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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 25.1914

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Die Anbetung der Könige des Hugo van der Goes im Berliner Kaiser-Friedrich-Museum
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Henkel, Max Ditmar: Rembrandtausstellung in Amsterdam
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https://doi.org/10.11588/diglit.6191#0127

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Rembrandt-Ausstellung in Amsterdam

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die Zeit um das Jahr 1500 fallen muß. Früher ist
die Zeichnung ihrer Behandlung nach nicht denkbar.
1502 bereits ist eines der auffallendsten Motive, die
Haltung des zweiten Königs, in der Anbetung des
Kaisheimer Altares verwendet. Die Tätigkeit Holbeins
in Frankfurt im Jahre 1501 bestätigt die Annahme
einer Reise den Rhein hinab um diese Zeit.

Daß Holbein die Tafel selbst, die heute im Ber-
liner Museum steht, gesehen hat, kann kaum einem
Zweifel unterliegen. Der zweite König ist in seinem
komplizierten Bewegungsmotiv ganz wörtlich über-
nommen. Nur der Page fehlt und damit das eigent-
liche Motiv für die Art, wie das Gefäß gehalten
wird. Auch Joseph ist in der Form des Kniens und
der Haltung der Hände in Bild und Zeichnung iden-
tisch. Ebenso die Architektur und das charakteristische
Detail der kleinen Bodenerhöhung, auf der das Gefäß
des ältesten Königs steht, und an der sein Hut lehnt.
Endlich sind die Reiter, die sich links im Hinter-
grunde bewegen, von Holbein sämtlich aus seinem
Vorbilde entlehnt worden. Solche Erfindungen lagen
ihm am fernsten, und darum blieb er hier am sklavisch-
sten treu. Leichter war die Umbildung der rechten
Seite. Hier wimmelt es denn auch von echt Holbein-
schen Motiven. An jeder Figur vermag man den
Meister der Paulusbasilika zu erkennen. Und daß hier
Holbeins geistiges Eigentum so deutlich wird, ist
andererseits wiederum ein Beweis dafür, daß nicht
eine schon veränderte Wiederholung, sondern das
Werk des van der Goes selbst als Vorbild diente.
Auch die Gruppe der Madonna und des knienden
Königs ist Holbeinsche Erfindung. Das streng auf-
gerichtete Knien weicht dem Motiv des Fußkusses.
Das Kind, das bei van der Goes so weltverloren aus
dem Bilde herausblickt, sieht wieder den Greis an.
Die Blüten hinter der Maria, die der anderen der
Basler Zeichnung mit den zwei Engeln so verwandt
ist, haben sich in Ochs und Esel verwandelt.

Für die Erkenntnis von Holbeins Schaffen ist die
Konfrontierung der Zeichnung mit dem Bilde äußerst
wertvoll. Aber auch für die ehemalige Gestalt des
Werkes des Hugo van der Goes ist es nicht ohne
Bedeutung. Hier sieht man die Fortsetzung der
Architektur nach oben, hier auch die Engelgruppen,
die der Tafel heute fehlen, und die enge Überein-
stimmung gerade dieser Partien mit der treuesten der
Kopien, die Herr Direktor Friedländer nachweisen
kann, einer Tafel in Wien, bestätigt, daß in dieser
Form das Fehlende zu ergänzen ist.

Holbeins Komposition ist lockerer, seine Zeich-
nung flüssiger. Das Gemälde des van der Goes hat
etwas Stockendes, Enges neben der späteren Umsetzung.
Aber es hat auch den hohen Reiz des altertümlichen
Ernstes, die Strenge der Gesinnung, die Qualität des
Handwerkes, die den Späteren verloren ging. Hugo
van der Goes ist der letzte in der großen Generation
der alten Meister. Und das Berliner Museum darf
sich glücklich preisen, eines seiner kostbarsten Werke
von nun an sein eigen zu nennen. GLASER.

REMBRANDTAUSSTELLUNG IN AMSTERDAM
Die Rückkehr von Rembrandts Lukretia aus Ame-
rika hat die Firma Fred. Muller & Co. in Amsterdam,
der das Verdienst zukommt, dieses schöne Werk für
einen holländischen Liebhaber, den Herrn August
Jansen, wiedererobert zu haben, veranlaßt, um dieses
Gemälde eine kleine, aber erlesene Ausstellung anderer
Rembrandlscher Bilder und Zeichnungen zu veran-
stalten. Die Lukretia gehörte zuletzt der Sammlung
des Herrn C. D. Borden in New York an, die im
Februar des vergangenen Jahres versteigert wurde;
auf der Auktion wurde sie von Knoedler für den
kapitalen Preis von 130000 Dollars erworben. Aber
in Amerika wollte sich kein Käufer für das Bild
finden, vielleicht wegen der Darstellung, die den
Amerikanern nicht sympathisch war. So gelangte das
Werk nach London, wo es von Fred. Muller & Co.
gekauft wurde. — Das Gemälde stammt aus Rem-
brandts letzten Lebensjahren; es ist deutlich bezeichnet
und 1664 datiert. Wie schon Bode hervorgehoben
hat, ist es nicht die Darstellung von seelischem Leben,
nicht das Menschliche, sondern die meisterhafte male-
rische Behandlung, die herrliche Farbengebung, was
dem Werke seinen Wert verleiht. Daß die Darge-
stellte den Dolch auf sich zückt, sieht man wohl,
aber man glaubt nicht, daß es ihr mit dem Zustoßen
Ernst ist. Das Gesicht drückt nicht die Gemüts-
stimmung aus, die die Voraussetzung und Begleitung
einer solchen Handlung ist. Die Frau mit den schmalen
bleichen Zügen und der sanften, elegischen Miene
spielt die Lukretia, aber sie ist keine Lukretia. Dazu
fehlen ihr das leidenschaftliche Temperament und die
nötige Entschlossenheit und Energie. Was dem Bilde
aber an Innerlichkeit abgeht, das wird reichlich auf-
gewogen durch die vollendete Wiedergabe der äußeren
Wirklichkeit; hier zeigt sich der Meister auf der Höhe
seines Könnens. Wie fein hebt sich die Figur von
dem dunkeln, bräunlichen Hintergrund ab, in dem
rechts ein zurückgeschlagener Vorhang unbestimmt
erkennbar ist; wie funkeln die runden Perlen des
Halsbandes, wie glänzt die große Perle auf dem Busen;
wie plastisch ragt die verkürzte linke Hand aus dem
Bilde heraus, und von welchem Reichtum gedämpfter
goldner und brauner Töne schillert die Gewandung.
Man kann Holland zur Heimkehr dieser verlassenen
Tochter füglich Glück wünschen.1) — Die übrigen aus-
gestellten Gemälde Rembrandts hatte man der großen
Liebenswürdigkeit einiger nichtholländischer Sammler
zu danken. An erster Stelle muß da der Name des
Herrn Kappel in Berlin genannt werden, der sein Selbst-
bildnis Rembrandts gütigst überlassen hatte; das Werk
stammt ebenfalls aus Rembrandts letzter Periode, und
zwar aus Rembrandts Sterbejahr; es ist 1669 datiert; es
beschließt als letztes die lange Reihe der Selbstbildnisse
des Meisters und ist als solches von erhöhtem Interesse.
Rembrandt ist hier wirklich ein alter Mann, das reiche
Lockenhaar, das noch auf dem Wiener Selbstbildnis

1) In dem »Nieuwe Amsterdamsche Courant« vom
1. Januar hat N.Beets nachgewiesen, daß Rembrandt die
Lukretiafigur einemStiche von Marcantonio Raimundi(B. 192)
entlehnt hat.
 
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