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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 11./​12.1929/​30

DOI Heft:
1./2. Novemberheft
DOI Artikel:
Junius, Wilhelm: Der Meister H. W. von Chemnitz und seine Schule, [2]
DOI Artikel:
Ben Gavriʾel, Mosheh Yaʿaḳov: Das Antlitz der Landschaft: Versuch einer Kunstbetrachtung
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.26238#0113

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Hentschel 1512 datiert und dem Meister H. W. zu-
schreibt, sprechen nicht für die Berechtigung einer
solchen Attribution. Noch mehr aber bestärkt diesen
Zweifel ein Vergleich der Münchener Figur mit dem
gegeißelten Christus in der Chemnitzer Schloßkirche.
Auch Pinder30) lehnt mit Recht die Einordnung der Cal-
bitzer Madonna und des Vesperbildes der Goslarer
Jakobikirche31) in das Oeuvre des Meisters H. W. von
Chemnitz ab.

So bliebe denn noch einer Anregung Feulners und
Wieses nachgehend festzustellen, welche Zusammen-
hänge zwischen den Werken des Böhmen Andreas
Morgenstern und des Meisters H. W. von Chemnitz zu

30) Wilhelm Pinder: Die deutsche Plastik S. 480 u. 421 (Wild-
park/Potsdam 1929).

31) Jahrbuch f. Kunstwissenschaft 1928, S. 124/25.

bestehen scheinen, besonders hinsichtlich der Pseudo-
Renaissance in ihrem Stil.

Der in Budweis ansässige Meister, stilistisch von
Veit Stoß abhängig (im Gegensatz zum Meister H. W.
und Peter Breuer von Zwickau, die der Würzburger
Sphäre Riemenschneiders entstammen), ist ein Künst-
ler von stärkster Eigenart. Zwar ist auch bei ihm der
„sächsische Baumstil“ am ehemaligen Hochaltar in
Zwettel (jetzt Adamsthal in Mähren), wie er in der Zeit
zwischen 1497 und 1525 in Meißen, Pirna, Freiberg,
Annab erg, Chemnitz, Zwickau auftritt — nicht nur an
Skulpturen des Meisters H. W. — zu finden. Aber
Morgensterns spukhafte Phantastik und dämonische
Realistik führt zu Mathias Grünewald und Hieronymus
Bosch, des Meisters H. W. gedämpfte Moll-Kantilene
aber klingt wider in Philipp Otto Runge und dem Zau-
bergarten der Romantik, in dem die zarte „Blaue
Blume“ erblühte.

Figürliche Teekanne
Modell von Kirchner
Meißen, um 1727
Augsburger Hausmalerei

Slg. Freiherr v. Born,
Budapest
Versteigerung
am 4. und 5. Dezember
bei Rud. Lepke, Berlin

Das Antlitz dev land(cbaft

Deefucb einet? Kun(tbetracblung
Don

M- y* BensGaotuel — lemCalem

jie heroische Erhabenheit der Landschaft Jerusa-
lems, die in ihrer strengen Geschlossenheit und
hart-nackigen Entschiedenheit ein Gleichnis ist für die
Geschichte des Volkes, das hier seinen historischen
Augenblick erlebte, macht ein großes und fundamentales
Schöpfungsgesetz klar: die seelische Beschaffenheit
eines Individuums und eines Volkes ist mit der
Beschaffenheit der Landschaft aufs engste verknüpft.
Das Antlitz — der Schauplatz der seelischen Ereig-

nisse — ist dem Stilgesetz der Landschaft unterworfen
und ihr artgleich. Die Bergwüste Yehudah um Jerusa-
lem ist das Gebiet der mühseligen Steinterrassen und
Landschaft der Adler zugleich, Schauplatz einer völlig
verwandelten Optik und gleichzeitig Raum einer
Akustik, die jedes Geräusch augenblicklich in die er-
schütternde Stille ihrer Einsamkeit verschlingt, sie ist die
Landschaft der mühseigen und unendlich zähen Arbeit,
der Menschen mit dem unverwandt in die Zukunft ge-

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