Die Qlas(ebnetdet’famÜte Sang
Sine Untecfucbung von 6u{lav 6. PazauceksStuttgart
I—I andelt es sich überhaupt um eine zusammenhän-
* gende Familie? — Von drei verschiedenen Ver-
tretern dieses Namens besitzen wir je einige, zum Teile
sehr tüchtige und auch datierte Werke, wissen mitunter
auch, für wen sie geschaffen worden sind; aber nur bei
einem von den dreien wird auch der Herstellungsort
genannt, wenigstens während eines Jahrzehnts, nämlich
Amsterdam zwischen 1752 und 1762; und auch in diesem
Falle lassen uns die Urkunden bis auf weiteres voll-
ständig im Stich1).
Obwohl somit dieses spröde Kapitel leider noch
nicht restlos wird erledigt werden können, glaube ich
doch diese Arbeit nicht weiter zurückhalten zu sollen,
nicht nur weil sich die Zahl der Gläser der drei Glas-
schneider Sang seit der letzten Zusammenstellung2) we-
sentlich vermehren läßt, sondern weil mir ein glück-
licher Zufallsfund die bisher unbekannte, mitunter fälsch-
lich nach Böhmen versetzte Heimat des ältesten der drei
Glasschneider sowie dessen beide Vornamen verriet.
Ebenso, wie sich die Legende vom böhmischen Ursprung
der Frankfurter Glasschneiderfamilie Hess nicht aufrecht
erhalten ließ, sondern Thüringen als Herkunftsland fest-
gestellt werden konnte, begegnen wir hfer auch dem älte-
sten der drei Glasschneider Sang, und zwar nicht ein-
mal zunächst als Glasveredelungskünstler, sondern als
schlichtem Glasschleifer, der verschiedene Phiolen, Re-
torten, Helme und sonstigen Laboratoriumsbedarf, der
von den Glashütten von Gehlberg und Altenfeld durch
Vermittlung eines Johann Christoph Thilo für den Hof
von Weimar geliefert wurden, zurechtzuschleifen,
bzw. „einzureiben“ hatte. Die eingehend spezifizierte
Rechnung vom 20. Mai 1738 befindet sich in dem leider
für die Geschichte des Kunsthandwerks trotz der Ergie-
bigkeit noch so wenig durchforschten Haupt- und
Staatsarchiv von Weimar, und zwar in dem Weimarer
Band A 878 der „Scatullbelege“ vom Jahre 1738. Diesem
1) Prof. Dr. F. W. H u d i g und Stadtarchivar A. de B u s s y
vorn Gemeemte-Archief in Amsterdam, denen ich für die liebens-
würdige Mühewaltung verbindlichst danke, haben das Taufregister
1711—1766, das „Poorterboek“ 1740—1760, das die Namen der
zugezogenen Gewerbetreibenden enthält, sowie die Trauregister
der Reformierten wie der Katholiken und die Materialsammlung
de Roevers durchforscht, jedoch den Namen Jakob Sang nicht fest-
stellen können. — Ebenso wenig hatten die dankenswerten Be-
mühungen von Prof. Dr. Christian Scherer, dessen Aufsätze
über die Hofspiegel- und Kartonfabrik zu Braunschweig im „Kunst-
wanderer“, November 1926 und Januar 1926 das wertvollste
Material über Johann Heinrich Balthasar Sang enthalten, oder die
von Archivdirektor Dr. Mack vom Stadtarchiv und von Prof.
Dr. Fuhse vom Städtischen Museum zu Braunschweig Erfolg,
da die dortigen Neubürger- und Testgmentbücher den Namen ebenso
wenig enthalten wie das Landeshauptarchiv, in Wolfenbüttel, so daß
die Vermutung Scherers, J. H. B. Sang wäre gar nicht in Braun-
schweig ansässig gewesen, zutreffend sein könnte.
2) Robert Schmidt, Handbuch „Das Glas“, 2. Aufl. (1922) S. 359
(noch unter Braunschweig) und S. 363; sowie dessen „Gläser der
Sammlung Mühsam“.
11 m e n a u e r Glasschneider Sang- konnte man nun in
der evangelischen Stadtkirche von Ilmenau weiter nach-
gehen, wo sich aus dem Taufbuche feststellen ließ, daß
der „Hochfürstlich sächsische Glasschneider Andreas
Friedrich Sange“ (!) mit einer Maria Juliana geb.
Seidler verheiratet war und als Vater von zwei Töch-
tern, nämlich Christiana Juliana Eleonora (geb. 7. No-
vember 1732) und Maria Susanna (geb. 2. Juli 1735), be-
zeichnet wird3). Wir erinnern uns, daß im genannten
Jahre 1738 Johann Gottlieb Crahmer aus Kreibitz in
Nordböhmen Glashüttenfaktor der Spiegelfabrik in
Ilmenau war, derselbe, der vom Herzog Ernst August
von Sachsen-Weimar für eine „veritable Japanische
Porcellain-Fabrique“ gewonnen worden ist4). Sang mag
wohl auch für diese Spiegelfabrik tätig gewesen sein.
Wir kennen allerdings nur vollbe'zeichnete Hohl-
gläser mit seinem Namen, darunter zunächst die beiden
einander nicht gerade sehr nahe stehenden Pokale, die
aus der ehemaligen Sammlung Borchert in Hamburg,
wo ich sie bereits 1903 notierte, in das Kunstgewerbe-
museum von Köln gekommen sind. Der eine dersel-
ben (Abb. 1), schwer mit kegelförmiger Kuppa, zeigt in
tiefer Gravierung ein umlaufendes Traubenfest, auf dem
Faß die Signatur „Sang“ (ohne Vornamen) und auf dem
geschliffenen Nodus die Jahreszahl 1725. Die Halb-
bogengehänge des Lippenrades mit den geperlten Li-
nien sind nicht sonderlich geschickt; auch die Laub-
und Bandelwerk-Felder, in die der Schmuck der Fuß-
platte zerfällt, sind etwas primitiv. Ungleich inter-
essanter ist der andere, auch mit den Initialen der bei-
den Vornamen bezeichnete recht originelle Deckel-
pokal von schlanker Birnform (Abb. 2) mit elliptischem
Querschnitt und Melonenschliff, der vorne durch ein
breites mattiertes Band unterbrochen wird, das sich
auf dem Deckel, der einen Eichelknauf trägt, wie auch
auf der Fußplatte fortsetzt. Und dieses schabracken-
artige Band, ein sonst nicht wiederholter Einfall des
Glasschneiders, zeigt geschickt verteiltes Laub- und
Bandelwerk, das unten das Bacchuskind auf einem Faß
umschließt und oben eine weibliche Büste, die von einer
symmetrischen gekämmten und geperlten Kartusche ein-
geschlossen ist. Gerade dieses Motiv versetzt den Pokal
schon in den Ausklang der Laub- und Bandelwerk-Zeit,
also schon in das Ende der dreißiger Jahre des 18. Jahr-
hunderts.
Der Zeit nach zwischen diesen beiden Pokalen steht
der im Schloß von Dessau bewahrte Flacon-Deckel
eines Pokals (Abb. 3), der wiederum die Initialen un-
seres llmenauer Glasschneiders nebst der Jahreszahl
1729 aufweist (Signatur Abb. 4). Vier Rundmedaillons
3) Diese Feststellung verdanke ich der gütigen Auskunft von
Stadtkirchner Richard Güntzei
4) M. Sauerlandt im der Thüringisch-sächs. Zeitschrift für Ge-
schichte und Kunst (Halle) II. S. 85 (nach Stieda).
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Sine Untecfucbung von 6u{lav 6. PazauceksStuttgart
I—I andelt es sich überhaupt um eine zusammenhän-
* gende Familie? — Von drei verschiedenen Ver-
tretern dieses Namens besitzen wir je einige, zum Teile
sehr tüchtige und auch datierte Werke, wissen mitunter
auch, für wen sie geschaffen worden sind; aber nur bei
einem von den dreien wird auch der Herstellungsort
genannt, wenigstens während eines Jahrzehnts, nämlich
Amsterdam zwischen 1752 und 1762; und auch in diesem
Falle lassen uns die Urkunden bis auf weiteres voll-
ständig im Stich1).
Obwohl somit dieses spröde Kapitel leider noch
nicht restlos wird erledigt werden können, glaube ich
doch diese Arbeit nicht weiter zurückhalten zu sollen,
nicht nur weil sich die Zahl der Gläser der drei Glas-
schneider Sang seit der letzten Zusammenstellung2) we-
sentlich vermehren läßt, sondern weil mir ein glück-
licher Zufallsfund die bisher unbekannte, mitunter fälsch-
lich nach Böhmen versetzte Heimat des ältesten der drei
Glasschneider sowie dessen beide Vornamen verriet.
Ebenso, wie sich die Legende vom böhmischen Ursprung
der Frankfurter Glasschneiderfamilie Hess nicht aufrecht
erhalten ließ, sondern Thüringen als Herkunftsland fest-
gestellt werden konnte, begegnen wir hfer auch dem älte-
sten der drei Glasschneider Sang, und zwar nicht ein-
mal zunächst als Glasveredelungskünstler, sondern als
schlichtem Glasschleifer, der verschiedene Phiolen, Re-
torten, Helme und sonstigen Laboratoriumsbedarf, der
von den Glashütten von Gehlberg und Altenfeld durch
Vermittlung eines Johann Christoph Thilo für den Hof
von Weimar geliefert wurden, zurechtzuschleifen,
bzw. „einzureiben“ hatte. Die eingehend spezifizierte
Rechnung vom 20. Mai 1738 befindet sich in dem leider
für die Geschichte des Kunsthandwerks trotz der Ergie-
bigkeit noch so wenig durchforschten Haupt- und
Staatsarchiv von Weimar, und zwar in dem Weimarer
Band A 878 der „Scatullbelege“ vom Jahre 1738. Diesem
1) Prof. Dr. F. W. H u d i g und Stadtarchivar A. de B u s s y
vorn Gemeemte-Archief in Amsterdam, denen ich für die liebens-
würdige Mühewaltung verbindlichst danke, haben das Taufregister
1711—1766, das „Poorterboek“ 1740—1760, das die Namen der
zugezogenen Gewerbetreibenden enthält, sowie die Trauregister
der Reformierten wie der Katholiken und die Materialsammlung
de Roevers durchforscht, jedoch den Namen Jakob Sang nicht fest-
stellen können. — Ebenso wenig hatten die dankenswerten Be-
mühungen von Prof. Dr. Christian Scherer, dessen Aufsätze
über die Hofspiegel- und Kartonfabrik zu Braunschweig im „Kunst-
wanderer“, November 1926 und Januar 1926 das wertvollste
Material über Johann Heinrich Balthasar Sang enthalten, oder die
von Archivdirektor Dr. Mack vom Stadtarchiv und von Prof.
Dr. Fuhse vom Städtischen Museum zu Braunschweig Erfolg,
da die dortigen Neubürger- und Testgmentbücher den Namen ebenso
wenig enthalten wie das Landeshauptarchiv, in Wolfenbüttel, so daß
die Vermutung Scherers, J. H. B. Sang wäre gar nicht in Braun-
schweig ansässig gewesen, zutreffend sein könnte.
2) Robert Schmidt, Handbuch „Das Glas“, 2. Aufl. (1922) S. 359
(noch unter Braunschweig) und S. 363; sowie dessen „Gläser der
Sammlung Mühsam“.
11 m e n a u e r Glasschneider Sang- konnte man nun in
der evangelischen Stadtkirche von Ilmenau weiter nach-
gehen, wo sich aus dem Taufbuche feststellen ließ, daß
der „Hochfürstlich sächsische Glasschneider Andreas
Friedrich Sange“ (!) mit einer Maria Juliana geb.
Seidler verheiratet war und als Vater von zwei Töch-
tern, nämlich Christiana Juliana Eleonora (geb. 7. No-
vember 1732) und Maria Susanna (geb. 2. Juli 1735), be-
zeichnet wird3). Wir erinnern uns, daß im genannten
Jahre 1738 Johann Gottlieb Crahmer aus Kreibitz in
Nordböhmen Glashüttenfaktor der Spiegelfabrik in
Ilmenau war, derselbe, der vom Herzog Ernst August
von Sachsen-Weimar für eine „veritable Japanische
Porcellain-Fabrique“ gewonnen worden ist4). Sang mag
wohl auch für diese Spiegelfabrik tätig gewesen sein.
Wir kennen allerdings nur vollbe'zeichnete Hohl-
gläser mit seinem Namen, darunter zunächst die beiden
einander nicht gerade sehr nahe stehenden Pokale, die
aus der ehemaligen Sammlung Borchert in Hamburg,
wo ich sie bereits 1903 notierte, in das Kunstgewerbe-
museum von Köln gekommen sind. Der eine dersel-
ben (Abb. 1), schwer mit kegelförmiger Kuppa, zeigt in
tiefer Gravierung ein umlaufendes Traubenfest, auf dem
Faß die Signatur „Sang“ (ohne Vornamen) und auf dem
geschliffenen Nodus die Jahreszahl 1725. Die Halb-
bogengehänge des Lippenrades mit den geperlten Li-
nien sind nicht sonderlich geschickt; auch die Laub-
und Bandelwerk-Felder, in die der Schmuck der Fuß-
platte zerfällt, sind etwas primitiv. Ungleich inter-
essanter ist der andere, auch mit den Initialen der bei-
den Vornamen bezeichnete recht originelle Deckel-
pokal von schlanker Birnform (Abb. 2) mit elliptischem
Querschnitt und Melonenschliff, der vorne durch ein
breites mattiertes Band unterbrochen wird, das sich
auf dem Deckel, der einen Eichelknauf trägt, wie auch
auf der Fußplatte fortsetzt. Und dieses schabracken-
artige Band, ein sonst nicht wiederholter Einfall des
Glasschneiders, zeigt geschickt verteiltes Laub- und
Bandelwerk, das unten das Bacchuskind auf einem Faß
umschließt und oben eine weibliche Büste, die von einer
symmetrischen gekämmten und geperlten Kartusche ein-
geschlossen ist. Gerade dieses Motiv versetzt den Pokal
schon in den Ausklang der Laub- und Bandelwerk-Zeit,
also schon in das Ende der dreißiger Jahre des 18. Jahr-
hunderts.
Der Zeit nach zwischen diesen beiden Pokalen steht
der im Schloß von Dessau bewahrte Flacon-Deckel
eines Pokals (Abb. 3), der wiederum die Initialen un-
seres llmenauer Glasschneiders nebst der Jahreszahl
1729 aufweist (Signatur Abb. 4). Vier Rundmedaillons
3) Diese Feststellung verdanke ich der gütigen Auskunft von
Stadtkirchner Richard Güntzei
4) M. Sauerlandt im der Thüringisch-sächs. Zeitschrift für Ge-
schichte und Kunst (Halle) II. S. 85 (nach Stieda).
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