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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 22.1911

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Beringer, Joseph August: Die Trübner-Ausstellung in Karlsruhe
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https://doi.org/10.11588/diglit.5953#0134

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Die Trübner-Ausstellung in Karlsruhe

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in unserer Zeit jedenfalls einzig dasteht. Das Bildnis
des Großherzogs von Hessen in den Hauptwerten,
auf dunkelbraunschwarz, hell-und dunkelgrün gestimmt,
das Porträt des Oroßherzogs von Baden in blau, grün
und rotbraun gehalten, hängen einander gegenüber
und sind schlagende Beispiele wirkungsvollster und
höchster Porträtmalerei.

Überhaupt sind die Reiterbilder, die Doggen- und
Pferdebildnisse in allen möglichen Stellungen, Größen
und Farben allein schon des Studiums wert. Es sind
die einzigen Tiere, die Trübner seiner späteren Kunst
würdig befunden hat. Er hat das Tier-Porträt ge-
schaffen. Die Niederländer haben — Snyders, Potter
u. a. — auch lebensgroße Tiere gemalt. Am voll-
endetsten sind sie aber in ihren kleinformatigen Schöp-
fungen. Trübners Vortrag ist aber so einfach und
wuchtig, so kraftvoll und ruhig, daß er die künstle-
rische und reale Existenz dieser Tierindividuen in
Lebensgröße einwandfrei glaubhaft macht. Das sind
nicht mehr typische Tierwesen, es sind porträtmäßig
gegebene Charaktere von großartiger Bravour. Der
Katalog verzeichnet unter Nr. 46 und 47 (1876) die
ersten Pferdestudien. Sie geben gleich den größten
Reichtum an malerischen und räumlichen Möglich-
keiten. Von da an bringt fast jedes Jahr eine kleine
Serie (Nr. 51, 52, 56, 63, 71, 72,81, 112, 113,115,
138, 139, 140 u. s. f.), immer mit neuen Problemen,
bis dann die Reiterbilder der Jahre 1901 —1906 (Nr.
147, 148, 156, 157, 160, 162, 163, 166, 173, 177)
die endgültigen Lösungen einer Kombination von
Mensch- und Tierporträt bringen.

Alle malerischen und Figuralstudien finden in den
achtziger Jahren eine vorläufige Zusammenfassung und
Konzentration in den sog. Kompositionen, den Ama-
zonen- und Gigantenbildern, der »Kreuzigung« und
der »Wilden Jagd«. Die Anregungen dazu waren
schon früh vorhanden. Ausgelöst wurden diese Werke
durch Feuerbachs Amazonen- und Titanenbilder. Eine
spätere Kunstgeschichtsschreibung wird festzustellen
haben, wie eng oder lose die bildnerischen Beziehungen
zwischen den beiden Künstlern waren. Hier genügt
es zu sagen, daß Feuerbach, wie beim Eintritt in das
Kunstleben, so auch an einem wichtigen Entwicklungs-
punkt Trübners einwirkte. Allerdings spielen in diese
Werke besonders auch die rein malerischen Gesichts-
punkte hinein, wie die eigenartige Lichtführung und
die Koloristik deutlich zeigt, namentlich in der herrlich
gemalten »wilden Jagd«. Mit diesen Werken zwischen
1877 und 1888 hätte Trübner das Literarische, wenn
je es in seiner Kunst andeutungsweise vorhanden ge-
wesen wäre, endgültig und bis auf die letzte Spur
beseitigt. Es ist bezeichnend für die rein künstlerische
Richtung Trübners, daß er nach den Kompositionen
sich mit Vorliebe der Landschaft und dem Porträt
zuwendet und diese mit einer ganz überraschenden
Schärfe des Schauens individualisiert. Das Individuali-
sieren ist überhaupt eine Stärke der Trübnerschen
Kunst. Das Köpfe- und Händemalen, nach Trübners
Wort der »Parademarsch des Künstlers«, ist wie die
»Landschaftsmalerei das hauptsächlichste Feld für die
rein künstlerische Richtung der modernen Zeit, weil

der Künstler in ihr nicht durch die Ansprüche an
Begebenheitliches, Sinnliches oder Phantastisches zum
unkünstlerisch Laienhaften herabgezogen und nicht in
dem Maße, wie beim Figürlichen, durch berühmte
Vorgänger beeinflußt wird«. Und Trübner läßt auf
eine Periode der Figuralmalerei immer eine Erholungs-
zeit in der Landschaftsmalerei folgen. Den ersten
Landschaften (Nr. 16, 17, 18 — 1873 —) mit ihrer
betonten Vordergrundsanschauung folgt im »Dampf-
bootsteg« (Nr. 23, 1874) gleich ein heftiges Stück,
in dem die später glänzend bewältigten Probleme
des Raumes, der Farbenhelligkeit und der Luftbehand-
lung virtuos aufgerollt sind. Und schon 1876 ertönen
die ersten pleinairistischen Klänge auf dem »Waldweg
bei Bernried« (Nr. 50, 1876). In den achtziger Jahren
ist die Serie der fünf Heidelberger Stimmungen
(Nr. 90—94) die Ouvertüre zu den hell und silbern
gehaltenen Chiemsee- und Seeonlandschaften (Nr. 95,
96, 98 bis 104 — 1890 bis 1892 —), die mit dem
phänomenalen Farbenkunstwerk der Bodensee-Abend-
stimmung (Nr. 110, 1894) die malerisch-stilisierende
Periode Trübners abschließt. Von dem Umzug Trübners
aus München nach Frankfurt, wo im Städel der Studien-
garten und das Freilicht zur Verfügung stand, datiert
auch die neue Landschaftskunst, jene in Smaragdgrün
getauchten, von Sonnenlicht und Luft erfüllten wunder-
vollen hellen Odenwald- und Bergstraßenbilder —
namentlich die Hemsbacher Werke —, die in dem
jauchzenden Licht der Starnbergersee-Landschaften die
Atmosphäre mit ihrer ätherischen Transparenz und
Flüssigkeit so glänzend repräsentieren.

Vor diesen mit der souveränen Sicherheit des aus
dem Vollen schaffenden Künstlers prima hingesetzten
Werken einer voll ausgereiften Kultur des Auges und
des Pinsels hat jede Kritik zu schweigen. Trübner
ist auch landschaftlich nach Lemonniers Worten
»l'adorateur passionne de la couleur, robuste et delicat,
tour ä tour, ayant l'animalite humaine d'un Rodin et
le sensualisme lumineux de Renoir«, so wenige oder
gar keine Beziehungen zur französischen Kunst Trübner'
sonst hat.

Die Trübnerschen Stilleben, deren einige zu sehen
sind, bestätigen ohne weiteres das ungeheuere kolo-
ristische und formale Können, das aus Landschaften
und figuralen Darstellungen erkennbar ist.

Die fünfzig Zeichnungen wären besonderer Be-
trachtung wert. Hier nur so viel, daß Trübner an-
fänglich mit Vorliebe nur auf die Gegensätze von
hell und dunkel arbeitete. Die Dragoner- und die
Gigantenzeichnungen gehören hierher (Nr. 3—12,
1875—78). Dann kommen die ungemein scharf ge-
zeichneten Doggen (Nr. 13—16), Landschaften (Nr. 26
und 27) und die Musiker mit ihren lebensvollen
Bewegungen (Nr. 28—39, 1887), der höchst merk-
würdige Entwurf zu einem Kaiserdenkmal (1889),
landschaftliche Studien aus den neunziger Jahren
(Nr. 44—48) und zum Schluß eine veritable histo-
rische Skizze »Napoleon am Wachtfeuer« (Nr. 49,1910),
die mit genialer Strichführung Ruhe und zitternde
Bewegung darstellt, ein zeichnerisches Kleinod des
großen Koloristen und Malers.
 
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