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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 11./​12.1929/​30

DOI issue:
1./2. Septemberheft
DOI article:
Junius, Wilhelm: Der Meister H. W. von Chemnitz und seine Schule, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.26238#0019

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einen Schüler Tilmann Riemenschneiders (sic!) in
Würzburg: nachzuweisen.12) Ob der Meister H. W.
Insasse des Chemnitzer Benediktinerklosters gewesen
ist, wie Hentschel anzunehmen scheint, ist mir, wie be-
reits erwähnt, fraglich, da er als Ordensbruder S. Bene-
dicti von Nursia kaum für die Annaberger Franziskaner
künstlerisch tätig gewesen sein dürfte, was doch, wie
die „Schöne Tür“ von 1512 beweist, der Fall war. Es
hat doch damals gewiß auch schon so etwas wie einen
, Kompetenzbereich“ gegeben. Auffällig ist es aller-
dings, daß mit der Säkularisation der Chemnitzer und
Annaberger Klöster auch der Meister H. W. spurlos aus
unserem Blickfeld verschwindet, denn Werke, die nach
1525 entstanden sind, vermag ich nicht namhaft zu
machen. Somit ist seine Wirksamkeit in Freiberg,
Annaberg und Chemnitz auf die Zeit von 1500—1525
(nach Hentschel: 1500—1530) beschränkt. Seine Wirk-

meister und Montangelehrte Ulrich Rülein von Calbe
(alias „Daniel in der Löwengrube“) dargestellt sei14),
daß ferner der gleiche U. R. v. Calbe noch einmal an
einem Schlußstein der Annaberger Annenbirche15) sicht-
bar wäre, und seine ikonographische Exegese mit dem
Ergebnis abschließt: „Der Meister H. W., unstreitig der
bedeutendste sächsische bildende Künstler, der im Zeit-
alter des Ueberganges von der Spätgotik zur Renais-
sance gelebt und gewirkt hat, ist so tief in dem Wesen
des Bergbaues und seiner Technik verankert (sic.!), daß
ich ihn für ein Freiberger Kind halten möchte. Und
wenn er das nicht sein sollte, so hat ihn vermutlich
Ulrich Rülein, wie er den Rhagiüs und den Mosellanus
(Professor der Leipziger Universität) herbeiholte, aus
einer Bergstadt, etwa aus dem Mansfeldischen, nach
Freiberg gezogen, wo er in seiner besten Zeit in enger
Gemeinschaft mit Rülein von Calbe den Mittelpunkt sei-

Altarwerk von Glöse bei Chemnitz

samkeit in Obersachsen beginnt jedenfalls erst
um 1500, obwohl die unkontrollierbare „Ueberlieferung“
behauptet, Hans von Göln (will sagen: der Meister
H. W.) habe die Freiberger Tulpenkanzel um 1480 ge-
schaffen12). Wenn Otto Eduard Schmidt das Rätsel der
Tulpenkanzel im Freiberger Dom dahingehend gelöst zu
haben glaubt, daß am Kanzelfuß der Freiberger Bürger-

12) Dr. K. W. Zülch-Frankfurt fand, daß der Schöpfer des
Isenheimer Altars „Mathias Grünewald“, in Wirklichkeit Matliis
Gothardt-Nithardt hieß. Ein Jugendwerk dieses Mathis Gothardt-
Nithardt ist der 14 Nothelfer-Altar in Lindenhardt bei Bayreuth.
Fritz Knapp-Würzburg stellte fest, daß Nithardt Würzburger Bür-
ger war, und daß die St. Georgsfigur vqui Lindenhardter Altar
stilkritisch beweise, daß Meister Mathis vermutlich ein Schüler
Riemenschneiders gewesen sei. (Vgl. auch Wilhelm Rolfs a. a. O.)
Auch der Meister der Flügelgemälde des Ehrenfriedersdorfer Alta-
res, dessen Plastiken vom Meister H. W. von Chemnitz geschnitzt
sind, Hans von Cöln, bekundet seine Beziehungen zu dem sogen.
„Mathias Grünewald von Aschaffenburg“. Von diesen stilistischen
Indizien sowohl für den Meister H. W. als auch seinen Chemnitzer
und Annaberger Mitarbeiter „Hans von Cöln“ auf Wiirzburg zu
schließen, liegt nahe.

nes Schaffens fand. Will man Genaueres über sein
Leben und Wesen und vielleicht auch seinen vollstän-
digen Namen feststellen, so muß man zunächst die städti-
schen und bergbaulichen Akten des Freiberger Rats-
archivs und des Freiberger Bergamtes nach den Spuren
dieser großen Persönlichkeit durchforschen“, so kann
man nur sagen, daß er ein Rätsel dadurch löst, daß er
neue Hypothesen aufstellt. Sehr selbstbewußt klingt
auch des verdienten Verfassers der „Kursächsischen
Streifzüge“ zusammenfassender Schluß:

„Alles schließt sich zwanglos zu einem in sich ge-
festigten und gerundeten Beweise zusammen, so daß
ich glauben kann, die von Walter Hentschel umsichtig

13) Vgl. Wolfgang Roch: Die Freikanzel im Freiberger Dom
und ihre Herkunft (Neues Archiv f. Sachs. Geschichte Bd. 39, 1918,
S. 139); ferner: Die gotische Wunderblume zu Freiberg (Sachs.
Heimat, März 1926, Heft 6, S. 223 ff.).

”) Mitteilungen d. Landesvereins Sachs. Heimatschutz,
Bd. XV, Heft 3—4, S. 131.

16) Abgebildet bei O. E. Schmidt a. a. O. Abb. 8.

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