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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 22.1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.5953#0306

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Literatur

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Bilde der Borghesegalerie mit Kosmas und Damian als
Onto D'(osso) zu ergänzen und darin eine »humoristische
Künstlersignatur« zu sehen, erscheint nicht einmal als
das Seltsamste; noch verwunderlicher ist, daß er das Vor-
handensein des bekannten »Knochenmonogramms« auf der
Tempelaustreibung der Galerie Doria behauptet und diese
daraufhin gleichfalls dem Dosso zuschreibt. In Wahrheit
trägt dieses Bild (Phot. Anderson 5422) die Bezeichnung
IA unter einem Ährenbüschel, also eine ähnliche Rebus-
signatur wie das oben erwähnte Breslauer Gemälde, und
hat mit Dosso ebensowenig zu tun, wie das Ärztebild,
mit dem es übrigens den Urheber gemeinsam haben wird.
Denn Zwanziger macht S. 114 mit Recht darauf aufmerk-
sam, daß der Kopf des hl. Kosmas bei einem Alten links
von Christus in der »Vertreibung« wiederkehrt und deutet
im übrigen die erwähnte Aufschrift ungezwungen als Onto
D(amiani). Als ein charakteristisches Beispiel aber, wie
die Kette der Irrtümer sich bis in die Gegenwart hinein-
zieht, sei erwähnt, daß gerade jener unglückliche Passus
Morellis sich noch in dem eben erschienenen dritten
Bande von Woermanns »Geschichte der Kunst« (S. 91)
wiederfindet: »Kälter sind seine späteren, mit dem Knochen-
monogramm bezeichneten Bilder, wie die »Vertreibung der
Händler« im Pal. Doria zu Rom«! So ist auch das Ver-
zeichnis der Bilder Dosso Dossis noch in den neuesten
Auflagen des »Cicerone« eine Sammlung von unvereinbaren
Dingen. Ganz harmlos stehen da beispielsweise neben-
einander: Uffizien: Kindermord (ein ganz typischer Mazzo-
Uno!); Pal. Pitti: Ruhe auf der Flucht (von Zwanziger jetzt
mit Recht für Battista Dossi in Anspruch genommen); Ateneo
zu Ferrara: Verkündigung (ganz sicher Oarofalo!) u. a. m.
Venturi, dessen dankenswerte Bemühungen die Kenntnis
der beiden Dossi namentlich durch Urkundenpublikation
förderte, hat in gewissem Sinne die bestehende Verwirrung
noch vergrößert, weil seine Tendenz, die Bedeutung des
Battista Dossi auf Kosten des älteren Bruders zu erhöhen,
ihn zu manchen willkürlichen Zuschreibungen veranlaßte,
und Thode und Patzak haben in ihren Untersuchungen
über die Villa Imperiale in bezug auf die Dossi auch keine
glückliche Hand bewiesen.

Man sieht: das Verhältnis der beiden Brüder zueinander
ist der springende Punkt in der ganzen Dossofrage und
man darf einem Buche, das dieses gerade zum Gegenstande
der Untersuchung macht, ein gewisses Interesse zuwenden.
Bevor ich auf die Behandlung dieser Frage durch Zwanziger
eingehe, möchte ich noch bemerken: seine Schrift ist eine
Erstlingsarbeit und leidet an den Mängeln einer solchen.
Ihre einzelnen Abschnitte sind offenbar zu verschiedenen
Zeiten entstanden und dann nicht gehörig ineinander ver-
arbeitet worden. Daher fehlt es dem Ganzen an Durch-
sichtigkeit der Anordnung; es finden sich lästige Weit-
schweifigkeiten und Wiederholungen. Den chronologischen
Fragen wendet der Verfasser sowohl in der Lebensge-
schichte der beiden Brüder wie in der Untersuchung ihrer
künstlerischen Tätigkeit nicht die erforderliche Aufmerksam-
keit zu. Man erhält überhaupt nirgends ein abgerundetes
Gesamtbild ihrer Kunst, ihrer Persönlichkeit. Auch die
Einzeldarstellung ist nicht immer sorgfältig und klar; man
könnte eine ziemlich lange Liste von Irrtümern und Miß-
verständnissen, von Begehungs- und Unterlassungssünden
des Verfassers aufstellen. Seine nonchalante Zitiermethode,
die saloppen und unvollständigen Verzeichnisse am Schlüsse
der Arbeit fordern direkten Tadel heraus. So ist die Schrift
keineswegs das Buch über Dosso, das wir uns wünschen
möchten. Aber in einem Punkte wird der Verfasser wohl
recht behalten: in seiner methodischen Scheidung der Werke
Battista Dossis von denen seines Bruders Giovanni oder
Dosso Dossi. Hierfür stellt Zwanziger zum erstenmal greif-

bare Kriterien auf, die er uns plausibel zu machen weiß.
Das einzige signierte Bild der Dossi ist bekanntlich der hl.
Hieronymus der Wiener Galerie mit dem Monogramm des
durch ein großes lateinisches D gesteckten Knochens. Man
hat dies Bild bisher stets dem Giovanni Dossi gegeben,
ohne zu beachten, daß es seinem Stilcharakter nach mit
den anderweitig bezeugten Werken dieses Meisters völlig
unvereinbar ist. Ein Dosso muß es sein, wenn das Mono-
gramm einen Sinn haben soll, also nimmt Zwanziger es
zur Grundlage seiner Rekonstruktion des Battista Dossi
und verbindet es mit einer Gruppe stilistisch überein-
stimmender Gemälde, die bisher wie ein Pfahl im Fleische
der Dossofrage steckten und ihre Gesundung verhinderten.
Denn diese Bilder sind trotz ihres im allgemeinen dosses-
ken Charakters doch so schwach in der Zeichnung na-
mentlich des Körperlichen, daß man sie dem Giovanni Dossi
nicht zutrauen kann; es erscheint durchaus einleuchtend,
daß Zwanziger sie dem jüngeren Bruder zuweist, den
ja auch die Überlieferung als den unbedeutenderen Künstler
charakterisiert. Wir erhalten damit zwei deutlich unter-
schiedene Gruppen von Gemälden, die — wenn sich, wie
ich annehmen möchte, Zwanzigers Hypothese bewährt —
eine willkommene Grundlage zur endlichen Sonderung des
Besitzstandes ergeben. Das von ihm aufgestellte Werk des
Battista Dossi ist vorläufig noch wenig umfangreich, es
wird sich von der gegebenen Grundlage aus vermehren
lassen und es wird dann, alles bisher mitgeschleppten
Ballastes entledigt, die schöne und hohe Kunst des Dosso
Dossi, des Meisters von Werken wie die hl. Familie im
Kapitol, der Sebastianbilder in der Brera und im Dom zu
Modena, der Dresdener Allegorien und der herrlichen Vier
Kirchenväter daselbst, des malenden Zeus in der Samm-
lung Lanckoronski, der hl. Familie in Hamptoncourt, der
Circe-Melissa in der Galerie Borghese und so vieler anderer
Schöpfungen voll süßer Romantik in um so reinerem und
hellerem Glänze erstrahlen.

Max Semrau-Oreifswald.

Hermann Schmitz, Münster. (Berühmte Kunststätten,
Bd. 53.) Leipzig, E. A. Seemann, 1911. Geb. M. 4.—.
Der Verfasser bietet mehr als einen angenehm ge-
schriebenen Führer durch die alte westfälische Kunststätte,
er hat sich die Mühe genommen, ein sorgfältig gearbeitetes
Kompendium der Münsterischen Kunstgeschichte zu schrei-
ben. Dabei hat er den geschichtlichen und kulturgeschicht-
lichen Hintergrund in ausgiebiger Weise zur Geltung ge-
bracht. Keine Periode der künstlerischen Tätigkeit der
Stadt ist zu kurz gekommen. Besonders wichtig sind die
Kapitel über die gotische Kunst, denn in der Gotik steckt
wohl das bedeutendste, was Münster in künstlerischer Be-
ziehung hervorgebracht hat. Selbst was der Verfasser
Münsterische Renaissance nennt, hat noch ein gut Teil
von Spätgotik an sich. — Der Verfasser hat schon in
seinem in derselben Sammlung erschienenen Buche über
Soest der westfälischen Malerei eine ausführliche Be-
sprechung gewidmet. In dem vorliegenden Band kommen
zu derselben weitere interessante Bemerkungen hinzu.
Wertvoll sind dann auch noch die Kapitel über die Barock-
und Rokokokunst in Münster; man staunt zu sehen, wie
zahlreich die schönen Denkmäler dieser Perioden noch
vorhanden sind, besonders die Profanarchitekturen und die
Schnitzereien (z. B. die des J. M. Gröninger) sind für die
Kunstgeschichte von hohem Wert. In seiner Betrachtung
fährt der Verfasser bis zur Gegenwart fort und die Skulp-
turen Lederers und Frydags bilden einen würdigen Schluß
für das schöne Buch. Die Illustrationen sind zahlreich
und zum größten Teil gut, Druck und Ausstattung tadel-
los. B.
 
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