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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 25.1914

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Hausenstein, Wilhelm: Die Umgestaltung der neuen Pinakothek
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.6191#0085

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Nekrologe — Personalien — Denkmäler

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räum gegeben werde. Hier kann nur eine intelligente
Diktatur die Dinge zu einem restlos erfreulichen Ende
führen. Tschudi hat gezeigt, was unter diesem zu-
nächst etwas erschreckenden Begriff zu verstehen ist.
Daß in seinem Nachfolger seine Tradition lebendig
ist, wird durch diese erste Neuorganisation der Neuen
Pinakothek erwiesen. Es ist noch sehr viel zu tun.
Der große Rottmannsaal — die Kolonnade im
Westen — harrt einer glücklicheren Ausnützung;
dort ist vielleicht der Platz zur Schaffung eines
klassizistischen Hauptsaals, zu dem das Material ja
vorhanden ist. Über diese Sonderfrage hinaus führt
das Verwaltungsproblem »Neue Pinakothek« zu Fragen
des Umbaus des Voitschen Galeriegebäudes und damit
zu den Fragen der Münchener Kunstpolitik überhaupt,
von denen demnächst ausführlich an dieser Stelle die
Rede sein soll. Heute ist noch etwas anderes an-
zuzeigen: die Hängung der Tschudi-Spende.

In den bereits bezeichneten Parterreräumen sind
isoliert — wunderlichen Käuzen ein Schreck, anderen
mit dem Marees-Saal und dem Leibi-Courbet-Saal
das Herrlichste der ganzen Galerie — die Fran-
zosen untergebracht. In dem mittleren der drei Ka-
binette dominiert Cezanne, in dem östlichen Manet,
in dem westlichen dominieren Gauguin und van
Gogh. Es hängen nun drei Cezannes (ein Selbst-
bildnis, der berühmte Geländedurchstich und ein
Äpfelstilleben, das vielleicht das gewaltigste Werk der
ganzen Neuen Pinakothek ist), ein Manet, drei Gau-
guins (darunter die »Geburt«), zwei van Goghs
(Pappeln und Sonnenblumen), drei Renoirs, zwei
Monets (darunter einer der geistreichsten Monets, die
es gibt, eine Brücke), zwei Lautrecs, drei kleinere
Sachen von Maurice Denis, die leider ziemlich schwach
sind, zwei Vuillards, feine impressionistische Klein-
meisteraquarelle, ein guter Bonnard, ein lieblicher
Guerin, ein Croß und ein Luce als Dokumente des
Neoimpressionismus, zwei Pissarros, von denen der
eine, ältere, zu seinen besten Sachen gehört, von
älteren Meistern ein Raffet (der jedoch nicht aus
der Tschudi-Spende stammt, sondern früher oben
hing), ein Gericault von kolossalem Geist, ein guter
George Michel aus der frühen Periode, der das
Kommen der Malerei von Barbizon anzeigt, endlich
zwei Daumiers (ein Don Quichote und ein Theater-
bild). Fremdartig — und, weiß Gott, nicht gerade
triumphierend — sind inmitten der Gauguins und
van Goghs vier Bilder von Hodler aufgehängt: eine
große Skizze zu einem der Freiwilligen auf dem Jenaer
Bild, zwei Landschaften, eine frühe und eine neue,
und ein Selbstbildnis aus dem Jahre 1878. Die Land-
schaft aus der Frühzeit ist trotz des Lobes, das ihr
ein Münchener Kritiker spendet, als Malerei, überhaupt
als künstlerische Anschauung dünn bis zum Kläglichen.
Das Selbstbildnis ist solange in seiner Altmeisterlichkeit
interessant, als man nicht an einen gleichzeitigen
Trübner denkt. Die neue Landschaft ist nicht ohne
Reiz. Der Soldat ist eine sehr eindrucksvolle Vestibül-
dekoration, aber angesichts der Sonnenblumen von
van Gogh zieht es mancher vor, ihn nicht zu lange
zu betrachten.

Die Einreihung dieser Hodlerbilder, die an anderer
Stelle sicher besser zur Geltung kämen, war für mich
das einzige stark Verstimmende in der ganzen Re-
organisationsarbeit. Über Piloty und Kaulbach regt
man sich nicht auf. Aber wo, wie von Hodler, Dinge
angestrebt werden, die wirklich unser Gefühl für
Großes befriedigen können, wird das Nichtige, das
Mißlungene oder Halbgelunge um so schwerer emp-
funden, je glänzender die Umgebung ist.

Aber genug. Dieser Einwand hebt das Werk
nicht auf, das hier geleistet wurde. Was man auch
im einzelnen zu sagen haben mag: im ganzen ist
diese Reorganisation eines der größten Ereignisse in
der Geschichte der neueren Galerieverwaltung, und die
Arbeit, die an der Neuen Pinakothek geleistet wurde,
darf sich — soweit bei der Verschiedenheit der Auf-
gaben überhaupt ein Vergleich möglich ist — mit
der Reorganisation der Alten Pinakothek durch Tschudi
messen. WILHELM HAUSENSTEIN.

NEKROLOGE

London. John Belcher, Mitglied der hiesigen Kgl.
Akademie, und ein durch vielfache Ehrungen, z. B. die
große goldene Medaille, ausgezeichneter Künstler, jeden-
falls einer der hervorragendsten Architekten des Landes,
verstarb hier am 9. November d. J. Er begann seine Lauf-
bahn, als die Wiederbelebung der Qotik bereits im Rück-
gange begriffen war. Zu den Architekten, die ihn anfangs be-
einflußten, gehörten Scott, Street undBurges. Sein Name wird
sich am längsten in Verbindung mit dem South-Kensington-
Museum erhalten, dessen Ausbau und Vollendung er ge-
leitet hatte. Er vertrat auf das eifrigste die Ansicht, daß
der Architekt mit dem Bildhauer Hand in Hand gehen
und einheitlich zusammen arbeiten müsse. Aus diesem
Grunde zog er zu seinen Plänen den Bildhauer Thornicroft
heran. Belcher zeichnete leicht und war ein in der Fach-
literatur sehr bewanderter Kritiker. Der Verstorbene hatte
mit Macartney gemeinschaftlich einen Folioband, betitelt
»Englische Renaissance« veröffentlicht. o. v. Schleinitz.

PERSONALIEN

Bern. Der ordentliche Professor der neueren Kunst-
geschichte an der Universität Bern, Dr. Artur Weese,
erhielt von der Cornell University in Ithaca (New York)
den ehrenvollen Ruf, während eines Semesters 1915 eine
fünfstündige Vorlesung über deutsche Kunstgeschichte
zu halten. Er wird dem Rufe Folge leisten und damit den
Professoren H. Pfleiderer und Erich Mareks in München
nach Amerika folgen.

Wien. Der Architekt Leopold Bauer wurde zum
Professor der Architektur an der Akademie der bildenden
Künste ernannt. Durch diese Ernennung wird die durch
zwei Semester verwaiste Lehrkanzel, die vordem Otto
Wagner inne hatte, wiederum besetzt. K. M. s.

DENKMÄLER

Riga. Hier wurde vor wenigen Tagen ein Bronze-
denkmal des Feldmarschalls Fürsten Michael Barclay de
Tolly enthüllt, eines geborenen Rigaers. Es ist nach
dem Entwürfe des Bildhauers Professor Wilhelm Wand-
schneider in Charlottenburg ausgeführt, der bei der im
vorigen Jahre ausgeschriebenen Konkurrenz sämtliche dre
Preise erhielt.
 
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