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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 11./​12.1929/​30

DOI Heft:
1./2. Septemberheft
DOI Artikel:
Junius, Wilhelm: Der Meister H. W. von Chemnitz und seine Schule, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.26238#0016

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j er vielseitigste und originellste in Sachsen um 1500
tätig gewesene Plastiker ist zweifellos der Chem-
nitzer Monogrammist H. W. Dem relativ aufschluß-
reichen urkundlichen Material, das wir über seinen
Zwickauer Zeitgenossen Peter Breuer (t 1541) be-
sitzen, steht nur die Tatsache gegenüber, daß der Mei-
ster H. W. von Chemnitz sich an dreien seiner Werke
durch das Monogramm H. W. (Borna, Annaberg, Halle)

Sakristeitür der Annenkirche in Annaberg
Ehemaliges Portal des Annaberger Franziskaner-Klosters

und die Jahreszahlen 1511 (Borna), 1512 (Annaberger
„Schöne Tür“) und 1525 (Chemnitzer Schloßkirchen-
Portal) als ihr Schöpfer bekannt hat. Ueber seinen
Namen, Herkunft, Wohnsitz und Lebensschicksale sind
wir zur Zeit noch in Unkenntnis, aber das Wenige, was
wir von seiner Hand besitzen: der Bornaer Altar (1511
datiert), die Annaberger „Schöne Tür“ (1512 datiert),
der Glösaer Altar (bald nach 1512)1), die Ebersdorfer

*) Nicht ganz eigenhändig, sondern unter Beteiligung eines
früheren Werkstattgenossen, vielleicht des Chemnitzer Benedik-
tiner-Mönches Ambrosius Rone (nach Walter Hentschel).

Pulthalter (wohl von 1513), die Chemnitzer Geißelungs-
gruppe (um 1515)2), die Waldkirchener Madonna (um
1520), die Freiberger „Tulpenkanzel“ (um 1520), das
Waldenburger „Maria Magdalena Aegyptiaca-Relief“,
der Ehrenfriedersdorfer Altar (gegen 1520)3), das
Chemnitzer Schloßkirchenportal (1522—25), das Grab-
mal des Dietrich von Harras in der Ebersdorfer Stifts-
kiche (um 1520)4) u. a. beweisen, daß er in eigenwilliger
und bedeutsamer Schulnachfolge Riemenschneiders
eine stilistische Brücke zwischen West und Ost ge-
schlagen hat. Was über seine Klosterbruderschaft bei
den Chemnitzern Benediktinern oder Franziskanern
bisher vermutet worden ist, erhält eine neue Stütze
durch einen glücklichen Fund W. Hentschels: Eine
wahrscheinlich zu dem Altar von Oberlungwitz ge-
hörige Holztafel im Dresdner Altertumsmuseum nennt
als Verfertiger des Altars den „wirdigen hern ambro-
sium rone“ und als Jahr 1517. Demnach könnte der
Meister des Oberlungwitzer Altares, der stilistisch
einem Werkstattgenossen oder „früheren Mitarbeiter
des Meisters H. W. in Chemnitz um 1515“ zugeschrie-
ben Wird, ein Mönch des Chemnitzer Benediktiner-
klosters gleich dem Meister H. W. gewesen sein. Dies
würde im gewissen Sinne auch seine Anonymität be-
gründen. Hinwiederum spricht dagegen, daß er als
Benediktiner-Mönch wohl kaum für die Annaberger
Franziskaner die „Schöne Tür“ des Barfüßerklosters
und den Grabstein für den Ritter Dietrich von Harras
geschaffen haben würde. Stilzusammenhänge, die nach
dem Mittelrhein5) und nach dem Harz verweisen6) (Gos-
lar, Hildesheim?), sind aber evident, was sich durchaus
mit seiner „Abhängigkeit von Riemenschneider“ ver-
tragen würde, da ja auch letzterer kein Würzburger
Mainfranke ist, sondern aus Osterode im Harz stammt,
und sein „Schüler“ Hans Backofen in Mainz der mittel-
rheinischen Kunst einen eigenen Stempel Riemen-
schneider’scher Prägung aufdrückt. Auch ist es durch-
aus möglich, daß der Meister H. W. den Einfluß des 1522
bis 1526 in Halle tätigen anonymen Schülers Hans Back-
ofens erfahren hat, da der Chemnitzer Meister zwischen
1522—25 in Halle eine Steinstatue der hl. Helena am

~) Abgebildet im Jahrbuch für Kunstwissenschaft 1927; Heft 3

bis 4, S. 160.

3) Abgebildet in Mitteilungen aus den Sächs. Kunstsammlun-
gen 1916, Bd. VII, S. 11.

4) Abgebildct bei Walter Hentschel: Sächs. Plastik um 1500
(Dresden 1926) Tafel 82 u. 83.

5) Heribert Reiners: Versteigerungs-Katalog der Sammlung
Roettgen, Tafel 17; Paul Clemen: Kunstdenkmäler der Rhein-
provinz V, 3 S. 215, Nr. 9; Wilhelm Pinder: Deutsche Plastik des
15. Jahrh., München 1924, Tafel 98; Wilhelm Junius: Monatshefte
für Kunstwissenschaft 1922, Heft 4—6, S. 146.

6) V. C. Habicht: Die mittelalterliche Plastik Hildesheims,
Abb.. 69—78, S. 201 ff. P. J. Meier: Das Qoslarer Vesperbild (in
Ztschr. f. bildende Kunst, 1921, Bd. 32, S. 33 ff.).

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