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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 11./​12.1929/​30

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1./2. Augustheft
DOI Artikel:
Waldmann, Emil: Ausstellung der Sammlung Schloß Rohoncz: in der Neuen Pinakothek in München
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Auerbach, Erna: Der Welfenschatz: zur Ausstellung im Städel'schen Kunstinstitut in Frankfurt a. M.
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.26238#0431

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stellen der Provenienz und lückenloses Aufrollen des
Stammbaumes erweisen lassen, daß gerade dieses Bild
und nicht etwa ein anderes das aus den Urkunden nach-
weisbare im Jahre 1555 bezahlte Werk Tizians ist, dann
wird man sich seufzend an den Gedanken gewöhnen
müssen, daß der große Mann selbst für den Dogenpalast
eine derartige Mittelmäßigkeit, eines Leandro Bassano
kaum würdig, abzuliefern sich nicht gescheut hat. Doch,
wie gesagt, bleibt dies abzuwarten, ebenso wie die Ant-
worten auf alle anderen hier angedeuteten Fragen, die
nicht in jedem Falle eine Kritik darstellen, sondern viel-
mehr darauf Hinweisen sollen, wie reich noch die Fülle
der hier zu lösenden Probleme ist. So rund wie an
der Wand mit den venezianischen Landschaften des 18.
Jahrhunderts ist noch nicht alles. Der Organismus die-

ser großartigen Sammlung ist noch nicht starr, er
wächst und er entwickelt sich, und in einem Museum ist
ja nicht das Bessere der Feind des Guten, sondern sein
Freund. So wie die Abteilung der modernen Bilder die-
ser Sammlung in dem Karebacherporträt und dem
Trübnerbildnis von Leibi, in der „jungen Griechin“
und einigen Landschaften von Corot und einigen
Menzels zunächst nur eine kleine Anzahl von wür-
digen Höhepunkten besitzt, und wie auf dieser Linie
noch aufgebaut wird, ebenso werden einige Abtei-
lungen der alten Galerie noch Wandlung und Entwick-
lung durchmachen. Wer einmal die höchsten
Ansprüche an sich zu stellen gewohnt ist, wird nicht
eher ruhen, als bis auch die letzte der denkbaren
Harmonien erreicht ist.

Det? IDclfenicbah

Eue Ausheilung im Stadel’(eben Kunffinffitut in peankfurt a. JYL

eon

Gtma Auctibad) — Frankfurt a. JYL

\ Iom 1. August bis zum 25. September 1930 ist der
* Weifenschatz im Städel’schen Kunstinstitut aus-
gestellt; voraussichtlich wird er noch einmal von Anfang
Oktober bis Mitte Dezember in Berlin der Oeffentlich-
keit gezeigt, um dann vielleicht für immer auseinander-
gerissen und weit verstreut zu werden. Zum letzten
Male also vermögen wir es, den Schatz als Ganzes, den
seit vierzig Jahren niemand gesehen, in seiner kunst-
geschichtlichen und kulturellen Bedeutung zu würdigen.
Zuvor ein kurzes Wort über seine Geschichte und
Herkunft:

Um 1030 stiftete Gertrud, die Gemahlin des
Brunonen Grafen Liudolf, den St. Blasiusdom in Braun-
schweig, und wenig später bestellte sie zum Andenken
an ihren verstorbenen Gatten zur Aufbewahrung hei-
liger Reliquien zwei Kreuze und einen Tragaltar. Sie
legte damit den Grundstein zur Sammlung des Kirchen-
schatzes. Als 1127 Braunschweig durch Heirat unter
die Herrschaft der Welfen kam, erhielten diese auch den
Besitz der frühesten Stücke des Schatzes, den sie im
Laufe der Zeit zu vermehren strebten. Vor allem hat
Heinrich der Löwe, Gründer der Stadt Braunschweig
und Errichter ihres Wahrzeichens, des erzenen Löwen,
bedeutsame Werke gestiftet. Unter seiner Regierung
wurde auch im Jahre 1173 nach Niederreißung des alten
St. Blasiusdomes mit dem Bau eines neuen Domes be-
gonnen. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts setzten Erb-
schwierigkeiten ein, und damit verlor sich das Interesse
an dem weiteren Ausbau der kirchlichen Stiftung. Im
Jahre 1671 gelangte der Schatz in den Besitz des Her-
zogs Johann Friedrich von Hannover und damit in die
dortige katholische Schloßkirche. 1867 wurde er, nach-
dem Hannover preußisch geworden, als Privateigentum

dem König Georg zugesprochen und nach Schloß
Penzing bei Wien gebracht. Später kam er nach
Gmunden, um dann schließlich in der Schweiz auf-
bewahrt zu werden und jetzt in den Besitz der drei
Frankfurter Kunsthändler J. Rosenbaum, Z. M. Hacken-
broch und J. & S. Goldschmidt überzugehen.

Die Sammlung wurde im Jahre 1482 zum ersten
Male inventarisiert, im Jahre 1891 zum zweiten Male
von Prof. W. A. Neumann publiziert, um endlich 1930 in
der Publikation von O. v. Falke, R. Schmidt und
G. Swarzenski eine abschließende Katalogisierung und
sorgfältig eingehende kunstgeschichtliche Behandlung
zu erfahren.

Aus der Geschichte des Schatzes ergibt sich sein
Bestand. Die meisten bedeutsamen Stücke sind vor
1200 in Sachsen, dem Zentrum der großen Dome, ent-
standen und führen in die Blütezeit frühmittelalterlicher
Kunst.

Betrachten wir nun die Ausstellung selbst, so wird
man zunächst einmal angeregt, die Fülle der einzelnen
Kunstwerke rein ästhetisch auf sich wirken zu lassen.
Die Art der Anordnung und Aufstellung, die mit fein-
fühliger Sorgfalt durchgeführt wurde, zwingt uns hierzu.
Merkwürdig, wie plötzlich die goldglänzenden Reli-
quiare aus der Versunkenheit an das Licht des Tages
gezogen sind! Sie stehen in den Räumen, in denen
sonst die farbigen altdeutschen Bilder von den Wänden
leuchten, in dunklen Vitrinen. Man hat die liturgischen
Geräte in großen Zwischenräumen angeordnet, man hat
sogar — was ein glücklicher Gedanke genannt werden
darf — die hervorragenden Stücke in den kleinen
Kabinetten, isoliert, vor eigenst getönter Wand-
bespannung, untergebracht, so daß jeder einzelne

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