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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 25.1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.6191#0078

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137

Archäologisches

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für den Gebrauch wohl nicht verwandt werden konnten.
Da sie alle auf der Rückseite ein kleines Aufhängloch hatten,
so waren es möglicherweise Etiketten, welche an die Urnen
angeheftet worden sind, entweder Namen, um die Toten zu
unterscheiden, oder Votive mit guten Wünschen der Über-
lebenden und Trauernden. — Es ist kein Zweifel, daß die
Praxis der Leichenverbrennung nebst Neuerungen im religi-
ösen Kult der Woge des Hellenismus zuzuschreiben ist,
welche die lokalen Künste von Meroe während der mittelmeroi-
tischen Zeit fast allein beeinflußte. Die Aschenurnen selber,
von denen Tausende von Fragmenten gefunden worden sind,
gleichen sowohl in Form wie in Dekoration jenen aus der
ptolomäischen Nekropole von Schiatbi bei Alexandria. Nach-
dem Ergamenes nicht vor 260 v. Chr. datiert werden kann,
aber die erwähnten rotfigurigen Scherben und der Kameo
auf mindestens ein Jahrhundert früher schließen lassen, muß
griechischer Einfluß auch schon mehrere Generationen vor
Ergamenes nach Nubien gedrungen sein.

Die Resultate der verschiedenen Ausgrabungs-Cam-
pagnen faßt Garstang, der Leiter der Ausgrabungen, in einer
Tabelle zusammen, die wir im folgenden wiedergeben:

1. Früh-Meroitische Zeit 650bis 300 v. Chr. Aus
dieser Periode sind die Königsnamen Aspelut, Hor-Ma-
Ti-leq und Mal nefer-leq identifiziert. Aus der königlichen
Stadt sind Steinmauern, Palastfundamente, ein Audienzsaal
ausgegraben, ferner bei den letzten Kampagnen das Nordtor
der Stadt, Spuren von Mauerwerk und Straßen. Der große
Tempel der Sonne, der Löwentempel und die dazugehörige
Kapelle.der älteste Tempel der Isis mit Riesen-Statuen-Säulen
stammen aus dieser Periode. Auch der Ammontempel ge-
hört noch hierher, allerdings in etwas spätere Zeit. Spuren
eines Palastes, welche unter mittelmeroitischen Trümmern
liegen, und andere in der gleichen Schicht liegende Ge-
bäude sind ans Licht gebracht. Während die Gräber in
der ersten Hälfte der frühmeroitischen Periode noch in die
Früheisenzeit gehören, sind sie jetzt aus der entwickelten
Eisenzeit. Statt meroitischen hieroglyphischen Inschriften
wie in der ersten frühmeroitischen Periode finden sich
jetzt Kursive. Schon taucht eine kleine Spur von Kontakt
mit Griechenland auf, Scherben einer rotfigurigen attischen
Vase und eine Kamee.

2. Mittel-Meroitische Periode von 300 bis 22 v. Chr.
Das ist die Zeit des Königs Ergamenes (Diodor III, 6, 3)
und des Neteg-amen. Aus dieser Zeit stammen königliche
Paläste, die sog. Bäder, eine mit Fresko ausgemalte Au-
dienzkammer und ähnliches. Auch in dieser Periode ist
eine zweite Hälfte zu kennzeichnen, in die die Serie der
Königinnen, die alle den Namen Candace führen, fällt.
Damals wurden die Bäder und der Tempel der Isis sowie
auch der Palast umgebaut. Starker hellenistischer Einfluß
herrschte überall; in der Bildhauerkunst sucht man den
klassischen Stil nachzuahmen. Dabei entwickelt sich aber
die meroitische Töpferei, Fayence und Glas selbständig.

3. Römische Okkupation und ein mögliches Inter-
regnum beginnt mit dem Jahre 22 v. Chr. Aus dieser Zeit
stammen der Bronzekopf und ein Torso des Augustus,
römische Bäder, der kleine Tempel und die Wiederher-
stellung der königlichen Bäder.

4. Die letzte Periode, die spät-meroitische, beginnt
mit dem Jahre 10 v. Chr. und dauert bis 700 n. Chr. Man
muß in ihr römischen Einfluß annehmen, aber die Charakte-
ristika dieser Periode sind noch nicht klar zu erkennen. Um
340 n. Chr. fällt der Einfall der Axumiten. Um 700 n. Chr.
ging Meroe endgültig unter.

Die Resultate der letzten Ausgrabungen sind zum
größten Teil nicht wieder zugedeckt worden, und so ist
diese alte Kulturstätte Nubiens auch zu einer Sehenswürdig-
keit für Nilreisende geworden. Manche Funde von Be-

deutung sind in das Museum von Khartum verbracht
worden, wo, kaum eine Generation nach der Periode des
Mahdi, jetzt europäische Wissenschaften eine Stätte haben.

Ein Aufsatz im dem letzten »Bulletin of the Metropo-
litan Museum« in New York, das in größerer Anzahl nu-
bische Gegenstände erworben hat, gibt die Resultate aller
in den letzten 10 Jahren in Nubien angestellten Ausgra-
bungen und wissenschaftlichen Untersuchungen in an-
regender Weise kurz zusammengefaßt wieder. Nach einer
Schilderung der Expedition von Weigall im Auftrage der
ägyptischen Regierung, der Expeditionen der Chicagoer
Universität und der Berliner Akademie zu epigraphischen
Zwecken, des ägyptischen Survey Departments zur topo-
graphischen Aufnahme der Denkmäler und der Ausgrabungs-
Expeditionen der drei Universitäten von Philadelphia, Liver-
pool und Oxford, endlich auch der Wiener Akademie zur
phonographischen Aufnahme nubischer Dialekte und zu
folkloristischen Zwecken beschäftigt sich der Aufsatz des
New Yorker Bulletins mit den Problemen, welche das alte
Nubien dem modernen Forscher bietet.

Schon früh erkannte man in den Begräbnisstätten un-
mittelbar südlich von dem ersten Katarakt mehrere, durch
die Art der Beisetzung und die Natur der Grabbeigaben aber
auch durch die Verschiedenheit der physischen Beschaffen-
heit der Leichen wohl zu unterscheidende Gruppen. Diese
Gräber schlössen alle ebensowohl neues unbekanntes
Material ein, wie auch durch die ägyptischen Ausgrabungen
bekanntes. Nur die früheste Gruppe war durch und durch
ägyptischen Charakters und glich vollständig den prädynasti-
schen Überbleibseln nördlich von dem ersten Katarakt. Eine
zweite Gruppe konnte mit dem alten Reich, eine dritte mit dem
mittleren, eine vierte mit dem neuen Reich und eine letzte mit
dem spätmeroitischen Königreich verglichen werden. Die Pe-
riode zwischen dem Fall des neuen Reiches und dem Auf-
kommen der Ptolemäer ergab keine Funde. Während Nubien
bis zu dem Ende der prähistorischen Periode mit der gleich-
zeitigen ägyptischen Zivilisation gänzlich Schritt hielt, blieb
es von der frühdynastischen Zeit an zurück. In Ägypten
längst ausgestorbene Industrien blühten in Nubien weiter
und weiterentwickelte Künste und handwerkliche Tätigkeit
Ägyptens fanden in Nubien keine Nachahmung, das auf
seiner konservativen Basis verharrte.

Um 2800 v. Chr. war Nubien noch von der gleichen
Rasse bewohnt, welche Ägypten bewohnte, es war ein
Volk von kleiner Statur, leichtem Bau mit langen kleinen
Schädeln. Sie hatten schwarzes Haar, das niemals als »wollig«
anzusehen ist. Das sind Charakteristika, welche diese alten
Bewohner Nubiens und Ägyptens mit vielen verwandten
Völkern teilen, die gegen das Ende der Neolithischen Pe-
riode am Mittelmeer, in Westeuropa und an den südlichen
Küsten Asiens bis nach Indien wohnten. Neuerdings wird
diese große Völkermasse mit der Kollektivbezeichnung
»braune Rasse« benannt, und es wird von Elliot Smith an-
genommen, daß Nordafrika der Ausgangspunkt war, von
wo aus sich diese Rasse so weit hin verbreitete.

Nach 2800 v. Chr. beginnen sich aber Verschieden-
heiten in der Bevölkerung Ägyptens und der des nördlichen
Nubiens zu zeigen. Die ägyptische Bevölkerung mischte
sich mit breitschädligen weißen Fremden, die aus dem
Norden einwanderten, während die Nubier durch ein vom
Süden kommendes negroides Element modifiziert wurden.
Dieses negroide Element kam stoßweise. Zunächst zeigten
sich in der Bevölkerung Charakteristika kleiner, mit den
Pygmäen-Völkern Innerafrikas verwandter Neger. In den
Zeiten des mittleren Reiches hatte sich dann eine gleich-
mäßige nubische Rasse entwickelt, die — trotz der negroi-
den Beimischung — doch den Ägyptern stark glich, aber
nicht den gleichzeitigen Ägyptern, sondern jenen der prä-
 
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