Det? „falfcbe" Rubens
oon
lÜUbcttn oon Bode f
Im Verlag Hermann Reckendorf, Berlin,
erscheint in diesen Tagen der erste Band von
Bodes Memoiren. Sie führen den Titel „Mein
Leben“. Der zweite Band wird bereits im Mai
ausgegeben werden, der dritte Band in späterer
Zeit. Der erste Band, aus dessen Aushängebogen
wir den nachstehenden Abschnitt wiedergeben, be-
handelt die Zeit bis 1880. Am 1. März jährte sich
zum erstenmal der Todestag des großen Kunst-
kenners und Museumsorganisators, der der treueste
Freund und Mitarbeiter des „Kunstwanderers“ ge-
wesen ist.
\\ /ie wenig wir mit allem, was wir im Laufe von
’ ’ fünf bis sechs Jahren für die Sammlungen getan
hatten, den Dank des großen Publikums ernteten, zeigte
bald darauf der Skandal wegen des „falschen Rubens“,
wenigstens wenn man die Zeitungen als den Ausdruck
der öffentlichen Meinung in Berlin ansehen will. Wir
hatten mit der Sammlung Suermondt eine Anzahl klei-
nerer Bilder erworben, die Suermondt Ende der sech-
ziger Jahre von Graf Schönborn in Wien gekauft hatte,
darunter ein Porträt des jüngeren Hans Holbein und
einen sehr feinen A. van de Velde. Durch den Bruder
unseres Kollegen Lippmann erfuhren wir schon im
Winter 1879/80, daß der Graf Schönborn wieder Geld
nötig habe und daher verkaufslustig sei. Herr von
Lippmann erbot sich, eventuell für uns wegen weiterer
Erwerbungen zu unterhandeln. Ich gab daraufhin ein
Gutachten über die wichtigsten Bilder der Sammlung
ab, von der icli zehn Jahre vorher für mich einen
Katalog gemacht hatte. Besonders empfahl ich das
Gegenstück unseres Holbein-Porträts, den großen
Neptun von Rubens, ein ähnliches umfangreiches Ge-
mälde von Jordaens und ein paar Bilder erster hollän-
discher und vlämischer Kleinmeister, deren Gesamtwert
ich — soviel ich mich erinnere — auf etwa 100 000
Gulden schätzte.
Im Ministerium interessierte sich der damalige
Unterstaatssekretär und spätere Kultusminister von
Goßier lebhaft für den Ankauf, namentlich für die
Erwerbung des Rubens, nachdem er ihn bei meinem
Aufenthalt in Wien selbst kennengelernt hatte. Dagegen
war die Frau Kronprinzessin entschieden gegen den
Ankauf gerade dieses Bildes, weil der Maler EI. von
Angeli sich ihr gegenüber ungünstig darüber geäußert
hatte. Am Kronprinzlichen Hofe machte sich der Ein-
fluß der Maler, die der Kronprinzessin bei ihren Mal-
studien zur Seite standen, gerade in jenen Jahren recht
erschwerend bei unseren Bemühungen um die Vermeh-
rung der Bildersammlung geltend. Neben Angeli, der
durch seinen übermütigen Humor schließlich die Ober-
hand behielt, waren A. von Werner und eine Zeitlang
Lenbach besonders wohl gelitten und einflußreich.
Letzterer hatte kurz vorher die Anschaffung einer alten
Kopie des Zwerges von Velasquez im Prado-Museum,
den sein Wiener Freund, Restaurator und Sammler
Penther, in Spanien gekauft hatte, so energisch bei der
Kronprinzessin als das „schöne Original“ empfohlen,
daß wir das Bild um 20 000 Mark hatten erwerben
müssen. Angeli, der innerlich Lenbach wenig freundlich
gesinnt war, erklärte das Gemälde für einen
„Schmarren“ und stimmte mit der Zeit selbst die Kron-
prinzessin gegen diesen ihren eigensten Kauf um. Sein
Widerspruch gegen den Schönbornschen Rubens ver-
hinderte aber dessen Kauf nicht, sondern verzögerte ihn
nur, obgleich auch icli mich seinen Bedenken anschloß,
nachdem ich das Bild wiedergesehen und genau geprüft
hatte, und nachdem durch ungeschickte und gar zu
offizielle Verhandlungen mit dem Besitzer dessen
Prätensionen in bezug auf den Preis sehr gesteigert
warfen.
Ich hatte nur einen Gesamtkauf empfohlen, schließ-
lich kam aber die Kommission, die zur Prüfung der
Bilder nach Wien geschickt wurde: Direktor Meyer und
der Maler und Sachverständige unserer Galerie, Gustav
Spangenberg, auf den Rubens allein und empfahl ihn zu
einem Preise, zu dem icli den Ankauf sämtlicher Bilder
angeraten hatte. In einer Sitzung der Sachverständigen-
Kommission, der ich nicht angehörte, wurde Ende des
Jahres 1880 die Erwerbung des Bildes einstimmig be-
schlossen. Der Generaldirektor Schoene suchte mich
persönlich auf, um mich zu bestimmen, meine Bedenken
gegen den Kauf fallen zu lassen. Ich mußte ihm aber
erklären, daß mir der Preis für ein frühes, in der
Färbung noch herbes, etwas nüchternes Bild von
Rubens zu hoch erschiene, daß ich daher das Einhandeln
des Holbein, des großen Jordaens u. a. Bilder der Samm-
lung in den Kauf für notwendig hielte. Der Handel war
aber leider schon perfekt, das Bild wurde Anfang
Februar 1881 nach Berlin gebracht, die Zeitungen in
Wien ergingen sich in Schmähungen gegen den Verkäu-
fer und die Wiener Kunsthistoriker unter Professor
von Lützows Führung bereiteten ein Entrüstungs-
meeting vor.
Da kam vom jungen, durch den Kaiserlichen wie
den Kronprinzlichen Hof verhätschelten Direktor der
Akademie Anton von Werner ein kalter Wasserstrahl
in die allgemeine Begeisterung der ersten Tage und der
offiziellen Besucher. Werner erklärte das Bild in einer
Berliner Zeitung für „eine Fälschung“, und zwar für
eine gänzlich wertlose. Es sei ein Skandal, daß ein
Kunsthistoriker wie ich, der von Malerei nichts verstehe,
die Erwerbungen der Galerie leite. In mehreren
Artikeln der „Post“ unterstützte der Redakteur dieser
Zeitung, Dr. Rosenberg, die Angriffe in gleich rück-
sichtsloser Weise und mit derselben Spitze gegen mich.
Sofort war jedermann auf seiten der Angreifer, selbst
die Wiener Weit, die eben noch den „Neptun“ für den
herrlichsten Rubens, den Wien besessen habe, erklärt
hatte. In der Museumsverwaltung und im Ministerium,
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lÜUbcttn oon Bode f
Im Verlag Hermann Reckendorf, Berlin,
erscheint in diesen Tagen der erste Band von
Bodes Memoiren. Sie führen den Titel „Mein
Leben“. Der zweite Band wird bereits im Mai
ausgegeben werden, der dritte Band in späterer
Zeit. Der erste Band, aus dessen Aushängebogen
wir den nachstehenden Abschnitt wiedergeben, be-
handelt die Zeit bis 1880. Am 1. März jährte sich
zum erstenmal der Todestag des großen Kunst-
kenners und Museumsorganisators, der der treueste
Freund und Mitarbeiter des „Kunstwanderers“ ge-
wesen ist.
\\ /ie wenig wir mit allem, was wir im Laufe von
’ ’ fünf bis sechs Jahren für die Sammlungen getan
hatten, den Dank des großen Publikums ernteten, zeigte
bald darauf der Skandal wegen des „falschen Rubens“,
wenigstens wenn man die Zeitungen als den Ausdruck
der öffentlichen Meinung in Berlin ansehen will. Wir
hatten mit der Sammlung Suermondt eine Anzahl klei-
nerer Bilder erworben, die Suermondt Ende der sech-
ziger Jahre von Graf Schönborn in Wien gekauft hatte,
darunter ein Porträt des jüngeren Hans Holbein und
einen sehr feinen A. van de Velde. Durch den Bruder
unseres Kollegen Lippmann erfuhren wir schon im
Winter 1879/80, daß der Graf Schönborn wieder Geld
nötig habe und daher verkaufslustig sei. Herr von
Lippmann erbot sich, eventuell für uns wegen weiterer
Erwerbungen zu unterhandeln. Ich gab daraufhin ein
Gutachten über die wichtigsten Bilder der Sammlung
ab, von der icli zehn Jahre vorher für mich einen
Katalog gemacht hatte. Besonders empfahl ich das
Gegenstück unseres Holbein-Porträts, den großen
Neptun von Rubens, ein ähnliches umfangreiches Ge-
mälde von Jordaens und ein paar Bilder erster hollän-
discher und vlämischer Kleinmeister, deren Gesamtwert
ich — soviel ich mich erinnere — auf etwa 100 000
Gulden schätzte.
Im Ministerium interessierte sich der damalige
Unterstaatssekretär und spätere Kultusminister von
Goßier lebhaft für den Ankauf, namentlich für die
Erwerbung des Rubens, nachdem er ihn bei meinem
Aufenthalt in Wien selbst kennengelernt hatte. Dagegen
war die Frau Kronprinzessin entschieden gegen den
Ankauf gerade dieses Bildes, weil der Maler EI. von
Angeli sich ihr gegenüber ungünstig darüber geäußert
hatte. Am Kronprinzlichen Hofe machte sich der Ein-
fluß der Maler, die der Kronprinzessin bei ihren Mal-
studien zur Seite standen, gerade in jenen Jahren recht
erschwerend bei unseren Bemühungen um die Vermeh-
rung der Bildersammlung geltend. Neben Angeli, der
durch seinen übermütigen Humor schließlich die Ober-
hand behielt, waren A. von Werner und eine Zeitlang
Lenbach besonders wohl gelitten und einflußreich.
Letzterer hatte kurz vorher die Anschaffung einer alten
Kopie des Zwerges von Velasquez im Prado-Museum,
den sein Wiener Freund, Restaurator und Sammler
Penther, in Spanien gekauft hatte, so energisch bei der
Kronprinzessin als das „schöne Original“ empfohlen,
daß wir das Bild um 20 000 Mark hatten erwerben
müssen. Angeli, der innerlich Lenbach wenig freundlich
gesinnt war, erklärte das Gemälde für einen
„Schmarren“ und stimmte mit der Zeit selbst die Kron-
prinzessin gegen diesen ihren eigensten Kauf um. Sein
Widerspruch gegen den Schönbornschen Rubens ver-
hinderte aber dessen Kauf nicht, sondern verzögerte ihn
nur, obgleich auch icli mich seinen Bedenken anschloß,
nachdem ich das Bild wiedergesehen und genau geprüft
hatte, und nachdem durch ungeschickte und gar zu
offizielle Verhandlungen mit dem Besitzer dessen
Prätensionen in bezug auf den Preis sehr gesteigert
warfen.
Ich hatte nur einen Gesamtkauf empfohlen, schließ-
lich kam aber die Kommission, die zur Prüfung der
Bilder nach Wien geschickt wurde: Direktor Meyer und
der Maler und Sachverständige unserer Galerie, Gustav
Spangenberg, auf den Rubens allein und empfahl ihn zu
einem Preise, zu dem icli den Ankauf sämtlicher Bilder
angeraten hatte. In einer Sitzung der Sachverständigen-
Kommission, der ich nicht angehörte, wurde Ende des
Jahres 1880 die Erwerbung des Bildes einstimmig be-
schlossen. Der Generaldirektor Schoene suchte mich
persönlich auf, um mich zu bestimmen, meine Bedenken
gegen den Kauf fallen zu lassen. Ich mußte ihm aber
erklären, daß mir der Preis für ein frühes, in der
Färbung noch herbes, etwas nüchternes Bild von
Rubens zu hoch erschiene, daß ich daher das Einhandeln
des Holbein, des großen Jordaens u. a. Bilder der Samm-
lung in den Kauf für notwendig hielte. Der Handel war
aber leider schon perfekt, das Bild wurde Anfang
Februar 1881 nach Berlin gebracht, die Zeitungen in
Wien ergingen sich in Schmähungen gegen den Verkäu-
fer und die Wiener Kunsthistoriker unter Professor
von Lützows Führung bereiteten ein Entrüstungs-
meeting vor.
Da kam vom jungen, durch den Kaiserlichen wie
den Kronprinzlichen Hof verhätschelten Direktor der
Akademie Anton von Werner ein kalter Wasserstrahl
in die allgemeine Begeisterung der ersten Tage und der
offiziellen Besucher. Werner erklärte das Bild in einer
Berliner Zeitung für „eine Fälschung“, und zwar für
eine gänzlich wertlose. Es sei ein Skandal, daß ein
Kunsthistoriker wie ich, der von Malerei nichts verstehe,
die Erwerbungen der Galerie leite. In mehreren
Artikeln der „Post“ unterstützte der Redakteur dieser
Zeitung, Dr. Rosenberg, die Angriffe in gleich rück-
sichtsloser Weise und mit derselben Spitze gegen mich.
Sofort war jedermann auf seiten der Angreifer, selbst
die Wiener Weit, die eben noch den „Neptun“ für den
herrlichsten Rubens, den Wien besessen habe, erklärt
hatte. In der Museumsverwaltung und im Ministerium,
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