Wiesen, in vielen Biegungen, vorbei an tiefhängenden Weiden sich
am Horizonte zwischen den grauen Türmen und roten Dächern von
Gent verliert und dort in die Schelde mündet. Sechs Monate im
Jahre gibt es hier, nach einem frischen Frühling und dem üppig
bunten Sommer nichts als das Heulen des Windes, nichts als Regen
und Schlamm, Frost und Schnee. Hier lebt und malt Servaes, malt
den Sommer mit den wogenden Aehren und den silbrigen, grauen
Winter, malt die Gluten der untergehenden Sonne in allen Stufun-
gen der in Meeresfeuchtigkeit sich tränkenden Atmosphäre, Er
sieht und erlebt die Tragik dieses Blühens und Vergehens und über
alles breitet sich ihm die in der Salzluft genährte, tiefe Melancholie,
Derselbe Geist, der seine religiösen Darstellungen durchdringt, lebt
in seinen Landschaftsbildern. Er ist der Landschaftsmaler dieser
Gegend schlechthin. Wer diese Landschaft ganz erlebt, und wie
mancher Deutsche hat sie vier lange Jahre in den flandrischen
Gräben nicht erlebt, der steht gebannt vor diesen Bildern, denn —
das ist Flandern!
Dr. Martin K o n r a d.
Jacob van Ruisdael, 63 X 56 cm. Aus Slg. Vieweg, Braunschweig
Versteigerung am 18. März bei Rud. Lepke, Berlin
taiDcence.
Der 7. Januar in seiner hundertsten Wiederkehr des Todes-
tages von Thomas Lawrence, der von Bristol war und zu London
sein Leben beschloß, gibt Anlaß, dieses englischen Malers zu ge-
denken, der „der erste der Welt“, wie Fürst Metternich ihn nannte,
zeitweise nicht nur Raeburn und Hoppner entthronte, sondern auch
die Sterne von Reynolds und Gainsborough erbleichen ließ.
Seine Frühreife war außerordentlich. Mit fünf Jahren rezi-
tierte er Shakespeare und Milton unter dem Beifall der Klienten
des väterlichen Gasthofs und mit fünf Jahren, man schreibt das
Jahr 1774, zeichnet er schon die Bildnisse von Lord Kenyon und
seiner Gemahlin, die in diesem Gasthof übernachteten; dieser Gast-
hof ist der „Schwarze Bär“ in Devizes, den die Familie nach dem
„Weißen Löwen“ in Bristol gepachtet, und hier umarmt der große
Garrick den kleinen „Tommy“ und sagt; „Nun, kleiner Held, was
willst Du sein, Komödiant oder Maler?“ Auch Hoare, Sekretär der
Royal Academy, kommt nach Devizes und als er einige Talent-
proben des Kindes sieht, erklärt er, daß Tommy sich in der Wie-
dergabe des Blickes auszeichne; diese Befähigung wurde in der
Tat einer der größten Vorzüge der Werke des Thomas Lawrence;
diese „glückliche Gabe“ hat sogar dem wenig zu Lobe geneigten
Fuseli das Bekenntnis abgerungen, daß Lawrence inbezug auf die
Augen es mit Tizian aufnehmen könne. Mit zehn Jahren ist
Thomas in Oxford, wo er für ein bis zwei Guineen Bischöfe und
große Welt zeichnet, dann kommt er nach Bath und arbeitet dort
in dem Atelier von Hoare, dem Vater des Sekretärs der Akademie.
Aus dieser Zeit ist das „Porträt nach Mrs. Siddons“ und das „Pör-
187
am Horizonte zwischen den grauen Türmen und roten Dächern von
Gent verliert und dort in die Schelde mündet. Sechs Monate im
Jahre gibt es hier, nach einem frischen Frühling und dem üppig
bunten Sommer nichts als das Heulen des Windes, nichts als Regen
und Schlamm, Frost und Schnee. Hier lebt und malt Servaes, malt
den Sommer mit den wogenden Aehren und den silbrigen, grauen
Winter, malt die Gluten der untergehenden Sonne in allen Stufun-
gen der in Meeresfeuchtigkeit sich tränkenden Atmosphäre, Er
sieht und erlebt die Tragik dieses Blühens und Vergehens und über
alles breitet sich ihm die in der Salzluft genährte, tiefe Melancholie,
Derselbe Geist, der seine religiösen Darstellungen durchdringt, lebt
in seinen Landschaftsbildern. Er ist der Landschaftsmaler dieser
Gegend schlechthin. Wer diese Landschaft ganz erlebt, und wie
mancher Deutsche hat sie vier lange Jahre in den flandrischen
Gräben nicht erlebt, der steht gebannt vor diesen Bildern, denn —
das ist Flandern!
Dr. Martin K o n r a d.
Jacob van Ruisdael, 63 X 56 cm. Aus Slg. Vieweg, Braunschweig
Versteigerung am 18. März bei Rud. Lepke, Berlin
taiDcence.
Der 7. Januar in seiner hundertsten Wiederkehr des Todes-
tages von Thomas Lawrence, der von Bristol war und zu London
sein Leben beschloß, gibt Anlaß, dieses englischen Malers zu ge-
denken, der „der erste der Welt“, wie Fürst Metternich ihn nannte,
zeitweise nicht nur Raeburn und Hoppner entthronte, sondern auch
die Sterne von Reynolds und Gainsborough erbleichen ließ.
Seine Frühreife war außerordentlich. Mit fünf Jahren rezi-
tierte er Shakespeare und Milton unter dem Beifall der Klienten
des väterlichen Gasthofs und mit fünf Jahren, man schreibt das
Jahr 1774, zeichnet er schon die Bildnisse von Lord Kenyon und
seiner Gemahlin, die in diesem Gasthof übernachteten; dieser Gast-
hof ist der „Schwarze Bär“ in Devizes, den die Familie nach dem
„Weißen Löwen“ in Bristol gepachtet, und hier umarmt der große
Garrick den kleinen „Tommy“ und sagt; „Nun, kleiner Held, was
willst Du sein, Komödiant oder Maler?“ Auch Hoare, Sekretär der
Royal Academy, kommt nach Devizes und als er einige Talent-
proben des Kindes sieht, erklärt er, daß Tommy sich in der Wie-
dergabe des Blickes auszeichne; diese Befähigung wurde in der
Tat einer der größten Vorzüge der Werke des Thomas Lawrence;
diese „glückliche Gabe“ hat sogar dem wenig zu Lobe geneigten
Fuseli das Bekenntnis abgerungen, daß Lawrence inbezug auf die
Augen es mit Tizian aufnehmen könne. Mit zehn Jahren ist
Thomas in Oxford, wo er für ein bis zwei Guineen Bischöfe und
große Welt zeichnet, dann kommt er nach Bath und arbeitet dort
in dem Atelier von Hoare, dem Vater des Sekretärs der Akademie.
Aus dieser Zeit ist das „Porträt nach Mrs. Siddons“ und das „Pör-
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