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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 25.1914

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Maas, Max: Archäologische Nachlese, [3]
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Archäologische Nachlese

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Flußwellen fällt jedes Jahr ein mehr oder minder be-
deutender Teil des Ufers, auf dem die alte Stadt liegt,
ins Wasser hinab. Von Einzelfunden aus den Aus-
grabungen der Stadt sind ein schöner frühhellenisti-
scher Frauenkopf von einer Statuette und ein anderer
von einem Relief herrührender alexandrinischer Frauen-
kopf zu bemerken.

In Bessarabien, nahe bei Borodino, haben Bauern
eine Reihe sehr merkwürdiger Gegenstände beim Stein-
brechen gefunden, die aus dem zweiten Jahrtausend
v. Chr. stammen und wahrscheinlich der Bronze-
kultur Ungarns angehören. Es sind neun verschiedene
Gegenstände, Axthämmer, silberne Gewandnadeln,
silberne Prunklanzenspitzen, Keulenläufe, silberner
Dolch. Starker mykenischer Einfluß ist in diesen
Gegenständen zu erkennen.

Im Melitopolischen Bezirke des taurischen
Gouvernements, nahe dem Dorfe Bolschaja Snamenka
wurde von Prof. N. J. Wesselowsky ein 18m kegel-
förmiger Grabhügel untersucht, in dem sich in der
Tiefe von 5,66 m eine in der Erde hergestellte Grab-
kammer aus zwei Kammern befand. Das Grab war
in seiner nördlichen Kammer ausgeraubt und es fanden
sich nur noch wenige Grabbeigaben. In der süd-
lichen Kammer standen folgende Gegenstände nahe
der nördlichen Wand und füllten die ganze Kammer:
ein skythischer Bronzekessel, drei mit Gips verkittete
Amphoren, ein wahrscheinlich als Gerät des Toten-
kults dienender Bronzewagen mit zwei Griffen, ein
taburett- oder kastenförmiger Holzgegensfand, eine
vergoldete Silberschale megarischer Form. Die Be-
gräbnisprozession muß sich dem Grabe von der west-
lichen Seite genähert haben. In dem von Westen
laufenden Eingang war ein Grab für zwei Pferde ein-
gerichtet, die in die für sie eingerichteten langen Räume
hineingequetscht waren und mit den Köpfen dem
Menschengrabe zugekehrt lagen. Die im Pferdegrabe
gefundenen Verzierungen aus goldenen und bronzenen
Gegenständen von ganz gleicher Art für beide Pferde
sind interessant. Das Holz ist teilweise noch unter
der Goldbekleidung erhalten gewesen. Dieser Fund
stellt die antike Technik der Herstellung der gestanzten
Goldsachen anschaulich dar: die Goldsachen wurden
immer nach den Holzstanzen hergestellt, die im Innern
des mit Gold bekleideten Gegenstandes also für immer
bleiben mußten. Es sind vielfach Fische herausge-
stanzt; der goldene Fisch von Vettersfelde im Berliner
Antiquarium war wahrscheinlich auch eine Verzierung
eines Pferdes und muß auch in ein Pferdegrab gelegt
worden sein. —

Zwei skythische Grabhügel im Tscherkassschen
Bezirke desKiewschen Gouvernements waren schon
im Altertum ausgeraubt worden, so daß nur von
Räubern nicht gemerkte oder verlorene Gegenstände
gefunden wurden. Die Gräber waren hohe Kammern,
die mit Holz bekleidet waren, auch das Dach war
aus großen Eichenbäumen hergestellt und ruhte auf
dicken Holzpfeilern. — Die Kaiserliche Archäologische
Kommission erwarb die wichtigen Funde aus im
Jahre 1 g 1 o und 1911 zu Vo r o n e s c h gemachten Funden
aus den »32 Grabhügeln« (Tschastyje Kurgani = dichte

Grabhügel). Aus diesen skythischenGrabhügeln stammt:
Goldbekleidungeines Sattelbogens, Goldblechschildchen
mit gestanzten Darstellungen, Goldperlen, verschiedene
Bronzegegenstände usw. Die schönsten Funde sind
eine prachtvolle Silbervase mit Vergoldung und Or-
namenten und Figuren (drei Paare von Barbaren), ein
Eisenschwert, 200 gestanzte Goldblechschildchen und
ähnliches.

Von dem berühmten Fund in der Nähe des Dorfes
Malaja Pereschtschepina im Poltawschen Gouverne-
ment, der aus byzantinischen, sassanidischen und
barbarischen Gegenständen besteht, ist an dieser Stelle
schon mehrfach die Rede gewesen. Bis jetzt sind
eine vorläufige Mitteilung und eine Broschüre darüber
erschienen, eine große offizielle Publikation mit Ab-
bildungen aller Gegenstände wird demnächst von der
Kaiserlichen Archäologischen Kommission veröffent-
licht werden. Pharmakowsky gibt einstweilen eine
Aufstellung der 38 Nummern, aus denen der von
einem Hirtenknaben gefundene Schatz besteht. Dem
Stile nach gehören die Gegenstände verschiedenen
Zeiten an. Der Archäologische Anzeiger gibt nur
eine Abbildung, die der restaurierten Silberschüssel
des Paternus. Für die Zeit, in der der Schatz in der
Erde verborgen wurde, ergibt der Stil der Gegen-
stände, sowie der aufgefundenen Münzen das Ende
des 7. Jahrhunderts als terminus post quem. Die
Gegenstände gehörten jedenfalls irgend einem Bar-
barenfürsten, die im 7. und 8. Jahrhundert in Süd-
rußland wanderten. Sie sind alle in ziemlich grober
Technik ausgeführt, soweit sie als Waffen, Verzie-
rungen und Hausgerät dienten und zeigen den bar-
barischen (»gotischen«) Stil. Die großen und feinen
Sachen sind entweder byzantinisch oder sassanidisch,
konnten allerdings zum Teil auch als Hausgerät dienen,
wahrscheinlich jedoch wurden sie nur als Werte, sei
es in einer Kirche, sei es zur Einlösung für Gefangene
gebraucht. Deswegen sind sie auch aus so verschie-
denen Zeiten. Die Fundumstände deuten an, daß wir
es wirklich mit einem bei einer plötzlichen Gefahr
vergrabenen Schatz zu tun haben. Welchem Volke
der Schatz einst angehörte, ist noch nicht zu sagen.
Der verstorbene Pester Archäologe Hampel sah in
den Steigbügeln des Schatzes eine Form, die für die
Avaren typisch ist.

Aus den ptolomäisch-griechischen und dem
römischen und christlichen Ägypten teilt C. C.
Edgar einiges dem Archäologischen Anzeiger mit und
legt zunächst Wert auf das neue Gesetz, welches dem
ägyptischen Antiquitätenhandel große Beschränkungen
auflegt. Auch auf privatem Eigentum gefundene Alter-
tümer gehen jetzt sofort in das Eigentum der Re-
gierung über, die den Grundeigentümer nur zu ent-
schädigen hat. Jeder Händler braucht eine Lizenz
und alle Antiquitätenläden müssen für die Regierungs-
inspektion offen stehen. Vorerst gilt jedoch das Ge-
setz nur für ägyptische Untertanen, nicht für Fremde.

Zu Abu Girgeh im Mariut wurde eine Kirche,
die teilweise aus von einem altägyptischen Gebäude
herrührenden Steinen erbaut war, ausgegraben. Unter
dieser Kirche war eine mit Fresken geschmückte unter-
 
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