treuem Denken um das Bildnis des abgeschiedenen Delacroix sich
vereinigt haben, und zwar so, daß jede Gestalt in souveräner Unab-
hängigkeit lebend, doch dem Ganzen wunderbar sich einfügt. Der
Schöpfer des Gemäldes hat sich selbst, neben Whistler, in weißen
Hemdärmeln, d'ie Palette in der Hand dargestellt — und unwillkür-
lich wird man an das Porträt des duc de Richmond von van Dyck
erinnert. Auch das so „gefährliche“ Schwarz der Kleider und Haare
ist unsagbar schön getroffen. Dieses tief ergreifende Bild, das ganz
fern von „Emphase“, in ruhigem Licht „gebadet“, gehört zur vor-
trefflichsten Malerei.
„Ich hasse die Bewegungen, die bewegten Szenen, ich möchte
immer Porträts schaffen, eine Figur neben der anderen und so gut
wie möglich die Kopf-, Hand- und. Gewandstudien ausführen“,
schreibt Fantin 1865 an Edwards, dessen Bildnis von Fantin („Mt.
and Mrs. Edwards“) die Londoner National-Galerie „schmückt“.
Und so folgt denn auf „1'Hommage ä Delacroix“-1865 der „Toast“,
von dem aber nur die Köpfe Fantinsi, Whistlers und Vollons blie-
ben; 1870 „Un atelier aux Batignolles“; 1872 „Le coin de fable“;
dann 1878 „La famille Dubourg“, in der er die Familie seiner Frau
Victoria Dubourg meisterhaft darstellt, und schließlich „Autour du
piano“, WO' der Komponist Chabrier vor einigen Intimen impro-
visiert. Das „Atelier aux Batignolles“ zeigt Manet, wie er im
Kreis der Anhänger und Heroen der neuen Ideen, unter ihnen Monet,
Renoir, Zola, Zacharie Astruc malt. Fantin hatte schon 1867 ein
wundervolles Porträt seines Freundes Manet geschaffen, das
„lebendste“, das es gibt, mit dem „chapeau haut de forme“, dem
Stock in beiden Händen und einem Lächeln, in dem Herausforderung
liegt. „La table“ ist dann eine Versammlung der Dichter mit dem
unbeschreiblich schönen „Rimbaud“ und mit Verlaine.
Mit siebzehn Jahren hatte Fantin-Läfour ein Selbstporträt ge-
malt, das er, viele Jahre später, als „frontispice“ für den Katalog
seiner Lithographien von Hediard radierte, und das Problem sei-
nes eigenen Bildes hat ihn sein Leben lang fasziniert, wie es zahl-
reiche Selbstdarstellungen bezeugen. Auch seine Frau, mit der er,
als sie im Louvre nebeneinander kopierten, bekannt geworden war
und die er 1876 zu glücklichster Ehe heimführte, erscheint des öfte-
ren in seinem Oeuvre; so zusammen mit ihrer Schwester Charlotte
in der Lecture, Salon 1870, so als Porträt de Mme. F., Salon 1877.
„Elles me font peur et je ne les comprends pas“ hatte er ln einem
Brief an Edwards (1866) über die Frauen geschrieben und dem-
gemäß war er gewiß mehr Herren- als Damenporträtist.
Fantin begrenzte sich nie auf das Porträt, auch nicht auf die
Porträtgruppen der Versammlungen, die als „conversations“ be-
zeichnet wurden und übrigens mindestens ebenso nahe den Philippe
de Champaigne, Largilliere und Jean-Franc 'de Troy sind, wie den
Venezianern, Flamen, Rembrandt, Franz Hals und van der Heist;
sondern schon zur Zeit des „Hommage ä Delacroix“ hat er mit
allegorischen Kompositionen begonnen, die ihm meist von seiner
GALERIEN
TH AN NHA U S E R
BERLIN LUZERN
BERLIN, BELLEVUESTR. 13
leidenschaftlichen Liebe zur Musik suggeriert wurden; denn seine
Leidenschaft für die großen Meister der Musik war ebenso groß
wie die für die großen Maler und versetzte ihn iiü eine Feenwelt
und gab ihm Träume, die sich in Lithographien oder Malereien über-
setzten. In England!, bei dem Graveur Haden und bei Edwards er-
fuhr er die erste Offenbarung Schumann, der sein erhabener Freund
blieb. Bald aber begeisterte er sich auch für Wagner und im
Jahre 1864, zugleich mit „l’Hommage ä Delacroix“ stellte er im
^alon eine „Scene de Tannhäuser“ aus, die er dann nach London
verkaufte. Nach 1890 hat er überhaupt keine Porträts mehr aus-
gestellt und in der Tat auch keine mehr gemalt. Er schickte nur
noch Werke in den Salon, die hießen: „Tentation de saint Antoine“,
Tänze, Wogen, Parsifal oder Prelude de Lohengrin. Diese Tänze
„Danses“ von 11891 bewahrt das Museum in Pau; das Museum (Fan-
tin Latour-Museum) seiner Heimatstadt Grenoble erhielt von ihm
den „Anniversaire, Hommage ä Berlioz“. Dieses Fantin-Latour-
Museum hat eine prachtvolle Sammlung seines lithographischen
Werkes, welches fast ausschließlich auf diesen Sujets „der reinen
Erfindung“ beruht. Auch vor diesem lithographischen Oeuvre, es
sind malerische Kompositionen von schöner und weicher Helldunkel-
wirkung, steht man in tiefster Bewunderung. Auch auf dem Gebiet
des Stillebens hat er unvergängliche Schönheit geschaffen. Auch
mit dieser Malerei war er von Beginn an vertraut. Diese Horten-
sia in „Coin de table“, welches Motiv der Phantasie bringt sie der
Versammlung der Dichter. Und auch dort, wo das Stilleben bei
Fantin als selbständiges Werk erscheint, ibietet es wahre Wunder.
Und auch in seinen Blumen wie in den Porträts der Herren und
Damen regiert eine ruhige und ernste Intimität.
Es sind jetzt 25 Jahre, als Henri Fantin-Latour in Bure
(Orne) starb.
londonet? KunßCcbau.
Unser Londoner Kunstreferent schreibt uns: Mit
Freude hat man vernommen, daß das Porträt der Frau Francis Lay-
ton, von Marc Gheeraerdts gemalt und von Knoedler für 4200 Pf.
bei Christies erstanden, von dem amerikanischen Händler an einen
englischen Sammler Weiterverkauf! worden ist und daher in Eng-
land verbleibt. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts gemalt,
ist das Bild bis jetzt in der Nachkommenschaft der Frau Layton
geblieben. Eine besondere Note erhielt seine Versteigerung durch
die Tatsache, daß das wundervoll gearbeitete Ueberkleid der Dame,
in dem sie gmalt worden ist, in Wirklichkeit noch mitverkauft
wurde und fast ebensoviel Aufsehen erregte, wie es die Wieder-
gabe auf der Leinewand tat.
Zwei der charakteristischsten englischen Manuskripte aus dem
Mittelalter sind durch die Güte eines anonymen Gönners der Nation
erhalten worden. Es handelt sich um das Bedfonder Stundenbuch
v. J. 1414 und die Luttrell-P'salter v. J. 1340, die als Grundlage für
alle geschichtlichen Werke der damaligen Zeit dienen und deren
Abbildungen jedem Schuljungen Großbritanniens bekannt sind. Die
Luttrell-Psalter, seit ihrem Entstehen in ein und derselben Familie,
-sind durch Vererbung an Frau Alfred Noyes gelangt, die sie aus
der öffentlichen Auktion zurückzog, nachdem von privater Seite
30 000 Guineen dafür bezahlt wurden. Es wird dem Britischen
Museum freigestellt, einen Fonds im Laufe von 12 Monaten für den
Ankauf des Manuskriptes einzurichten, während welcher Zeit es
im Museum verbleibt. Der jetzige Eigentümer verzichtet auf Zin-
sen, will nur die wundervolle, mit hunderten Illustrationen auf
309 Seiten versehene Chronik des englischen Mittelalters vor Ab-
wanderung schützen. Dieselbe Person war es auch, die das Bed-
ford-Stunderbuch, ein Jahrundert später als die Psalter entstanden,
durch die Firma Quaritch für 660000 Mark ersteigern ließ. Auch
hier wird es der Nation überlassen, sich in angemessener Zeit des
im Jahre 14114 für den Bruder Heinrich V. von England, dem Herzog
Johann von Bedford, hergestellten wunderbaren Stundenbuches zu
sichern. Jedenfalls hat der Unbekannte am 29. Juli ein und eine
27
vereinigt haben, und zwar so, daß jede Gestalt in souveräner Unab-
hängigkeit lebend, doch dem Ganzen wunderbar sich einfügt. Der
Schöpfer des Gemäldes hat sich selbst, neben Whistler, in weißen
Hemdärmeln, d'ie Palette in der Hand dargestellt — und unwillkür-
lich wird man an das Porträt des duc de Richmond von van Dyck
erinnert. Auch das so „gefährliche“ Schwarz der Kleider und Haare
ist unsagbar schön getroffen. Dieses tief ergreifende Bild, das ganz
fern von „Emphase“, in ruhigem Licht „gebadet“, gehört zur vor-
trefflichsten Malerei.
„Ich hasse die Bewegungen, die bewegten Szenen, ich möchte
immer Porträts schaffen, eine Figur neben der anderen und so gut
wie möglich die Kopf-, Hand- und. Gewandstudien ausführen“,
schreibt Fantin 1865 an Edwards, dessen Bildnis von Fantin („Mt.
and Mrs. Edwards“) die Londoner National-Galerie „schmückt“.
Und so folgt denn auf „1'Hommage ä Delacroix“-1865 der „Toast“,
von dem aber nur die Köpfe Fantinsi, Whistlers und Vollons blie-
ben; 1870 „Un atelier aux Batignolles“; 1872 „Le coin de fable“;
dann 1878 „La famille Dubourg“, in der er die Familie seiner Frau
Victoria Dubourg meisterhaft darstellt, und schließlich „Autour du
piano“, WO' der Komponist Chabrier vor einigen Intimen impro-
visiert. Das „Atelier aux Batignolles“ zeigt Manet, wie er im
Kreis der Anhänger und Heroen der neuen Ideen, unter ihnen Monet,
Renoir, Zola, Zacharie Astruc malt. Fantin hatte schon 1867 ein
wundervolles Porträt seines Freundes Manet geschaffen, das
„lebendste“, das es gibt, mit dem „chapeau haut de forme“, dem
Stock in beiden Händen und einem Lächeln, in dem Herausforderung
liegt. „La table“ ist dann eine Versammlung der Dichter mit dem
unbeschreiblich schönen „Rimbaud“ und mit Verlaine.
Mit siebzehn Jahren hatte Fantin-Läfour ein Selbstporträt ge-
malt, das er, viele Jahre später, als „frontispice“ für den Katalog
seiner Lithographien von Hediard radierte, und das Problem sei-
nes eigenen Bildes hat ihn sein Leben lang fasziniert, wie es zahl-
reiche Selbstdarstellungen bezeugen. Auch seine Frau, mit der er,
als sie im Louvre nebeneinander kopierten, bekannt geworden war
und die er 1876 zu glücklichster Ehe heimführte, erscheint des öfte-
ren in seinem Oeuvre; so zusammen mit ihrer Schwester Charlotte
in der Lecture, Salon 1870, so als Porträt de Mme. F., Salon 1877.
„Elles me font peur et je ne les comprends pas“ hatte er ln einem
Brief an Edwards (1866) über die Frauen geschrieben und dem-
gemäß war er gewiß mehr Herren- als Damenporträtist.
Fantin begrenzte sich nie auf das Porträt, auch nicht auf die
Porträtgruppen der Versammlungen, die als „conversations“ be-
zeichnet wurden und übrigens mindestens ebenso nahe den Philippe
de Champaigne, Largilliere und Jean-Franc 'de Troy sind, wie den
Venezianern, Flamen, Rembrandt, Franz Hals und van der Heist;
sondern schon zur Zeit des „Hommage ä Delacroix“ hat er mit
allegorischen Kompositionen begonnen, die ihm meist von seiner
GALERIEN
TH AN NHA U S E R
BERLIN LUZERN
BERLIN, BELLEVUESTR. 13
leidenschaftlichen Liebe zur Musik suggeriert wurden; denn seine
Leidenschaft für die großen Meister der Musik war ebenso groß
wie die für die großen Maler und versetzte ihn iiü eine Feenwelt
und gab ihm Träume, die sich in Lithographien oder Malereien über-
setzten. In England!, bei dem Graveur Haden und bei Edwards er-
fuhr er die erste Offenbarung Schumann, der sein erhabener Freund
blieb. Bald aber begeisterte er sich auch für Wagner und im
Jahre 1864, zugleich mit „l’Hommage ä Delacroix“ stellte er im
^alon eine „Scene de Tannhäuser“ aus, die er dann nach London
verkaufte. Nach 1890 hat er überhaupt keine Porträts mehr aus-
gestellt und in der Tat auch keine mehr gemalt. Er schickte nur
noch Werke in den Salon, die hießen: „Tentation de saint Antoine“,
Tänze, Wogen, Parsifal oder Prelude de Lohengrin. Diese Tänze
„Danses“ von 11891 bewahrt das Museum in Pau; das Museum (Fan-
tin Latour-Museum) seiner Heimatstadt Grenoble erhielt von ihm
den „Anniversaire, Hommage ä Berlioz“. Dieses Fantin-Latour-
Museum hat eine prachtvolle Sammlung seines lithographischen
Werkes, welches fast ausschließlich auf diesen Sujets „der reinen
Erfindung“ beruht. Auch vor diesem lithographischen Oeuvre, es
sind malerische Kompositionen von schöner und weicher Helldunkel-
wirkung, steht man in tiefster Bewunderung. Auch auf dem Gebiet
des Stillebens hat er unvergängliche Schönheit geschaffen. Auch
mit dieser Malerei war er von Beginn an vertraut. Diese Horten-
sia in „Coin de table“, welches Motiv der Phantasie bringt sie der
Versammlung der Dichter. Und auch dort, wo das Stilleben bei
Fantin als selbständiges Werk erscheint, ibietet es wahre Wunder.
Und auch in seinen Blumen wie in den Porträts der Herren und
Damen regiert eine ruhige und ernste Intimität.
Es sind jetzt 25 Jahre, als Henri Fantin-Latour in Bure
(Orne) starb.
londonet? KunßCcbau.
Unser Londoner Kunstreferent schreibt uns: Mit
Freude hat man vernommen, daß das Porträt der Frau Francis Lay-
ton, von Marc Gheeraerdts gemalt und von Knoedler für 4200 Pf.
bei Christies erstanden, von dem amerikanischen Händler an einen
englischen Sammler Weiterverkauf! worden ist und daher in Eng-
land verbleibt. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts gemalt,
ist das Bild bis jetzt in der Nachkommenschaft der Frau Layton
geblieben. Eine besondere Note erhielt seine Versteigerung durch
die Tatsache, daß das wundervoll gearbeitete Ueberkleid der Dame,
in dem sie gmalt worden ist, in Wirklichkeit noch mitverkauft
wurde und fast ebensoviel Aufsehen erregte, wie es die Wieder-
gabe auf der Leinewand tat.
Zwei der charakteristischsten englischen Manuskripte aus dem
Mittelalter sind durch die Güte eines anonymen Gönners der Nation
erhalten worden. Es handelt sich um das Bedfonder Stundenbuch
v. J. 1414 und die Luttrell-P'salter v. J. 1340, die als Grundlage für
alle geschichtlichen Werke der damaligen Zeit dienen und deren
Abbildungen jedem Schuljungen Großbritanniens bekannt sind. Die
Luttrell-Psalter, seit ihrem Entstehen in ein und derselben Familie,
-sind durch Vererbung an Frau Alfred Noyes gelangt, die sie aus
der öffentlichen Auktion zurückzog, nachdem von privater Seite
30 000 Guineen dafür bezahlt wurden. Es wird dem Britischen
Museum freigestellt, einen Fonds im Laufe von 12 Monaten für den
Ankauf des Manuskriptes einzurichten, während welcher Zeit es
im Museum verbleibt. Der jetzige Eigentümer verzichtet auf Zin-
sen, will nur die wundervolle, mit hunderten Illustrationen auf
309 Seiten versehene Chronik des englischen Mittelalters vor Ab-
wanderung schützen. Dieselbe Person war es auch, die das Bed-
ford-Stunderbuch, ein Jahrundert später als die Psalter entstanden,
durch die Firma Quaritch für 660000 Mark ersteigern ließ. Auch
hier wird es der Nation überlassen, sich in angemessener Zeit des
im Jahre 14114 für den Bruder Heinrich V. von England, dem Herzog
Johann von Bedford, hergestellten wunderbaren Stundenbuches zu
sichern. Jedenfalls hat der Unbekannte am 29. Juli ein und eine
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