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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 22.1911

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Storck, Willy F.: Maximilian von Welsch und seine Schule: neuere Forschungen zur Geschichte der mittelrheinischen Barockarchitektur
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https://doi.org/10.11588/diglit.5953#0240

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Maximilian von Welsch und seine Schule

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Mainz kam, wohl um die Intentionen seines Fürsten
und wohl auch des Generals kennen zu lernen.
Welschs Tätigkeit hat, schon soweit wir jetzt sehen,
einen bedeutenden Umfang gehabt: in Erfurt ist das
Palais des Mainzer Statthalters sein Werk1), in Sachsen-
hausen das Deutschordenshaus, in Biebrich der runde
Mittelbau, die anschließenden Galerien und dieOrangerie
des Schlosses, das in seiner Hauptanlage von Stengel2)
weitergeführt wurde. Auch in Usingen und Idstein
war er wohl bei der Schloß- und Gartenanlage beteiligt.
Ein Hauptwerk seiner Kunst aber ist die Orangerie in
Fulda, das Prunkstück heiteren Barockstils, das man
bisher auch Dientzenhofer zuwies. Lohmeyer ist es
gelungen, auf dem Rathaus zu Fulda die Original-
plane mit eigenhändiger Unterschrift aufzufinden.
Allein diese mit feinster Kunst ausgeführten Pläne8)
würden genügen, dem Meister eine erste Stelle in der
deutschen Barockkunst zu sichern. Nach diesen Plänen
hat dann Stengel die Bauten und vor allem die einst
wunderbaren Gartenanlagen ausgeführt mit wenigen
Veränderungen. Wichtig ist, daß uns hier — wie
auch in Biebrich und Frankfurt — Mainzer Hand-
werker begegnen, die ohne Zweifel den Mainzer Stil
nach außen übertrugen: der Hofwerkmeister Herwarlhel
und der Gärtner Dietmann (vielleicht der Obergärtner
der Favorite) wurden von Welsch nach Fulda be-
ordert, »um wegen anrichtung des bau- und garten-
werks in ein und anderem ihr gutachten zu geben«.
Nicht minder bedeutsam ist die Zuweisung der Ge-
samtidee des Schlosses zu Bruchsal an Welsch. Hier
hat ein größeres Werk von Hirsch Klarheit zu schaffen
begonnen; doch war Hirsch zu dem von vornherein
nicht sehr wahrscheinlichen Ergebnis gekommen, der
(damals neunzehnjährige) Ritter von Gruenstein sei
der Entwerfer dieser großartigen Anlage4). Wir können

1) Abgebildet bei Dohme, Barock- und Rokokoarchi-
tektur I. — Die Originalrisse sind erhalten (vgl. Denkmal-
pflege 1901, 44) und zeigen, wie Lohmeyer erkannt hat,
die Handschrift Welschs, so daß an seiner Autorschaft kein
Zweifel ist.

2) Über die interessante Baugeschichte des Biebricher
Schlosses haben die Forschungen Lohmeyers völlig neues
und aufhellendes Licht geworfen. Lohmeyers Buch bietet
ja in erster Linie eine monographische Behandlung des
fürstäbtlich fuldischen und fürstlich nassau-saarbrückenschen
Architekten F. J. Stengel (1694—1787), dessen Lebenslauf
Lohmeyer das Glück hatte aufzufinden und der uns zum
erstenmal ermöglicht, auf Grund authentischster Nachrichten
den Entwicklungsgang eines solchen Barockarchitekten zu
verfolgen.

3) Abgebildet bei Lohmeyer, Abb. 1 u. Taf. I.

4) Hirsch, Das Bruchsaler Schloß. Heidelberg 1910. —
Hirsch hat bereits in einer Besprechung des Lohmeyerschen
Buches (Zs. f. Gesch. d. Arch. IV, p. 142) die Einwände
Lohmeyers zu entkräften gesucht, und nochmals darauf
hingewiesen, daß Ritter Pläne für das Corps de Logis ge-
fertigt hat, von denen bei der Ausführung abgewichen
wurde, und daß im Kidricher Familienarchiv drei Bruch-
saler Risse vorhanden sind, »von denen der eine durch
Randbemerkungen den persönlichen Verkehr zwischen Bau-
herrn und Architekten erkennen läßt«. Darauf sich stützend
will Hirsch ihm auch den Gesamtplan, vor allem die geniale
Grundrißlösung, zuschreiben. Auffallend ist, daß Hirsch

jedoch aus Briefen Lothar Franz' an seinen Neffen
Damian Hugo von Schönborn sowie aus einer Zu-
sammenstellung von Plänen herauslesen, daß in Mainz
zehn Pläne angefertigt wurden, und daß Welsch selbst
1720 zu den Terrainaufnahmen nach Bruchsal reiste,
wie schon Wille und Hirsch erwiesen hatten. Die
Stilvergleichung, besonders mit der Favorite, bestätigt
Lohmeyers Ansicht, und es wird wohl als Tat-
bestand übernommen werden müssen, daß Welsch
der geistige Urheber auch des Bruchsaler Schlosses
ist, Ritter aber wohl, in ähnlicher Weise, wie wir
es bei Stengel im Bezug auf die Fuldaer Orangerie
sahen, der weiterausbildende Architekt. Denn Welsch
ist ja nun einmal der führende Architekt seiner
Zeit und selbst in Würzburg, wo der 32 jährige
Neumann die Risse gemacht hat, wurde Welsch zur
Begutachtung herangezogen; ja er hat selbst einen
Entwurf zur Kapellenwand des Würzburger Schlosses
gemacht, der allerdings nicht ausgeführt wurde. Nur
einmal tritt uns bisher Welsch als der Erbauer einer
Kirche entgegen, in Amorbach, wo er 1742 Balthasar
Neumann in einer Konkurrenz besiegte1). In Worms
hat er Pläne für die innere Ausstattung des Domes
gemacht und auch bei dem bischöflichen Palast kommt
er als Entwerfer in Betracht, in dessen weitere Bau-
geschichte dann Ritter und Neumann eingreifen2).
In Mainz wiederum hat er den großen Hauptaltar in
der Quintinskirche entworfen (1739). Das Adreßbuch
der Stadt Mainz von 1820 wies ihm das Zeughaus
und das Deutschordenshaus zu; indes nur das Zeug-
haus geht auf ihn zurück. Lohmeyer weist ihm auf
Grund stilistischer Übereinstimmungen den Erthaler
Hof (das jetzige Regierungsgebäude) zu, der sich bei
aller Einfachheit der Ornamentik durch die überaus
malerische Gruppierung und hervorragende Grundriß-
lösung auszeichnet. Ohne Zweifel werden die For-
schungen Lohmeyers, die mit einem Schlage so
viel Licht in die dunkle Geschichte der Barock-
kunst gebracht haben, weiterhin die Stellung und
das Werk Maximilian von Welschs scharf fixieren3).

nicht auf die von Lohmeyer betonte Stilverwandtschaft mit
Welschs Bauweise eingeht, die mir hier doch in der Tat
ausschlaggebend scheint. Denn mit Bauten Ritters, deren
Grundrißlösung durchaus des malerischen und originellen
Charakters entbehren, zeigt sie keine Verwandtschaft. —
Übrigens scheint auch Wille, der ja zuerst Bruchsal der
Wissenschaft erschloß, der Hirschschen Hypothese nicht
geneigt zu sein, wenn er schreibt: «Immerhin bleibt die
Frage offen, ob nicht Ritter, der damals noch als junger
Mann mitten in dem blühenden Mainzer Bauwesen noch
lernte, in geistiger Abhängigkeit von anderer Seite Pläne
entworfen hat«. Er weist dabei auf Welsch hin. (Zs. f.
Gesch. d. Oberrheins 1910, 556.) Lohmeyer wird ja wohl
in seiner in Aussicht stehenden Monographie Welschs
zu den Problemen nochmals Stellung nehmen.

1) Vgl. Sponsel, Die Abteikirche in Amorbach. Dresden
1896. p. 4 ff. und Lohmeyer p. 20.

2) Kranzbühler in der Festschrift für Schneider (Studien
aus Kunst und Geschichte. Freibg. 1906. p. 124) und Loh-
meyer a. a. O. p. 19.

3) Noch 1905 mußte ein verdienstvoller Lokalforscher
urteilen: »Welschs Einfluß auf das Mainzer Bauwesen wird
zwar öfters in den kunstgeschichtlichen Handbüchern er-
 
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