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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 25.1914

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Hausenstein, Wilhelm: Die Umgestaltung der neuen Pinakothek
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https://doi.org/10.11588/diglit.6191#0084

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Die Umgestaltung der Neuen Pinakothek

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soll. Zu den Kostbarkeiten dieses Saals, der an Kost-
barem nicht mehr allzureich ist, gehört auch ein
braunes Bibliothekinterieur von Hagn. Man wünscht
diesem feinen Maler den Ruhm, den er verdient.

Im letzten Südkabinett sind Lenbach, Defregger,
Max, Stuck und einige andere Münchener Spezialitäten
vereinigt, die nun einmal historisch vorhanden und
vielen Leuten sehr teuer sind. Immerhin findet man
in diesem Kabinett auch Malerei: der Ritter mit dem
Pferd von Ludwig Herterich ist eine ernste Sache.
Eine Rokokoszene von Hagn verblüfft durch einen
meisterlichen Dixhuitiemeton.

Von dem letzten Südkabinett betritt man nun den
letzten der großen Säle — wenn man von der un-
veränderten Rottmannkolonnade absieht, die die ganze
Breite der Rückseite der Pinakothek westlich abschließt.
Aus dem letzten Mittelsaal sind als wirklich wesent-
liche Dinge nur der bekannte Segantini (die Pflüger),
ein schöner Püttner (bayrische Unteroffiziere) und
die Somalifrau von Weisgerber, das beste Stück des
Saals, zu nennen. Im übrigen sind hier noch Stuck
(der Krieg), Münzer, Putz und Jank versammelt.

In dem vorletzten Mittelsaal ist die Hängung wohl
am wenigsten befriedigend: die biedermeierlichen
Griechenbilder von Peter Heß — in ihrer glatten
Korrektheit übrigens höchst reizvolle Dinge — sind mit
großen Kompositionen von Uhde (der Himmelfahrt),
Keller (der Erweckung der Tochter des Jairus), Fritz
Kaulbach, Piglhein, Makart zusammengebracht. Als
die schönsten Dinge heben sich hier der malerisch
groß gefühlte Adonis von Lindenschmit und eine große
Isarlandschaft von Schleich heraus. In diesen letzten
Sälen hat wohl die Raumschwierigkeit zusammen mit
dem Drängen der Zeit bessere Projekte zuschanden
gemacht. Aber diese Säle sind nur Provisorium —
wie übrigens die ganze Organisationsleistung sich nur
als Provisorium gibt, da Neubauten, zum wenigsten
Umbauten in Aussicht stehen, die neue Veränderungen
in der Hängung nötig und möglich machen werden.

Wenn man nun von Westen her die Reihe der
kleinen Nordkabinette durchwandert, so findet man
in den am weitesten rückwärts (westlich) gelegenen
Räumen die schwächsten Dinge aufgehängt. Aber von
den Dackel- und Maßkrugmalern, von denen immerhin
die besten zu Wort kommen, gelangt man doch ziemlich
rasch zu Bildern von Putz, die jedenfalls malerische
Probleme stellen und Arbeiten eines nicht gewöhn-
lichen Könners sind, so äußerlich, so steril und so
widerwärtig sie auch auf die Dauer sein mögen. Nach
Osten hin folgen einander nun folgende Kabinette:
eins mit Bildern von Hagn, Mathias Schmid und
August Seidel, eins mit sieben Farbenskizzen von
Busch, zwei Arbeiten von Otto Seitz und einer male-
risch sehr bemerkenswerten Landschaft aus Lenbachs
Frühzeit — von 1856, also ungefähr aus der Zeit des
Knaben in der Schackgalerie —, ein Kabinett mit
drei Arbeiten von Kuehl, einem Kalckreuth, einem
Schönleber und einer trefflichen Seelandschaft von
Ulrich Hübner, ein Kabinett mit den vor nicht langer
Zeit von Frau Krigar-Menzel der Pinakothek geschenk-
ten fünfzehn Bildern von Menzel, ein Raum mit vier

Landschaften von Constable und einer von Courbet,
ein österreichisches Kabinett mit einem Porträt von
Rayski, zwei entzückenden Bildern Waldmüllers (einem
Frauenbildnis und einer Landschaft), einem Schindler
und einem Pettenkofen — in diesem Raum sind übri-
gens auch die Achenbachs untergebracht —, ein Kabi-
nett mit neun Spitzwegbildern, fünf Landschaften von
Eduard Schleich, dem Constable der Münchener Land-
schaftsmalerei, drei Landschaften von Heinrich Bürkel
und zweien von Max Zimmermann, ein Rottmann-
kabinett, eins mit den Bildern Schwinds, Overbecks,
Neureuthers, Schnorrs und Catels — das ganze Kabi-
nett ein intimes Profil der Zeit Ludwigs I.—, dann
ein Kabinett mit entzückenden Münchener Veduten von
Domenico Quaglio und Neher, späten Produkten der
Kultur des Canaletto, hierauf ein Kabinett mit fünf
Bildnissen des ausgezeichneten Edlinger, die zum Teil
aus der alten Pinakothek herübergeholt worden sind,
und einigen feinen kleinen Werken der bayerischen
Tier- und Landschaftsmalerei des ausgehenden 18. Jahr-
hunderts, zum Beispiel Arbeiten von Wagenbauer,
Kuntz, Klein, Johann Christian Reinhart, Dillis, und
zuletzt ein klassizistisches Kabinett mit einem Clou der
ganzen Galerie, dem wundervoll süßen Bildnis der
Schauspielerin Hippolyte Mars von Gerard, dann
einigen heroischen Landschaften von Koch, einem
wundervoll reinen Mädchenbildnis Overbecks und dem
Goethe von Stieler.

Das etwa ist die obere Galerie. Es ist nun na-
türlich nicht schwer, Ausstellungen zu machen. Mir
persönlich mißfällt zum Beispiel die Kombination
Uhdes mit Habermann, und ich hätte Uhde einen
gemeinsamen Raum mit Liebermann gegönnt. Den
Schuchs mißgönne ich die Nachbarschaft Courbets,
Leibis, Trübners, sofern sie nicht etwa dazu beiträgt,
die allzu hochgetriebene Wertschätzung Schuchs in den
Beschauern zu korrigieren. Er ist wirklich nicht der
Klassiker, den wir in Courbet, in Leibi, in Trübner
verehren; er ist es nicht entfernt. In dem Pilotysaal
wird man die Einkeilung schöner klassizistischer Dinge
von Overbeck, Heinrich Heß — von ihm ist dort die
wunderbare Marchesa Florenzi, eines der schönsten
Bildnisse des Spätklassizismus —, weiter der schönen
Linien von Schraudolph, Stieler, Navez, Schadow
bedauern. Aber wir wollen nicht illoyal sein, sondern
daran denken, daß diese Revolution in wenigen Wochen
unter starken Raumschwierigkeiten vollbracht wurde,
die noch gesteigert waren, wenn man annehmen muß,
daß die Gestalter dieser neuen Galerie keineswegs
einfach ihrer Geschmacksinitiative ungehemmt folgen
konnten, sondern in sehr vielen Fällen an die über-
lieferten Zustände gebunden waren. Man mußte wohl
nicht wenige Bilder schonen, die besser entfernt worden
wären. Aber wenn auch nicht alles fortkam, was der
Versenkung ins Depot wert war, so ist die Anzahl der
ausgesiebten Gemälde immer noch sehr groß. Das
ist für den Anfang aller Ehren wert. Es ist nur eins
zu wünschen: daß der Initiative des Reformers, des
Professors Braune, und des ausgezeichneten Kenners,
der ihn in vielen Fällen mit Rat und Tat unterstützt
hat, des Professors Toni Stadler, der weiteste Spiel-
 
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