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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 25.1914

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Hausenstein, Wilhelm: Die Zukunft der Münchener Sammlungen
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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXV. Jahrgang 1913/1914 Nr. 11. 5. Dezember 1913

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann, Leipzig, Hospitalstr. 11 a.
Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.

DIE ZUKUNFT
DER MÜNCHENER SAMMLUNGEN

In dem bayrischen Kultusetat, der dem Landtag
zugegangen ist, wird zum Behuf des Neubaus einer
Galerie für die staatliche Sammlung von Gemälden
neuerer Meister ein außerordentliches Budget von
2500000 Mark verlangt. Zum Zweck der Erwerbung
eines Bauplatzes für den Neubau eines ethnographi-
schen Museums ist ein außerordentlicher Kredit von
300000 Mark gefordert. Die beiden Etatpositionen
werden Anlaß zu einer Erörterung der galeriepolitischen
Fragen überhaupt geben, die in München fällig sind.
Wenigstens sollten sie zu einer Erörterung Anlaß
geben. Man weiß nicht, wie der Landtag beschließen
wird. Aber in jedem Fall ist es gut, wenn in dieser
Zeit Stimmen aus dem interessierten Publikum laut
werden; es ist notwendig, daß die Wichtigkeit dieser
Dinge für München, Deutschland, ja für die Inter-
nationale der Kunstfreunde zeitig empfunden wird.

Kürzlich wurde an dieser Stelle über die Neu-
organisation der Neuen Pinakothek berichtet. Die
Frage steht nun so: bedarf diese innerlich verwandelte
Galerie eines neuen Hauses? Über diese Frage sind
verschiedene Meinungen laut geworden. In einigen
Kreisen plädierte man vor einiger Zeit dafür, die Be-
stände der Neuen Pinakothek zu teilen. Bekanntlich
sind die Sammlungen der Neuen Pinakothek wie
die der Glyptothek teils Hofgut, teils Staatsgut. Das
Hofgut der Neuen Pinakothek reicht ungefähr
bis zum Jahre 1870. Von diesem Zeitpunkt ab ge-
schahen die Ankäufe — soweit sie überhaupt ge-
schahen — auf Staatskosten. Die auf Staatskosten
angekauften Bilder genießen sozusagen die Gastfreund-
schaft des dem Hof gehörenden Voitschen Pinakothek-
gebäudes. In einer Zeit der Verwahrlosung der Neuen
Pinakothek war man nun überzeugt, in dem gegebenen
Pinakothekgebäude sei eine Zukunft der Sammlung
nicht möglich. Es kristallisierte sich ein Komplex
von Antipathien um die ganze Erscheinung dieser
Galerie. Man unterschied nicht mehr Haus und Samm-
lung, Raum und Verwaltung. »Die« Neue Pinakothek
war der Gegenstand eines zwar nicht ganz genau
definierten, aber höchst lebendigen und zudem selbst
in solcher Allgemeinheit berechtigten Widerwillens.
Das Gebäude, das Voit gegen die Mitte des 19. Jahr-
hunderts errichtet hat, erschien und erscheint mit Grund
als eine der unglücklichen Leistungen der Ludwigi-
schen Bauperiode, die München sonst so viel Schönes
gegeben hat. Der Inhalt erschien bis in diese Tage
mit Recht als eine würdelose Häufung meist mittel-
mäßiger oder wertloser Bilder. Nun mischte man
eines mit dem andern, fügte noch eine instinktive
Abneigung gegen die Verquickung von Hofgut und

Staatsgut hinzu, polemisierte gegen die Doppelstellung
des Direktors, der zugleich mit Kunstangelegenheiten
des Hofes und des Staates beschäftigt sein muß, und
vergaß über allem doch eine klare Sonderung der
Tatsachen. Man vergaß, daß der höfische Charakter
der Neuen Pinakothek historisch ist. Er gehört in
der Tat der Vergangenheit an. Das Mäzenatentum
der Wittelsbacher hat sich von der Neuen Pinakothek
zurückgezogen. Im Hofetat des neuen Königs von
Bayern sind — von den Zuschüssen zu den Hoftheatern
abgesehen — »für Kunst und Wissenschaft« 15000 Mark
eingesetzt. Wenn sich nur dies Eine erreichen läßt,
daß die im Hofgut enthaltenen, ohne Zweifel recht
zahlreichen Stücke minderen und mindesten Wertes
beseitigt werden, dann ist für absehbare Zeit gegen
die Verbindung von Hof- und Staatsgut in einem und
demselben Gebäude gar nichts einzuwenden. Im Gegen-
teil. Würde man Hofgut und Staatsgut trennen und
das Staatsgut etwa in einer besonderen, rein staat-
lichen Galerie — sozusagen in einer zweiten Neuen
Pinakothek — unterbringen, so würde die neue Galerie
eine sehr erhebliche Anzahl bedeutender Werke des

19. Jahrhunderts entbehren. Die neue Galerie wäre
eine Galerie der Malerei von 1870 an und zum Teil
was für einer Malerei! Sie müßte die größten Auf-
wendungen machen, um sich nicht für diese Periode,
sondern auch darüber hinaus, nach rückwärts zu ver-
vollständigen. Wir wollen uns klar machen, was eine
Trennung bedeuten würde: die zweite Neue Pinakothek
würde der ersten — der Neuen Pinakothek des Hofes
— zum Beispiel Rottmann, die Klassizisten, Schleich,
Schwind, Feuerbachs Medea, Böcklins Pan überlassen
müssen. Sie würde ohne diese Dinge aber schwer-
lich ein kontinuierliches Bild der neueren Malerei
bieten können. Andererseits wären die guten Stücke
des Hofgutes nicht zahlreich genug, um den Voitschen
Bau zu füllen. Zöge man aus der Neuen Pinakothek
das Staatsgut heraus, so wäre der bleibende Torso
womöglich noch dürftiger als eine reine Staatsgalerie,
die des Hofguts beraubt wäre. Im Interesse der Ein-
heit des kunstentwicklungsgeschichtlichen Bildes, das
wir von einer Sammlung der Malerei des 19. und

20. Jahrhunderts erwarten, läge im äußersten Fall nur
noch eine Möglichkeit: die Übernahme des guten Hof-
besitzes an den Staat durch einen ungewöhnlich gün-
stigen Kauf. Aber unmöglich ist es, beim Jahre 1870
einen Einschnitt zu machen; das Jahr 1870 bedeutet
für die Kunstentwicklung auch nicht im mindesten
eine organische Etappe. Eine Galerie von Werken
der neueren Malerei muß über das Jahr 1870 aus
sachlichen Gründen zurückgreifen. Hof und Staat
und Publikum haben ein gemeinsames Interesse daran,
die Vereinigung der Bilderbestände bestehen zu lassen.
 
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