Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen
— 11./12.1929/30
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https://doi.org/10.11588/diglit.26238#0231
DOI issue:
1./2. Februarheft
DOI article:Tietze, Hans: Heinrich Ehmsens Aquqrelle
DOI article:Zimmermann, Hildegard: Das Vaterländliche Museum in Braunschweig und seine Neuerwerbungen
DOI Page / Citation link:https://doi.org/10.11588/diglit.26238#0231
dem Geschmack schmeichelnden Dekoration wird diese
Freude an der Farbe bei einem Künstler dieses Schlages
allerdings nicht; körperliches und seelisches Dasein be-
halten ihr Recht.
Schwere Leiblichkeit, bisweilen ins Groteske ver-
quollen, gibt den Grundstoff animalischer Existenz;
dumpfe Trägheit steigert sich zur brünstigen Sinnlich-
keit. Spießbürger treiben ihr stundenfüllendes Kugel-
spiel; müßige Badegäste sonnen sich, flanieren, reiben
sich einander; Männer- und Frauenfleisch blüht un-
schuldig wollüstig wie Blumen. Alles ist vegetativ,
naturhaft; ein Glashaus von Pflanzenmenschen.
Jetzt, unter der Nachwirkung des Südens, verän-
dert sich auch der Norden. Das gewohnte Berlin ist
nicht mehr die Arbeitsmaschine, die Verkehrs-
anspannung, die Vergnügungsfabrik; in den Zoo hat sich
ein Stück Ruhe und Natürlichkeit gerettet. Dicke
Philister sitzen auf Bänken, Kindermädchen führen ihre
Schützlinge zu den Käfigen, der Wärter wird Tier unter
Tieren; diese räkeln sich, wühlen in ihrem Fressen,
stinken, leben. Der Künstler entlockt ihnen nicht ihr
menschenähnliches; ihre Animalität bleibt herrschend,
aber nicht dumpf, gefährlich, feindselig, sondern zart
und farbig, Traumbilder, die ein Künstler an einer
Wolkenwand sah. Etwas wie ein stilles Glücksgefühl
von Genesung liegt über ihnen.
Heinrich Ehmsen
Der Angler
Kunstkammer
Wasservogel,
Berlin
Das üatet?ländifcbe jYlufeum in Qvawnfcbvücig und feine
JHeueetueebungen
Don
Hildegard Eimmctimann - Bcaunfcbtüetg
A US den Anregungen einer historischen Ausstellung
* ging Anfang der neunziger Jahre, bereits zu einer
Zeit, als die Begriffe Heimatkunst und Volkskunde-
Museum noch keine schlagwortliche Kraft besaßen, das
„Vaterländische Museum“ in Braun schweig hervor.
Vorzugsweise von privatem Sammeleifer gefördert und
geschätzt, erhielten die Sammlungen dank dem Ent-
gegenkommen der Regierung ein außerordentlich
stimmungsvolles Heim in Kirche und Klosterräumen von
S. Aegidii, denen Teile der dem" Abbruch geweihten
Paulinerkirche angefügt wurden. Reichhaltigkeit und
Vielseitigkeit des Museums haben es heute weit über
örtliche braunschweigische Bedeutung hinaus zum be-
rufenen Zentralmuseum ostfäli scher
Volkskunde und K u 11 u r g e s c h i c h t e sich
entwickeln lassen. Das neue Zielbewußtsein in der
Pflege von Volkskunst und heimatlicher1 Kultur-
geschichte, wie es die letzten Jahre in Tat und Schrift
herausgestellt haben, wirft helles Licht auf die Wichtig-
keit derartiger Sammlungen, in denen zu günstiger Zeit
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Freude an der Farbe bei einem Künstler dieses Schlages
allerdings nicht; körperliches und seelisches Dasein be-
halten ihr Recht.
Schwere Leiblichkeit, bisweilen ins Groteske ver-
quollen, gibt den Grundstoff animalischer Existenz;
dumpfe Trägheit steigert sich zur brünstigen Sinnlich-
keit. Spießbürger treiben ihr stundenfüllendes Kugel-
spiel; müßige Badegäste sonnen sich, flanieren, reiben
sich einander; Männer- und Frauenfleisch blüht un-
schuldig wollüstig wie Blumen. Alles ist vegetativ,
naturhaft; ein Glashaus von Pflanzenmenschen.
Jetzt, unter der Nachwirkung des Südens, verän-
dert sich auch der Norden. Das gewohnte Berlin ist
nicht mehr die Arbeitsmaschine, die Verkehrs-
anspannung, die Vergnügungsfabrik; in den Zoo hat sich
ein Stück Ruhe und Natürlichkeit gerettet. Dicke
Philister sitzen auf Bänken, Kindermädchen führen ihre
Schützlinge zu den Käfigen, der Wärter wird Tier unter
Tieren; diese räkeln sich, wühlen in ihrem Fressen,
stinken, leben. Der Künstler entlockt ihnen nicht ihr
menschenähnliches; ihre Animalität bleibt herrschend,
aber nicht dumpf, gefährlich, feindselig, sondern zart
und farbig, Traumbilder, die ein Künstler an einer
Wolkenwand sah. Etwas wie ein stilles Glücksgefühl
von Genesung liegt über ihnen.
Heinrich Ehmsen
Der Angler
Kunstkammer
Wasservogel,
Berlin
Das üatet?ländifcbe jYlufeum in Qvawnfcbvücig und feine
JHeueetueebungen
Don
Hildegard Eimmctimann - Bcaunfcbtüetg
A US den Anregungen einer historischen Ausstellung
* ging Anfang der neunziger Jahre, bereits zu einer
Zeit, als die Begriffe Heimatkunst und Volkskunde-
Museum noch keine schlagwortliche Kraft besaßen, das
„Vaterländische Museum“ in Braun schweig hervor.
Vorzugsweise von privatem Sammeleifer gefördert und
geschätzt, erhielten die Sammlungen dank dem Ent-
gegenkommen der Regierung ein außerordentlich
stimmungsvolles Heim in Kirche und Klosterräumen von
S. Aegidii, denen Teile der dem" Abbruch geweihten
Paulinerkirche angefügt wurden. Reichhaltigkeit und
Vielseitigkeit des Museums haben es heute weit über
örtliche braunschweigische Bedeutung hinaus zum be-
rufenen Zentralmuseum ostfäli scher
Volkskunde und K u 11 u r g e s c h i c h t e sich
entwickeln lassen. Das neue Zielbewußtsein in der
Pflege von Volkskunst und heimatlicher1 Kultur-
geschichte, wie es die letzten Jahre in Tat und Schrift
herausgestellt haben, wirft helles Licht auf die Wichtig-
keit derartiger Sammlungen, in denen zu günstiger Zeit
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