Die Sammlung Gduaüd Simon.
Euü Auktion bei Cafkceß s Jietbing in BetHin
Für den ersten der beiden reich illustrierten Katalogbände,
die vom Hause Paul Cassirer — Hugo Helbing in Berlin
zur Auktion der Sammlung Dr. Eduard Simon (10. und 11. Okto-
ber) ausgegeben wurden, hat Geheimrat Dr. Max J. Friedlän-
der, der Direktor der Staatlichen Gemäldegalerie und des
Kupferstichkabinetts Berlin das Vorwort geschrieben. Der be-
rühmte Berliner Kenner sagt:
„Um die Privatsammlungen alter Kunst in Deutschland und
namentlich in Berlin stehlt es schlimm. Eine nach der anderen löst
sich auf. Ein Prozeß, der sich auch ohne den Krieg und die Folgen
des Krieges unvermeidlich, wenn auch in minder raschem Tempoi,
vollzogen haben würde. Das weite und reiche Land auf der an-
deren Seite tritt die Erbschaft an und zieht nicht nur pures Gold
hinüber, sondern auch Kunstwerke — mit dem Ehrgeize, seelisch
teilzunehmen an Europas Kultur und Geschichte.
Nachgerade sind wir der Klagen bei Abwanderung der Kunst-
werke überdrüssig geworden und haben uns mit dem Schicksal
abgefunden. Nun kommt es zum Verkaufe der Sammlung Dr.
Eduard Simons. Mir fällt die bedrückende Aufgabe zu, den Ver-
steigerungskatalog mit einigen Sätzen einzuleiten, und ich kann
nicht umhin, die banal gewordene Klage wieder anziustimmen. Nicht
sowohl weil seine Sammlung aufgelöst wird und idie einzelnen
Kunstwerke wahrscheinlich Deutschland verlassen werden, wie viel-
mehr, weil ein Kunstwerk zerstört wird. Das Ganze nämlich, das
Haus mit der Sammlung darin, war ein Kunstwerk. Die Teile sind
in diesem Kataloge verzeichnet, das Ganze aber war mehr als die
Summe der Teile, die glückliche Schöpfung des kunstfreundlichen
Bauherrn, des Architekten Alfred Messel und Wilhelm Bodtes.
Messel hat mehr als ein Privathaus in Berlin errichtet, Bode
mehr als einen Privatsammler beraten. Ln diesem Fall aber löste
der Baumeister in seiner anpassungsfähigen, feinfühligen und eklek-
tischen Weise die besondere Aufgabe, aus gesammelten Bruch-
stücken alter Kunst ein reiches und behagliches Wohnhaus, die
schmuckkastenhafte Hülle für kostbare Dinge zu bilden, und Bode
fand für seine entscheidenden Anregungen Vertrauen, Munificenz
und Passion in der Person Eduard Simons wie kaum in der Person
eines anderen Berliner Sammlers. Ucbrigens vermittelte Dr. Simon
die Bekanntschaft zwischen seinem Architekten und dem Beherr-
scher der Museen, und bei Gelegenheit dieses Baues kam es dazu,
daß Bode die elastische Begabung Messels schätzen lernte. Danach
wurde dieser Baumeister für die neuen und großen Pläne der
Museen gewonnen^
Wir denken skeptisch über die Möglichkeit, aus Resten, lieraus-
gerissenen Stücken, aus Ueberbleibseln vergangener Perioden ein
Ganzes zu fügen, das als Wohnstätte eines Berliner Kaufherrn un-
serer Tage stilgerecht und natürlich erschiene. Aber selbst wer
mit grundsätzlichen Bedenken das Haus betrat, wurde gewonnen
durch die lichte Festlichkeit der Räume und die geistreich aus-
gle|ichende Kombinierung des Alten mit dem Neuen. Nicht die
monumentale Weite und Leere italienischer Paläste, nicht archäo-
logisch pedantische Rekonstruktion, nichts von bröckligem Verfalle,
sondern unverminderter Glanz in wohl erhaltenen Formen.
Der Speisesaal mit der zurückhaltenden Pracht der Tiepolo-
Fresken, dias strahlende Treppenhaus mit den wundervoll konser-
vierten flämischen Bildgeweben waren erdacht in verständnisvoller
Freude an den Werken, die zum Schmucke des Hauses 'dienten.
Zwei Salons im Stile des 18. Jahrhunderts, der eine spiele-
risch phanitasievoll im Geschmack Guar dis, der andere eher korrekt
und rein in französischem Stile, waren ausgestattet mit Bildnissen
englischer Meister. Die Gemälde, Möbel, Bildwerke aus dem 15.
und 16. Jahrhundert waren aufgestel.lt in zwei Gemächern, in denen
der Architekt das Thema der italienischen Renaissance gleichsam
frei variiert hat zu dichter, warmer und vornehmer Wirkung.
Neben italienischen, niederländische Bilder. Der Geschmack des
Sammlers war nicht einseitig auf diese oder jene Kunstgattung,
diese oder jene Stiiart gerichtet, sondern wurde gefesselt von jedem
wohlgewaehsenen und unversehrten Gebilde.
Wie sicher der einzelne Gegenstand, ob Gemälde, Relief,
Bronzestatuette, Tapisserie oder Möbel, an seiner Stelle als
schmückendes Glied eingereiht, seine Wirkung übte und zur höch-
sten Geltung kam: dem Zusammenhang entnommen, wird er vor
kritischen Blicken mit seinem Eigenwerte bestehen.
Bode, der so manche Privatsammlung katalogisiert hat, ist
nicht dazu gekommen, diese Sammlung zu beschreiben. Die Auk-
tionsfirmen haben siich in dankenswerter Weise bemüht, unter sei-
nen Schülern und Mitarbeitern erfahrene Kenner zur wissenschaft-
lichen Durcharbeitung des mannigfaltigen Materials zu gewinnen,
Herrn Dr. E. F. Bange für die Skulpturen, Frau Professor Schott-
müller für die Renaissance-Möbel, dekorative Plastik und Textilien,
Herrn Professor Ernst Kühnel für die orientalischen Teppiche^
Herrn C. F. Foerster für die Möbel und Kunstgegenstände des 18.
Jahrhunderts.
Die Durchsicht des Verzeichnisses läßt erkennen, wie eifrig
und nicht ohne Erfolg, selbst in bezug auf die Möbel, die Autor-
frage erwogen worden ist, und daß Veränderungen und Ergänzun-
gen, von denen Gebrauchsgegenstände aus alter Zeit nur aus-
nahmsweise verschont geblieben sind, sorgfältig beobachtet und
vermerkt wurden.
Die Besonderheit dieser Sammlung besteht in dem gleichmäßig
hohen Niveau. Mit Hervorhebung einiger Stücke würde ich an-
dere ungerecht herabzusetzen scheinen..“
Gin IDiedeüeriüacbcndct?; jviidoelangelo da Cacaoaggio.
Dort ft?ans Attcrts
Warum wohl 'der Name des „lombardischen Michelangelo“,
trotzdem die Kunstgeschichte in ihm seit Jahrzehnten schon den
Vorläufer und Anreger eines Rubens und Velasquez, ja, selbst noch
eines Courbet, ehrt, auch heute noch Sonderbesitz der Fachgebil-
deten geblieben ist? Und das trotz der Romantik seines kurz-
lebigen, stürmischen Daseins, wie sie doch oft selbst minder geniall
Begabte einem teilnehmenden Interesse der Nachwelt zu empfeh-
len imstande ist?
Entscheidend dafür muß wohl doch die mürrische Nachrede
geblieben sein, die der sogenannte „Naturalist“ von Seiten der aka-
demischen Kunstüberlietferunig stets erfahren hat, dazu noch die
geringe Beliebtheit, die gerade die Festnagelung eines Künstlers
auf „Naturalismus“ diesem heute auch in nicht akademisch gestimm-
ten Kreisen zu verschaffen vermag.
Garavaggio — Michelangelo Merisi aus Caravaggio bei Ber-
gamo —• ist aber nicht allein ein ganz eminent wichtiger „histo-
rischer Faktor“ (denn auch seine fruchtbare Auswirkung auf die
eigenen Landsleute vermögen wir erst ‘beute, nachdem wir alle
eingewurzelte Barockverachtung ad1 acta gelegt haben, in ihrer
vollen Bedeutung zu ermessen), sondern auch durch eigene Seins-
und Schaffenswerte in hohem Maße unserer teilnehmenden Erlebnis-
bereitschaft würdig. Was bei den Bolognesen oft kühles Kompro-
miß bleibt, was selbst bei dem wenig auf Plastisches eingestellten
Tintoretto auf Teillösungen beschränkt bleibt — die Verschmelzung
24
Euü Auktion bei Cafkceß s Jietbing in BetHin
Für den ersten der beiden reich illustrierten Katalogbände,
die vom Hause Paul Cassirer — Hugo Helbing in Berlin
zur Auktion der Sammlung Dr. Eduard Simon (10. und 11. Okto-
ber) ausgegeben wurden, hat Geheimrat Dr. Max J. Friedlän-
der, der Direktor der Staatlichen Gemäldegalerie und des
Kupferstichkabinetts Berlin das Vorwort geschrieben. Der be-
rühmte Berliner Kenner sagt:
„Um die Privatsammlungen alter Kunst in Deutschland und
namentlich in Berlin stehlt es schlimm. Eine nach der anderen löst
sich auf. Ein Prozeß, der sich auch ohne den Krieg und die Folgen
des Krieges unvermeidlich, wenn auch in minder raschem Tempoi,
vollzogen haben würde. Das weite und reiche Land auf der an-
deren Seite tritt die Erbschaft an und zieht nicht nur pures Gold
hinüber, sondern auch Kunstwerke — mit dem Ehrgeize, seelisch
teilzunehmen an Europas Kultur und Geschichte.
Nachgerade sind wir der Klagen bei Abwanderung der Kunst-
werke überdrüssig geworden und haben uns mit dem Schicksal
abgefunden. Nun kommt es zum Verkaufe der Sammlung Dr.
Eduard Simons. Mir fällt die bedrückende Aufgabe zu, den Ver-
steigerungskatalog mit einigen Sätzen einzuleiten, und ich kann
nicht umhin, die banal gewordene Klage wieder anziustimmen. Nicht
sowohl weil seine Sammlung aufgelöst wird und idie einzelnen
Kunstwerke wahrscheinlich Deutschland verlassen werden, wie viel-
mehr, weil ein Kunstwerk zerstört wird. Das Ganze nämlich, das
Haus mit der Sammlung darin, war ein Kunstwerk. Die Teile sind
in diesem Kataloge verzeichnet, das Ganze aber war mehr als die
Summe der Teile, die glückliche Schöpfung des kunstfreundlichen
Bauherrn, des Architekten Alfred Messel und Wilhelm Bodtes.
Messel hat mehr als ein Privathaus in Berlin errichtet, Bode
mehr als einen Privatsammler beraten. Ln diesem Fall aber löste
der Baumeister in seiner anpassungsfähigen, feinfühligen und eklek-
tischen Weise die besondere Aufgabe, aus gesammelten Bruch-
stücken alter Kunst ein reiches und behagliches Wohnhaus, die
schmuckkastenhafte Hülle für kostbare Dinge zu bilden, und Bode
fand für seine entscheidenden Anregungen Vertrauen, Munificenz
und Passion in der Person Eduard Simons wie kaum in der Person
eines anderen Berliner Sammlers. Ucbrigens vermittelte Dr. Simon
die Bekanntschaft zwischen seinem Architekten und dem Beherr-
scher der Museen, und bei Gelegenheit dieses Baues kam es dazu,
daß Bode die elastische Begabung Messels schätzen lernte. Danach
wurde dieser Baumeister für die neuen und großen Pläne der
Museen gewonnen^
Wir denken skeptisch über die Möglichkeit, aus Resten, lieraus-
gerissenen Stücken, aus Ueberbleibseln vergangener Perioden ein
Ganzes zu fügen, das als Wohnstätte eines Berliner Kaufherrn un-
serer Tage stilgerecht und natürlich erschiene. Aber selbst wer
mit grundsätzlichen Bedenken das Haus betrat, wurde gewonnen
durch die lichte Festlichkeit der Räume und die geistreich aus-
gle|ichende Kombinierung des Alten mit dem Neuen. Nicht die
monumentale Weite und Leere italienischer Paläste, nicht archäo-
logisch pedantische Rekonstruktion, nichts von bröckligem Verfalle,
sondern unverminderter Glanz in wohl erhaltenen Formen.
Der Speisesaal mit der zurückhaltenden Pracht der Tiepolo-
Fresken, dias strahlende Treppenhaus mit den wundervoll konser-
vierten flämischen Bildgeweben waren erdacht in verständnisvoller
Freude an den Werken, die zum Schmucke des Hauses 'dienten.
Zwei Salons im Stile des 18. Jahrhunderts, der eine spiele-
risch phanitasievoll im Geschmack Guar dis, der andere eher korrekt
und rein in französischem Stile, waren ausgestattet mit Bildnissen
englischer Meister. Die Gemälde, Möbel, Bildwerke aus dem 15.
und 16. Jahrhundert waren aufgestel.lt in zwei Gemächern, in denen
der Architekt das Thema der italienischen Renaissance gleichsam
frei variiert hat zu dichter, warmer und vornehmer Wirkung.
Neben italienischen, niederländische Bilder. Der Geschmack des
Sammlers war nicht einseitig auf diese oder jene Kunstgattung,
diese oder jene Stiiart gerichtet, sondern wurde gefesselt von jedem
wohlgewaehsenen und unversehrten Gebilde.
Wie sicher der einzelne Gegenstand, ob Gemälde, Relief,
Bronzestatuette, Tapisserie oder Möbel, an seiner Stelle als
schmückendes Glied eingereiht, seine Wirkung übte und zur höch-
sten Geltung kam: dem Zusammenhang entnommen, wird er vor
kritischen Blicken mit seinem Eigenwerte bestehen.
Bode, der so manche Privatsammlung katalogisiert hat, ist
nicht dazu gekommen, diese Sammlung zu beschreiben. Die Auk-
tionsfirmen haben siich in dankenswerter Weise bemüht, unter sei-
nen Schülern und Mitarbeitern erfahrene Kenner zur wissenschaft-
lichen Durcharbeitung des mannigfaltigen Materials zu gewinnen,
Herrn Dr. E. F. Bange für die Skulpturen, Frau Professor Schott-
müller für die Renaissance-Möbel, dekorative Plastik und Textilien,
Herrn Professor Ernst Kühnel für die orientalischen Teppiche^
Herrn C. F. Foerster für die Möbel und Kunstgegenstände des 18.
Jahrhunderts.
Die Durchsicht des Verzeichnisses läßt erkennen, wie eifrig
und nicht ohne Erfolg, selbst in bezug auf die Möbel, die Autor-
frage erwogen worden ist, und daß Veränderungen und Ergänzun-
gen, von denen Gebrauchsgegenstände aus alter Zeit nur aus-
nahmsweise verschont geblieben sind, sorgfältig beobachtet und
vermerkt wurden.
Die Besonderheit dieser Sammlung besteht in dem gleichmäßig
hohen Niveau. Mit Hervorhebung einiger Stücke würde ich an-
dere ungerecht herabzusetzen scheinen..“
Gin IDiedeüeriüacbcndct?; jviidoelangelo da Cacaoaggio.
Dort ft?ans Attcrts
Warum wohl 'der Name des „lombardischen Michelangelo“,
trotzdem die Kunstgeschichte in ihm seit Jahrzehnten schon den
Vorläufer und Anreger eines Rubens und Velasquez, ja, selbst noch
eines Courbet, ehrt, auch heute noch Sonderbesitz der Fachgebil-
deten geblieben ist? Und das trotz der Romantik seines kurz-
lebigen, stürmischen Daseins, wie sie doch oft selbst minder geniall
Begabte einem teilnehmenden Interesse der Nachwelt zu empfeh-
len imstande ist?
Entscheidend dafür muß wohl doch die mürrische Nachrede
geblieben sein, die der sogenannte „Naturalist“ von Seiten der aka-
demischen Kunstüberlietferunig stets erfahren hat, dazu noch die
geringe Beliebtheit, die gerade die Festnagelung eines Künstlers
auf „Naturalismus“ diesem heute auch in nicht akademisch gestimm-
ten Kreisen zu verschaffen vermag.
Garavaggio — Michelangelo Merisi aus Caravaggio bei Ber-
gamo —• ist aber nicht allein ein ganz eminent wichtiger „histo-
rischer Faktor“ (denn auch seine fruchtbare Auswirkung auf die
eigenen Landsleute vermögen wir erst ‘beute, nachdem wir alle
eingewurzelte Barockverachtung ad1 acta gelegt haben, in ihrer
vollen Bedeutung zu ermessen), sondern auch durch eigene Seins-
und Schaffenswerte in hohem Maße unserer teilnehmenden Erlebnis-
bereitschaft würdig. Was bei den Bolognesen oft kühles Kompro-
miß bleibt, was selbst bei dem wenig auf Plastisches eingestellten
Tintoretto auf Teillösungen beschränkt bleibt — die Verschmelzung
24