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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 25.1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.6191#0283

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Literatur

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Jena) usw. hinzuweisen und eine »von Berlin ausgehende
Sonderuntersuchung« anzuregen. Was Robert Schmidt in
seinem Glashandbuch 1912 bereits recht anschaulich heraus-
zuarbeiten wußte, aber wegen Raummangels teilweise noch
nicht ausführlich wiedergeben konnte, das beschert uns das
stattliche, durch die Unterstützung der Orlopstiftung ermög-
lichte Prachtwerk mit 40 Lichtdrucktafeln. Zwischen den
beiden Veröffentlichungen liegt die Ausstellung branden-
burgischer Gläser im Berliner Kunstgewerbemuseum im
Frühjahr 1913, die die feineren Konfrontationen und die
Gruppierung des ganzen Denkmälerbestandes erleichterte.
Schon diese Ausstellung, von R. Schmidt mustergültig an-
geordnet, brachte reiche Ergebnisse, die wir nun — nach-
dem kleinere Hypothesen, wie die Einfügung des schwarzen
Buquoischen Hyalithglases von ungefähr 1810—30 an Stelle
des 1726 und 1738 erwähnten schwarzen brandenburgischen
Glases, zum Glücke wieder aufgegeben wurden — in der
stolzen Foliopublikation vereinigt finden.

Jetzt ist nach ausgiebiger Verwertung der urkundlichen
Aufzeichnungen in den Archiven und Kirchenbüchern das
Bild der märkischen Kunstglasproduktion so ziemlich lücken-
los; gewissenhafte Urkunden- und Denkmälerkritik haben
Hand in Hand mit einem Finderglück, das große Ausdauer
und sehr geschulte Augen zur Voraussetzung hat, eine
Darstellung geschaffen, die das oft mißbrauchte Ehrenwort
»grundlegend« verdient.

Wir lernen zunächst die "beiden Grimnitzer Hütten
(1602—7; 1653-1792) und die Marienwalder Hütte (1607
bis 1825) mit ihren gemalten, »geschnürlten« und »gemar-
molierten« Gläsern kennen, wobei R. Schmidt sehr recht
hat, wenn er sich hier, wie bei den anderen, namentlich
kleineren brandenburgischen Hütten mit den kunstlosen
Alltagserzeugnissen nicht weiter abgibt, sondern nur Deko-
riertes — seit 1654 wird der Glasschnitt zuerst erwähnt —
der Behandlung für wert erachtet.

Im Mittelpunkte stehen natürlich die Potsdamer
Hütten, seit 1674 in Drewitz-, wo der Hesse G. Gundelach
aus Oranienbaum bei Dessau die technische Verbesserung
des Kristallglases, die entscheidende Vorbedingung für
den Schnitt einführt. — Das wesentlichste Ereignis ist das
Auftreten des größten Glashütten-Chemikers aller Zeiten,
Johann Kunckels 1678—93, der, getragen von der Gunst
des Großen Kurfürsten, nicht nur das Goldrubinglas zuerst
im großen Maßstabe herstellte, sondern überhaupt theo-
retisch und praktisch, durch seine »Ars vitriaria«, wie durch
die farbigen Glaskorallen für den Kolonialexport die »Haken-
dammsche«, dann die Hütte auf der Pfaueninsel (1685)
zum Zentrum der damaligen Glasmacherkunst zu erheben
verstand. Gerade das Kapitel vom »Glück und Ende«
dieses seltenen Mannes und sein Schicksal ist eines der
wertvollsten, das wesentlich über die dänische Monogra-
phie*) von Axel Heine (1912) hinausgewachsen ist. —
Es folgen dann die weniger günstigen Zeiten unter fran-
zösischen Abenteurern und unzulänglichen Pächtern, bis
die Verlegung der Hütte von Potsdam nach Zechlin 1736
durchgeführt wird, wo sich das Unternehmen unter wech-
selnden Verhältnissen bis 1890 erhält.

Wichtiger als die Registrierung der kommerziellen
Zustände wird für uns die Beleuchtung der künstlerischen
Richtungen namentlich unter Mitwirkung eines Stempel-
schneiders, wie es Gottfried Leygebe gewesen, und in
steter Wechselbeziehung zu den zahlreichen tüchtigen
Glasschneidern in Berlin um 1680—1720, deren Reihe von

*) Da wird uns (S. 12) u. a. ein facettierter Becher
mit Fußzackenwulst als Kunckelarbeit vorgeführt, der ein
aufgelegtes Produkt aus [dem zweiten oder dritten Jahr-
zehnt des 19. Jahrhunderts ist.

Martin Winter und seinem Vetter Gottfried Spill er er-
öffnet wird. Gerade das Werk dieses wirklich genialen
Glaskünstlers so schön herausgearbeitet zu haben, sowie
die Auflösung der bisher unbekannten Signaturen H I in
Heinrich Jäger aus Reichenberg und H F H in Heinrich
Friedrich Halter in Magdeburg, — das sind wohl die
Höhepunkte in Robert Schmidts neuester Publikation, die
alle Wandlungen im Formen- und Dekorgeschmack so liebe-
voll verfolgt, ebenso die Arbeiten von Elias Rosbach und
J. Ch. Bode gut zusammenfaßt und auch die Zechliner
Erzeugnisse, soweit sie ein künstlerisches Interesse er-
wecken können, gewissenhaft bis in die spätesten Zeiten
verfolgt.

Den Beschluß des Werkes bilden knappe, übersicht-
liche Erläuterungen der kleineren Betriebe, wie der Glas-
hütte des Giovanni Pallada in Berlin, der übrigen mär-
kischen Glashütten und der Spiegelfabrik von Neustadt
a. d. Dosse.

Die auf den Lichldrucktafeln dargestellten Gläser
sind vorzüglich gewählt und glänzend wiedergegeben;
leider läßt sich das letztere nicht von allen Textabbil-
dungen sagen, von denen namentlich die Abb. 34, 36, 40
und 46 durch bessere Klischees zu ersetzen gewesen wären;
einige Gläser (wie auf Abb. 51 rechts) hätte man vor dem
Photographieren erst mit einer Lösung von übermangan-
saurem Kali füllen sollen, damit die Rückseite nicht stören
könnte.

Ich will nämlich diesmal nicht nur loben, sondern
auch tadeln, was Robert Schmidt gegenüber, dessen
Arbeitskraft ich sehr schätze, viel schwerer ist. Wenn
(S. 3 Anm.) die Bezeichnung »eingewermbt« auf die
Emailmalerei bezogen wird, so möchte ich dem nicht bei-
stimmen; ich verstehe darunter die heute noch übliche
»Verwärmung« farbiger Glasbrocken, wie ja die marmo-
rierten Grimnitzer Arbeiten, z. B. der Pokal im Grünen
Gewölbe von 1602 — vor ihrer Bemalung — hergestellt
sind. — Die (S. 26 genannte) böhmische Glashütte bei
Gablonz, die eine nicht unwesentliche Rolle spielt, heißt
nicht »Laba«, sondern »Labau«. Die S. 87 abgebildete
Wohnstube dürfte doch etwas zu früh datiert sein. Bei
einer Gruppe späterer Pokale hätte ich lieber von einer
»kugeligen« statt von einer »gewölbten« Kuppa (S. 98)
gesprochen, von der man sich kein bestimmtes Bild machen
kann. Eventuelle Beziehungen der (nicht erwähnten) nord-
deutschen, geschnittenen Widmungsschreiben (z. B. der
Halberstädter Gruppe im dortigen Museum) zur Berliner
Glasschneideinnung hätte man auch gerne festgestellt ge-
sehen. — Allzu wichtig sind aber solche Einwürfe gewiß
nicht; auch einer Bemerkung, daß manche Hochschnitt-
arbeiten durch die Vergleichung mit gleichzeitigen, eben-
falls für das preußische Herrscherhaus ausgeführten Bern-
steinarbeiten interessante Übereinstimmungen gezeigt hätten,
kann die Spitze abgebrochen werden, da der Bernstein hier
nicht Gegenstand der Behandlung sein sollte.

Der wichtigste Einwand jedoch dürfte der sein, daß
viele gute, zum Teile wichtige, bemalte und geschnittene
brandenburgische Gläser in öffentlichen und privaten Samm-
lungen in Robert Schmidts Darstellung fehlen. Als Gegen-
stück zum Jahreszeitenglas von 1695, das als analogielos
hingestellt wird, hätte sich das des Paul Walter aus (Iden-
burg von 1691 bei Dr. List in Magdeburg dargeboten, der
auch ein Gegenstück zur Flasche des Museums in Halle
von 1678 besitzt. Unter den »Schiltluntzen« wären viel-
leicht gerade die auswärtigen Muster für die späteren
Malereien in Brandenburg, z. B. die Hochzeitshumpen des
J. F. Herzogs von Stettin-Pommern und der Erdmuthe zu
Brandenburg von 1576 in der Dresdner Hofkellerei, wie
auf der Leipziger Ausstellung von 1897 (Nr. 887) oder die
 
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