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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 22.1911

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Storck, Willy F.: Maximilian von Welsch und seine Schule: neuere Forschungen zur Geschichte der mittelrheinischen Barockarchitektur
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https://doi.org/10.11588/diglit.5953#0239

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Maximilian von Welsch und seine Schule

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historiker gefangen nimmt. Schon die Forschungen
der letzten Jahre haben darauf hingedeutet, daß Mainz
an der Entwicklung dieses Stiles mit beteiligt war.
Nur war man bisher im unklaren über Art und Um-
fang der Beteiligung innerhalb der Gesamtkunst. Man
hat sich lange mit Unrecht dagegen sträuben wollen,
daß Mainz im rheinischen Kunstleben früherer Zeiten
meist eine führende Stellung einnahm. Bamberg,
Würzburg, Straßburg und andere Orte sollten die
Kunst nach Mainz gebracht haben, im 15. Jahrhundert
genau wie im 18. Jahrhundert. Das ist dank moderner
Forschungsergebnisse anders geworden und die Führer-
rolle der mittelrheinischen Metropole wird in der Tat
mehr und mehr erwiesen. Für die Kunst der Barock-
architektur haben das jetzt mehrere neue Publikationen
gründlich getan.

Die Blütezeit der rheinischen Barockarchitektur ist
eng verknüpft mit der Persönlichkeit, die um die
Wende des 17. Jahrhunderts seiner Zeit das Gepräge
gab: Lothar Franz von Schönborn. Friedrich Schneider
hat die Situation einmal so gekennzeichnet: Daß um
die Wende des 17. Jahrhunderts ein Erzbischof aus
dem »baulustigen« Geschlechte der Schönborn, Lothar
Franz, auf dem Mainzer Stuhle saß, war für die Ent-
faltung reger Bautätigkeit von entscheidendem Einfluß.
Festung und Stadt wurden ausgebaut, Prunk- und
Wohltätigkeitsbauten eingeleitet. Der Hofadel schuf
sich neue Residenzen; Kirchen und Klöster folgten
dem baulustigen Zuge der Zeit, so daß Mainz bald,
gleich den benachbarten Bischofs- und Fürstensitzen,
mit einer Reihe vornehmer und anmutender Bauten
geschmückt ward. Das 18. Jahrhundert bedeutet für
Mainz und seine Kunst eine Auferstehung. Es ist
nun eine Persönlichkeit, die entscheidend und be-
stimmend wurde für die gesamte Entwicklung des
Bauwesens, nicht sowohl der Residenz Mainz, als
vielmehr der rheinfränkischen Lande: der General
Maximilian von Welsch.

Noch vor wenigen Jahren konnte ein verdienst-
voller Lokalforscher sagen: »Leider fehlen für die
Geschichte der Künstler wie der Kunstwerke aus der
ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts fast alle archiva-
lischen Belege, so daß sich eine zusammenfassende
Darstellung noch nicht geben läßt«. Nun haben eine
Reihe von Archiven und Urkunden gesprochen und
feste Umrisse und Linien beginnen sich aus dem
bisher verschwommenen Bild herauszulösen. Maximilian
von Welsch ist gewissermaßen Stammvater einer Archi-
tektengeneration, die mit ihm beginnt und sich bis
in die siebziger Jahre des Jahrhunderts verfolgen läßt
mit all ihren Nebenlinien der Stukkateure, Bildhauer,
Maler und Kunsthandwerker. Welsch ist einer jener
»Grandseigneurs« unter den Baumeistern, die Künstler
und Hofmann zugleich waren und fast alle militä-
rischen Chargen bekleideten. Ingenieur, Militärbau-
direktor und General war auch Welsch. Dieser Titel,
sowie die Tatsache, daß diese großen Herren nur die
Ideen für den Gesamtplan entwarfen, dessen Aus-
führung sie jedoch Bauleitern technischer Art über-
ließen, waren Gründe, daß die Bedeutung dieser Meister
so lange verkannt wurde. Ihre Namen waren in den

uns überkommenen Bauakten kaum genannt; nur die
Namen derer, mit denen die Akkorde geschlossen
wurden, — und das waren eben die technischen
Leiter bei der Ausführung. Großartig genug wird die
Tätigkeit des Generals eröffnet; sie beginnt (1700—
1710) (soweit wir vorläufig übersehen) mit der An-
lage des kurfürstlichen Lustgartens, der sog. Favorite,
die auf dem Gebiet des 1688/89 verwüsteten Stifts-
gartens von St. Alban errichtet war. Nur in erhaltenen
Kupfern1) und aus lobpreisenden Beschreibungen zeit-
genössischer Schriftsteller vermögen wir uns dieses
Kleinod deutscher Gartenkunst vor Augen zu führen;
die Belagerung des Revolutionsjahres machte ihrem
Bestehen ein Ende. In das erste Jahrzehnt des 18. Jahr-
hunderts fällt diese erste rheinische Gartenanlage großen
Stils. Ihr Einfluß und der der ihr folgenden Anlagen
von Pommersfelden und Gaibach auf die Entwicklung
der deutschen Gartenkunst des 18. Jahrhunderts ist
noch-nicht untersucht2). Interessant ist jedenfalls die
Stelle eines Briefes von Lothar Franz an den Reichs-
vizekanzler, in dem der Kurfürst ausdrücklich die
Bedeutung Welschs in »Zivilbau- und Gartenkunst«
rühmt und ihn dem Kaiser empfiehlt für seine Bauten
in Wien, wo ein Fischer von Erlach und Hildebrand
bereits ihr Wirken ausgebreitet hatten8). In den Formen
macht sich wohl ein Einfluß italienisch-österreichischen
Barockstiles bemerkbar, wenngleich auch von Frankreich
her Nahrung gesogen wurde und der Kurfürst nicht
ohne Berechtigung sein Schloß »le petit Marly« nannte.
Man hat früher die Meinung vertreten — so wurde sie
in kunsthistorischen Handbüchern festgenagelt —, die
Mainzer Bauten Welschs gingen auf eine von Neumann
begründete Schule süddeutscher Barockarchitektur zu-
rück. Das ist jetzt anders geworden. Welsch ist
bereits seit 1706 auch bambergischer Baudirektor und
es ist schon ohnehin kein Grund einzusehen, daß
der Fürst seine Schloßanlage — Pommersfelden —
nicht auch von seinem Baudirektor bauen ließ. Als
Architekt des Stallungsgebäudes war Welsch bereits
urkundlich festgelegt, nun weist ihm Lohmeyer4) die
gesamte großartige Schloßanlage zu. Dientzenhofer,
der seither als Meister dieses Baues galt5), scheint
nun denn nur der ausführende Meister gewesen zu
sein, und aus Briefen erhellt, daß man in Mainz an
Rissen arbeitete und daß Dientzenhofer selbst nach

1) Das Kupferwerk ist heute sehr selten geworden und
nur noch in wenigen Bibliotheken zu finden: Sal. Kleiner,
Wahrhaffte und eigentliche Abbildung der churfürstl.
mayntzischen Favorita. Augsburg 1726.

2) Das ist auch nicht geschehen in der knappen Ge-
schichte der Oartenbaukunst von A. Grisebach (Der Garten.
Eine Geschichte seiner künstlerischen Gestaltung. Lpz. 1910).

3) Abgedruckt ist die Briefstelle bei Lohmeyer, Fried-
rich Joachim Stengel (Mitt. des hist. Ver. f. d. Saargegend XI,
1911) p. 12. Das Buch, auf dessen Bedeutung ich an dieser
Stelle bereits nachdrücklich hinwies, hat auch für die Ge-
schichte des rheinischen Barocks umfängliches neues Material
beigetragen, auf das im folgenden hingewiesen wird.

4) Lohmeyer, a. a. O. p. 13.

5) Weigmann, Die Dientzenhofer, Eine Bamberger
Baumeisterfamilie (Studien z. deutschen Kunstgeschichte. 34).
1902. p. 153.
 
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