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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 22.1911

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Römischer Brief, [1]
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Dürer und der Hausbuchmeister
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https://doi.org/10.11588/diglit.5953#0184

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Dürer und der Hausbuchmeister

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alterlichen Trastevere und der Region der alten Suburra
entworfen. An die Ausstellung des Lebens der
Fremden in Rom hat man gedacht, weil bei dem
kosmopolitischen Charakter, den Rom seit dem Alter-
tum immer gehabt hat, es richtig schien, das histo-
rische Bild mit Erinnerungen an viele der großen
Männer des Auslands, Künstler und Poeten, welche
in Rom gelebt und geschaffen haben, zu vervollstän-
digen, eine kleine, intime Ausstellung in mäßig großen
Räumen. Nach Möglichkeit wird jedes Land aus-
stellen: die Erinnerungen an einen Literaten, einige
Werke eines Künstlers oder eines Poeten, ohne wirklich
strenge chronologische Anordnungen. Jede Gruppe
wird dann durch Landschaften vervollständigt, von
Malern, welche Rom und die römische Campagna
gemalt haben. Man wird so die Möglichkeit haben,
in kleinem Rahmen die Entwickelungsgeschichte der
heroischen Landschaft zu studieren. FED. H.

DÜRER UND DER HAUSBUCHMEISTER
Wie in fast jeder Sitzung der französischen Kunst-
gesellschaften über neue Forschungen zu den Tres riches
heures du duc de Berry berichtet wird, so ist in deutschen
Kunstzeitschriften das Thema Hausbuchmeister zur stän-
digen Chronik geworden. Gewiß hat die kunstwissenschaft-
liche Oier, mit der man sich auf diesen großen Anonymus
stürzt, ihre Vorzüge und vermag Ergebnisse zu zeitigen,
die es möglich machen, im Laufe der Zeit ein fest um-
rissenes Bild dieser Künstlerpersönlichkeit zu gewinnen.
So hat der jüngste (etwas allzu überlegen sich gebärdende)
Aufsatz von Flechsig (Monatshefte f. Kunstw. IV., März-
April) beachtenswerte und gründliche Aufschlüsse über den
Meister als Zeichner für den Holzschnitt gebracht, indem er
besonders den bei Peter Drach in Speyer erschienenen
»Spiegel menschlicher Behältnis« eingehend untersuchte und
als neues Werk den »Almanach von 1483« namhaft machte,
sowie seine Tätigkeit in Ulm behauptet. Weniger fördernd
ist ein Aufsatz von Sir Martin Conway im Märzheft des
»Burlington Magazine« (317ff.): Dürer and the House-
book Master. Hier wird kaum eine einzige stichhaltige
neue Beobachtung mitgeteilt, und selbst die hypothetischen
Behauptungen sind alle bereits von anderer Seite aufgestellt
— und zum Teil bereits widerlegt worden. Von diesen frühe-
ren Forschungen erfährt man auffallenderweise überhaupt
nichts. Das berührt um so seltsamer, als im Dezemberheft
des Burl. Mag. ein zusammenfassender Aufsatz erschienen
war, der die in Frage kommende Literatur erwähnt und am
Schlüsse auch auf die Beziehungen zu Dürer hingewiesen
hatte. Schon R. Vischer hat in seinen »Studien« (p. 415) 1886
die Frage gestellt und die Möglichkeit einer Begegnung der
beiden Meister in Straßburg erörtert. Diese Beziehungen
hat Hachmeister (Der Meister des Amsterdamer Kabinetts
und sein Verhältnis zu Albrecht Dürer. Bln. 1897) zum
Gegenstand einer ausführlichen, zu weitgehenden Dar-
legung gemacht; sie sind auch sonst in der Literatur des
öfteren beachtet worden: von Lorenz (Die Mariendarstel-
lungen Albrecht Dürers. Studien z. Dtsch. Kunstgesch. 55),
Weisbach (Der junge Dürer), Thode u. a. Völlig über-
trieben sind die Bemerkungen von M. Escherich (Helbings
Monatsber. III, 244). Von all diesen Feststellungen ist indes
in Conways Aufsatz nichts gesagt. Conway betrachtet die
frühen Zeichnungen Dürers, die zum Teil abgebildet werden,
weist auf die bekannten Beziehungen zu Schongauer hin
und konstatiert dann besonders in der Madonna mit der
Heuschrecke (B. 44) den Einfluß des Hausbuchmeisters.
Er nimmt dann die bereits viel erörterte Stelle des Inihoff-

schen Inventars auf, auf Grund deren man einen Aufenthalt
Dürers in Straßburg 1493/4 hat feststellen können, weist
dabei auf einen Aufsatz Bosserts in den Monatsh. 1909,
p. 578, statt auf die von diesem offenbar übersehenen und
bereits hinreichend fundierten Erörterungen Rieffels (Ztschr.
f. bild. Kunst, N. F. XIII, 209) einzugehen. In den Werken
Dürers aus seiner Straßburger Periode sieht er den Einfluß
des Hausbuchmeisters. Er meint damit vornehmlich: die
Madonna mit der Heuschrecke (B. 44), das Christkind der
Albertina (L. 450), den Gewalttätigen (B. 92), den Liebes-
antrag (B. 93), die nackte Frau bei Bonnat (L. 345), die
Himmelfahrt der Magdalena auf der Veste Coburg, eine
kluge Jungfrau der Albertina (L. 458), das schreitende
Liebespaar zu Hamburg, die Frau mit dem Schleppkleid
bei Bonnat (L. 346), der Spaziergang (B. 94), das reitende
Liebespaar in Berlin (L. 3), den kleinen Postreiter (B. 80).
In allen diesen Blättern sieht er mehr oder minder starken
Einfluß des Hausbuchmeisters, sei es in Einzelheiten, im
landschaftlichen Hintergrund, in den Kostümen.

Conway konstatiert einen »twelvemonth influence« (!)
besonders auf Grund einer persönlichen Begegnung beider
Meister in Straßburg. Er sieht in dem alten Mann, der
zu Straßburg sein Meister gewest, den Meister des Haus-
buchs (wie schon R. Vischer u. a.). Er verweist auf Bos-
serts Aufsatz, ohne aber zu bemerken, daß dieser a. a.
O. 578 ausdrücklich sagt, ein Einfluß aus den Handzeich-
nungen lasse sich für diese Zeit nicht belegen und der
»alte Mann« sei vermutlich unter den Handschriftenillustra-
toren zu suchen.

Sind nun wirklich die Einflüsse des Hausbuchmeisters
so stark, daß wir veranlaßt werden könnten, in dem Straß-
burger Meister und Lehrer des jungen Dürer diesen Ano-
nymus zu erblicken? M. E. drängt nichts zu dieser sehr in
der Luft schwebenden Annahme. Schon Friedländer (Zs.
f. bild. Kunst. N. F. IX, 246) hat die Spärlichkeit der Bezie-
hungen zu Dürer betont und eine Reihe weiterer Fachgenossen
haben sich dieser Meinung angeschlossen. Hachmeister
hat mit peinlicher Genauigkeit die Jugendarbeiten Dürers
mit den Stichen des Hausbuchmeisters verglichen und es
ist ihm kaum etwas Wesentliches entgangen. Und den-
noch genügen auch dessen Beobachtungen nicht, um die
wirkliche persönliche Berührung nur irgendwie zu postu-
lieren. Ja Friedländer äußert: »Mir scheint aber, Hach-
meister hat mit aller Bemühung noch nicht einmal dem
Widerstrebenden die Überzeugung aufgezwungen, daß
Dürer auch nur ein Blatt des Hausbuchmeisters gekannt
habe.« Ich muß gestehen, daß ich in den von Conway
zusammengestellten Werken aus Dürers Straßburger Peri-
ode nur in einem Werk einen Nachklang der Kunst des
Hausbuchmeisters zu erblicken vermag: in dem Hamburger
schreitenden Liebespaar (wie schon Peartree bemerkte).
In allen übrigen analogen Merkmalen handelt es sich um
Kennzeichen des Zeitstiles, nicht um besondere individuelle
Züge eines einzelnen Künstlers. Für das Hamburger Lie-
bespaar hat Storck (Monatsh. f. Kunstw. III, 346) auf eine
in Erlangen befindliche Zeichnung hingewiesen, die er dem
Meister der Herpinhandschrift zuerteilte. Dieser Hinweis
wurde neuerdings wiederholt von Ochenkowsky. (Die Selbst-
bildnisse von Albrecht Dürer, Straßburg 1910, p. 8.)

Aus den übrigen Bemerkungen möge noch eine her-
ausgegriffen sein: der vom Tode Überfallene Reiter im
Städelschen Institut in Frankfurt (L. 193) hat weder mit
dem Hausbuchmeister noch mit Dürer etwas zu tun, son-
dern gehört demselben Meister, der die drei Lebenden und
die drei Toten in der Albertina geschaffen hat: Wechtlin,
wie heute Rieffei, Röttinger und Seidlitz mit Recht anneh-
men. Auffallend ist, daß Conway in den Blättern von 1489,
den drei Landsknechten (L 2) und dem Reiterzug (L. 100),
 
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