesen, vor allem
wo es den sichtbarsten Ausdruck, in der Architektur,
findet, ist konservativer als anderswo in Deutschland.
Den Fremden, der zu Schiff von Mainz ankommt,
begrüßen jetzt neben den grauen Domtürmen und
dem Dächergewirr des heiligen Köln die mächtigen
bergfriedartigen Brückentürme im »strengromanischen«
Stil der neuen Posener Kaiserpfalz, die Schwechten
den wundervoll geschwungenen eisernen Bogen der
neuen Dombrücke angeflickt hat. Kreuzgangmotive
und mittelalterliche Zinnen, schießschartenartige Fenster-
öffnungen und alle Romantik aus »des Knaben Wunder-
horn« in Verbindung mit den gigantischen Leistungen
moderner Ingenieurkunst! Ein Volk von Träumern?
Aber es ist doch auch die Stadt der Gasmotoren und
der Kabelwerke, der weltumspannenden Bankhäuser
und ein durchaus modern geleitetes Gemeinwesen!
Hier ist doch nicht ewiger Fasching... Diese durch
und durch verfehlte Brücke spannt sich wie ein
Symbol der Maskeradenhaftigkeit, wie die lügnerische
Vorspiegelung einer durchaus nicht mehr stilentbeh-
renden Periode moderner Architektur über den sich
ewig verjüngenden Fluten des schönsten deutschen
Stromes. Hier in Köln beginnt das Gebiet des Nieder-
rheins, wo an der Stelle verfallender oder stilgerecht

ausgebauter Burgruinen die Hochöfenanlagen rheini-
scher Industriebauten die Ufer begleiten. Nicht lange
mehr und die von Billings Meisterhand architektonisch
ausgestaltete Rheinbrücke von Duisburg-Homberg, ein
Bauwerk unserer Zeit, unserer Kunst begrüßt den
Dampfer auf der Fahrt nach Rotterdam. Hier am
Niederrhein, in der Nachbarschaft der Westfalen und
Holländer, herrscht ein strafferer und strengerer Geist,
der es doch wiederum versteht, das Leben in eine
engere Verwandtschaft zur Kunst zu bringen, ein Geist,
der frohem Genuß durchaus nicht abgeneigt ist, dem
aber nur traditionelle Kalendertage den Mummenschanz
der Fastnacht bringen. Wer scharf zusieht, wird ge-
rade im Kunstleben Düsseldorfs, das örtlich ganz zum
Gebiete des Niederrheins gehört, immer wieder den
mehr oder minder scharfen Zusammenprall der alten
vergilbten Rheinromantik von den oberen Ufern mit
dem bemerken, was ich die niederrheinische Gesinnung
nennen möchte. Es ist nicht dasselbe, was anderwärts
Akademien und Sezessionen trennt. Viel mehr Ört-
liches, kaum den Streitern selbst bewußt, spielt herein
und schafft Gegensätze. Diese »niederrheinische Ge-
sinnung« — und ich fasse den Ausdruck in viel
weiterem Sinne als in einem auf Künstlerstreit be-
schränkten — muß mehr und mehr auch das Rhein-
ländertum der mittleren und oberen Rheinufer durch-
dringen, soll nicht die Kultur dieser so gesegneten,
über alles schönen Landstriche eine rückständige und
durch pseudoromantische Kunstgriffe sogar abstoßende
werden.

Auf die unglückliche Kölner Brücke muß noch
einmal zurückgekommen werden. Als Schwechtens
Entwürfe vor etwa drei Jahren in der Akademieaus-
stellung in Berlin auftauchten, erregten sie bei den
Freunden des herrlichen Kölner Stadtbildes allgemeines
Befremden. Zeitschriften wie Avenarius' »Kunstwart«
und viele andere, auch die »Grenzboten«, griffen
mit heftigen Worten die Kölner an, daß sie diesen
Frevel zulassen konnten. Und was erwiderten die
Kölner? »Die Brücke ist nicht von der Stadt erbaut,
sondern als Eisenbahnbrücke fiskalisch. Wir haben
alles gelan, zu verhindern. Wendet Euch an den
Herrn Minister der Eisenbahnen.« Mit um so größerem
Befremden wird man jetzt die Nachricht lesen, daß
auch an die Stelle der sogenannten Schiffsbrücke,
die längst nicht mehr den Anforderungen des Ver-
kehrs genügt, eine neue städtische Fußgängerbrücke
 
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