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/ahrgang 193© 1/2 7unit\c>t<-
fieues übet? ältere Beclinet? Heißet?
von
s
(q. L Ketm
Im Anschluß an die denkwürdige Menzel-Gedächtnis-
Ausstellung des Jahres 1905 in der National-Galerie,
die bald nach dem Tode des Meisters stattfand und
nahezu sein ganzes Lebenswerk umfaßte, konnten fast
alle farbigen Arbeiten des Künstlers in einem großen
wissenschaftlich angelegten Kompendium vereinigt
werden. Die üpferwilligkeit der Besitzer und der
glückliche Zufall, d'aß die meisten Arbeiten Menzels, so-
weit sie nicht bereits in staatlichen Besitz übergegangen
waren, sich noch in einer Hand befanden, haben zum
Gelingen der Veröffentlichung wesentlich beigetragen.
Zusammen mit der bahnbrechenden Arbeit E. Bocks
über Menzels Graphik bildet dieses „Menzel-Werk“
(München 1905) heute das Rückgrat der Menzel-
Forsclnmg.
So ist nicht erstaunlich, daß seit jener Zeit nur
sehr wenige farbige Darstellungen Menzels bekannt ge-
worden sind, die nicht schon damals veröffentlicht
worden wären. Es sind im Ganzen etwa 15 Arbeiten.
Ungeachtet der kleinen Zahl würde es sich lohnen,
sie, mit kritischen Erläuterungen, als Nachtrag zu
dem genannten Werke zu veröffentlichen, aber der Plan
ist solange nicht durchführbar, als sich ein verdienter
Sammler nicht bewegen läßt, die wichtigsten in seinem
Besitz befindlichen unveröffentlichten Schätze weiteren
Kreisen zugänglich zu machen. Es muß somit fürs erste
mit der gelegentlichen Veröffentlichung des einen oder
anderen Stückes sein Bewenden haben.
Die Kenner Menzelscher Kunst werden sich er-
innern, daß sich unter den zahlreichen Modell- und Bild-
nisstudien, die der Meister geschaffen, mehrere Köpfe,
auch Figuren alter Juden befinden, die fast aus-
nahmslos aus den 50er Jahren stammen. Von den in
Oel ausgeführten Arbeiten dieser Art ist ohne Zweifel
die bedeutendste der 1851 gemalte „Rabbi von Bagdad“,
der sich ehemals im Besitz von Marianne Perl befand,
jetzt der Berliner Kunsthandlung Hinrichsen gehört
(Abb. S. 354).
Ein ehrwürdiger Jude, den schwermütigen Blick
auf den Beschauer gerichtet, den kahlen Schädel
eingerahmt von leuchtenden, weißen Locken; Mund und
Kinn umgeben von langem grauen Barthaar. So stellt
sich der „Rabbi“ dem Betrachter vor. Reine Frontalität
der Ansicht gibt der Erscheinung hieratische Würde und
Eindringlichkeit; der Eindruck des priesterlich Feier-
lichen wird noch erhöht durch ein prunkvolles, schwer
über die Schultern herabfallendes Gewand.
Wer ist der Dargestellte? Er ist unbekannt geblie-
ben, aber es steht fest, daß dieser Greis den Künstler
Menzel in ungewöhnlichem Maße gefesselt hat. Mit
wahrer Leidenschaft hat er sich in seine Erscheinung
vertieft. Sehen wir von den Zeichnungen ab, so hat er
ihn, in Oel, gemalt: ln dem eben besprochenen Bilde des
Rabbi, dann, März 1855, im „Alten Juden“ der Bayri-
schen Staatsgalerie, ferner im gleichen Jahr, als sitzen-
den Juden mit dem Pelzmantel, im Bilde der Sammlung
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/ahrgang 193© 1/2 7unit\c>t<-
fieues übet? ältere Beclinet? Heißet?
von
s
(q. L Ketm
Im Anschluß an die denkwürdige Menzel-Gedächtnis-
Ausstellung des Jahres 1905 in der National-Galerie,
die bald nach dem Tode des Meisters stattfand und
nahezu sein ganzes Lebenswerk umfaßte, konnten fast
alle farbigen Arbeiten des Künstlers in einem großen
wissenschaftlich angelegten Kompendium vereinigt
werden. Die üpferwilligkeit der Besitzer und der
glückliche Zufall, d'aß die meisten Arbeiten Menzels, so-
weit sie nicht bereits in staatlichen Besitz übergegangen
waren, sich noch in einer Hand befanden, haben zum
Gelingen der Veröffentlichung wesentlich beigetragen.
Zusammen mit der bahnbrechenden Arbeit E. Bocks
über Menzels Graphik bildet dieses „Menzel-Werk“
(München 1905) heute das Rückgrat der Menzel-
Forsclnmg.
So ist nicht erstaunlich, daß seit jener Zeit nur
sehr wenige farbige Darstellungen Menzels bekannt ge-
worden sind, die nicht schon damals veröffentlicht
worden wären. Es sind im Ganzen etwa 15 Arbeiten.
Ungeachtet der kleinen Zahl würde es sich lohnen,
sie, mit kritischen Erläuterungen, als Nachtrag zu
dem genannten Werke zu veröffentlichen, aber der Plan
ist solange nicht durchführbar, als sich ein verdienter
Sammler nicht bewegen läßt, die wichtigsten in seinem
Besitz befindlichen unveröffentlichten Schätze weiteren
Kreisen zugänglich zu machen. Es muß somit fürs erste
mit der gelegentlichen Veröffentlichung des einen oder
anderen Stückes sein Bewenden haben.
Die Kenner Menzelscher Kunst werden sich er-
innern, daß sich unter den zahlreichen Modell- und Bild-
nisstudien, die der Meister geschaffen, mehrere Köpfe,
auch Figuren alter Juden befinden, die fast aus-
nahmslos aus den 50er Jahren stammen. Von den in
Oel ausgeführten Arbeiten dieser Art ist ohne Zweifel
die bedeutendste der 1851 gemalte „Rabbi von Bagdad“,
der sich ehemals im Besitz von Marianne Perl befand,
jetzt der Berliner Kunsthandlung Hinrichsen gehört
(Abb. S. 354).
Ein ehrwürdiger Jude, den schwermütigen Blick
auf den Beschauer gerichtet, den kahlen Schädel
eingerahmt von leuchtenden, weißen Locken; Mund und
Kinn umgeben von langem grauen Barthaar. So stellt
sich der „Rabbi“ dem Betrachter vor. Reine Frontalität
der Ansicht gibt der Erscheinung hieratische Würde und
Eindringlichkeit; der Eindruck des priesterlich Feier-
lichen wird noch erhöht durch ein prunkvolles, schwer
über die Schultern herabfallendes Gewand.
Wer ist der Dargestellte? Er ist unbekannt geblie-
ben, aber es steht fest, daß dieser Greis den Künstler
Menzel in ungewöhnlichem Maße gefesselt hat. Mit
wahrer Leidenschaft hat er sich in seine Erscheinung
vertieft. Sehen wir von den Zeichnungen ab, so hat er
ihn, in Oel, gemalt: ln dem eben besprochenen Bilde des
Rabbi, dann, März 1855, im „Alten Juden“ der Bayri-
schen Staatsgalerie, ferner im gleichen Jahr, als sitzen-
den Juden mit dem Pelzmantel, im Bilde der Sammlung
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