zwangsläufig führen muß, und Routine und Virtuosität
das Ausdrucksnotwendige überspannen und überstei-
gern, darf nicht wundernehmen, ist ihm doch auch der
Meister H. W. und viele seiner zeitgenössischen Zunft-
genossen in manchen Altarswerken skurrilen Stils darin
ähnlich. Die Ueberfülle knittriger Gewandfalten, die
mehrfachen Umschläge von Kopftüchern und Gesichts-
schleiern spiegeln gewissermaßen, gleich der anatomi-
schen Struktur und der leidenden Physiognomie, den
Geist einer fiebrig erregten und innerlich zerwühlten
Zeit wieder. Wenn man nicht überhaupt diese Stilver-
witderung und barocke Entartungsphase als typisch für
alle zur Neige gehenden Stilepochen anselien will, wo
dann Begriffsverwechslung und Gefühlsverwirrung der
Mentalität den beherrschten Stil des Kunstwerkes in
Phantastik und Manier verwandeln.
Sine ptaxman = Srinnecung
non
Roland Jaegev
|—< iir John Flaxman, der durch seine Illustrationen zur
* „Ilias“ und „Odyssee“ weltberühmt wurde, war
lange Jahre das Zeichnen und Modellieren von Ent-
würfen für die Wedgwood’sche Manufaktur die
Hauptbeschäftigung gewesen. Hs war eine glückliche
Verbindung für beide Teile. Einerseits ist der künst-
lerische Aufschwung, den die Potteries damals nahmen,
zweifellos nicht zum kleinsten Teile Flaxman zu ver-
Goldring mit Diamanten und Jaspercameo. Oberstück 14,5 : 21 mm
Berliner Privatbesitz
danken. Dann aber will es uns heute auch scheinen,
diese Arbeit sei dem Wesen des Künstlers besonders
gemäß gewesen und er habe in den kleinen Werken eine
Vollendung erreicht, die ihm bei der Großplastik ver-
sagt bleiben mußte, welche seiner Eigenart (und sei-
nem schwächlichen Körper) weniger entsprach; außer-
dem hat die Unbefangenheit gegenüber der Antike, die
Flaxman in dieser Epoche vor seiner Italienreise zeigte,
ihren eigenen Reiz.
Josiah Wedgwood hat dem jungen Mann, den sein
Partner Bentley 1775 für Etruria engagiert hatte, an-
fänglich mit dem Mißtrauen gegenüberstanden, das
Aeltere und Erfahrene gegen Wunderkinder — Flaxman
hatte mit 12 Jahren begonnen auszustellen und mit 15
Jahren die Silberne Medaille der Akademie be-
kommen — zu haben pflegen. Aber er mußte sich bald
überzeugen, daß der Zwanzigjährige wirklich mehr
konnte als seine anderen Modelleure, und er war viel zu
gerecht, um sich von irgendwelcher Eifersucht gegen
den Jüngeren leiten zu lassen. Vielmehr wurde
Wedgwood Flaxmans begeisterter Freund und Gönner,
und über ein Jahrzehnt lang lieferte dieser die vorzüg-
lichsten Modelle zu jenen Vasen, Plaketten und Relief-
platten, die teils mehr oder minder freie Uebersetzungen
antiker Vorbilder, teils neue Kompositionen in antiki-
schem Geist, die hohe Wertschätzung aller feinsinnigen,
von Winkelmanns Ideen erfüllten Liebhaber des Alter-
tums in ganz Europa genossen. Als schließlich das enge
Zusammenarbeiten ein Ende fand und Flaxman 1787 in
Goldring mit Diamanten und Jaspercameo. Innenseite
Berliner Privatbesitz
Begleitung seiner Frau — er hatte 1782 Ann Denman
geheiratet — zu mehrjährigem Aufenthalt nach Italien
ging, da war es wieder Wedgwood, der diese Reise
unterstützte, wogegen Flaxman auch in der Ferne man-
cherlei für Wedgwood zeichnete und modellierte, sowie
Arbeiten, die römische Bildhauer für diesen ausführ-
ten, an Ort und Stelle überwachte.
Bei den geschilderten Verhältnissen dürfte es wohl
sicher sein, daß der beifolgend abgebildete Ring mit der
Widmung „Josiah Wedgwood to his ed fd I. Flexman
1786“, der einer Berliner Privatsammlung angehört, tat-
sächlich ein Geschenk an John Flaxman ist. Der Ring
hat einen schmalen, flachen Goldreif, der sich an der
Schulter spaltet, wobei die Gabelung mit einer Blume
aus kleinen, in Silber gefaßten Diamanten gefüllt ist.
Das länglich-achteckige Oberstück, auf dessen Innen-
seite die oben erwähnte Widmung eingraviert ist, ent-
hält innerhalb eines Rahmens von Brillanten einen weiß-
auf-hellblauen Cameo in Jasper-ware, jenem Material,
das auch nach seinem Erfinder und Fabrikanten
Wedgwood benannt wird. Die feinsten der in den
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das Ausdrucksnotwendige überspannen und überstei-
gern, darf nicht wundernehmen, ist ihm doch auch der
Meister H. W. und viele seiner zeitgenössischen Zunft-
genossen in manchen Altarswerken skurrilen Stils darin
ähnlich. Die Ueberfülle knittriger Gewandfalten, die
mehrfachen Umschläge von Kopftüchern und Gesichts-
schleiern spiegeln gewissermaßen, gleich der anatomi-
schen Struktur und der leidenden Physiognomie, den
Geist einer fiebrig erregten und innerlich zerwühlten
Zeit wieder. Wenn man nicht überhaupt diese Stilver-
witderung und barocke Entartungsphase als typisch für
alle zur Neige gehenden Stilepochen anselien will, wo
dann Begriffsverwechslung und Gefühlsverwirrung der
Mentalität den beherrschten Stil des Kunstwerkes in
Phantastik und Manier verwandeln.
Sine ptaxman = Srinnecung
non
Roland Jaegev
|—< iir John Flaxman, der durch seine Illustrationen zur
* „Ilias“ und „Odyssee“ weltberühmt wurde, war
lange Jahre das Zeichnen und Modellieren von Ent-
würfen für die Wedgwood’sche Manufaktur die
Hauptbeschäftigung gewesen. Hs war eine glückliche
Verbindung für beide Teile. Einerseits ist der künst-
lerische Aufschwung, den die Potteries damals nahmen,
zweifellos nicht zum kleinsten Teile Flaxman zu ver-
Goldring mit Diamanten und Jaspercameo. Oberstück 14,5 : 21 mm
Berliner Privatbesitz
danken. Dann aber will es uns heute auch scheinen,
diese Arbeit sei dem Wesen des Künstlers besonders
gemäß gewesen und er habe in den kleinen Werken eine
Vollendung erreicht, die ihm bei der Großplastik ver-
sagt bleiben mußte, welche seiner Eigenart (und sei-
nem schwächlichen Körper) weniger entsprach; außer-
dem hat die Unbefangenheit gegenüber der Antike, die
Flaxman in dieser Epoche vor seiner Italienreise zeigte,
ihren eigenen Reiz.
Josiah Wedgwood hat dem jungen Mann, den sein
Partner Bentley 1775 für Etruria engagiert hatte, an-
fänglich mit dem Mißtrauen gegenüberstanden, das
Aeltere und Erfahrene gegen Wunderkinder — Flaxman
hatte mit 12 Jahren begonnen auszustellen und mit 15
Jahren die Silberne Medaille der Akademie be-
kommen — zu haben pflegen. Aber er mußte sich bald
überzeugen, daß der Zwanzigjährige wirklich mehr
konnte als seine anderen Modelleure, und er war viel zu
gerecht, um sich von irgendwelcher Eifersucht gegen
den Jüngeren leiten zu lassen. Vielmehr wurde
Wedgwood Flaxmans begeisterter Freund und Gönner,
und über ein Jahrzehnt lang lieferte dieser die vorzüg-
lichsten Modelle zu jenen Vasen, Plaketten und Relief-
platten, die teils mehr oder minder freie Uebersetzungen
antiker Vorbilder, teils neue Kompositionen in antiki-
schem Geist, die hohe Wertschätzung aller feinsinnigen,
von Winkelmanns Ideen erfüllten Liebhaber des Alter-
tums in ganz Europa genossen. Als schließlich das enge
Zusammenarbeiten ein Ende fand und Flaxman 1787 in
Goldring mit Diamanten und Jaspercameo. Innenseite
Berliner Privatbesitz
Begleitung seiner Frau — er hatte 1782 Ann Denman
geheiratet — zu mehrjährigem Aufenthalt nach Italien
ging, da war es wieder Wedgwood, der diese Reise
unterstützte, wogegen Flaxman auch in der Ferne man-
cherlei für Wedgwood zeichnete und modellierte, sowie
Arbeiten, die römische Bildhauer für diesen ausführ-
ten, an Ort und Stelle überwachte.
Bei den geschilderten Verhältnissen dürfte es wohl
sicher sein, daß der beifolgend abgebildete Ring mit der
Widmung „Josiah Wedgwood to his ed fd I. Flexman
1786“, der einer Berliner Privatsammlung angehört, tat-
sächlich ein Geschenk an John Flaxman ist. Der Ring
hat einen schmalen, flachen Goldreif, der sich an der
Schulter spaltet, wobei die Gabelung mit einer Blume
aus kleinen, in Silber gefaßten Diamanten gefüllt ist.
Das länglich-achteckige Oberstück, auf dessen Innen-
seite die oben erwähnte Widmung eingraviert ist, ent-
hält innerhalb eines Rahmens von Brillanten einen weiß-
auf-hellblauen Cameo in Jasper-ware, jenem Material,
das auch nach seinem Erfinder und Fabrikanten
Wedgwood benannt wird. Die feinsten der in den
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