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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 11./​12.1929/​30

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1./2. Juliheft
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Pazaurek, Gustav Edmund: Die Glasschneiderfamilie Sang, [1]: eine Untersuchung
DOI article:
Friedrich, Paul: Das Problem der Kunstkrise der Gegenwart
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https://doi.org/10.11588/diglit.26238#0404

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u li r10) von 1754 und 1755 aus dem Schloß Hedwigs-
burg bei Wolfenbüttel, die durch das Kunstauktions-
haus Emil Richter in Dresden (Versteigerung vom 7. No-
vember 1927, Nr. 827), in das Landesgewerbemuseum
von Stuttgart kam. Man mag die allseitige In-
krustation großer Möbelstücke mit vielen verspiegelten
Glasplatten aller Art vom Materialstandpunkt nicht ge-
rade als Ideal bezeichnen, zumal das Glas namentlich
bei jeder Ortsveränderung nur zu leicht Sprünge be-
kommt oder zum Teile abfällt, wie wir dies schon von
den natürlich lange nicht so komplizierten sogenannten
venezianischen Spiegelrahmen zur Genüge kennen. Und
tatsächlich haben beide Stücke trotz der sorgfältigsten
Behandlung, die ihnen zuteil wurde, verschiedene Be-
schädigungen erfahren müssen. Daß es sich aber nicht
nur um stark in die Augen fallende Reklame- und Re-
nommierstücke gerade einer fürstlichen Spiegelfabrik,
sondern ebenso um imposante Prunkmöbel handelt, de-
ren gewaltige Effekte kaum durch Silber hätten über-
boten werden können, wird man ebenfalls zugeben
müssen. Eine Arbeit von je rund zwei Jahren war nur
für den Schliff und Schnitt erforderlich, und mit einem
gewissen Stolz sind beide Objekte mehrfach signiert.
Der Braunschweiger Schrank (Abb. 7) trägt viermal
den Namen Sang 1751 und einmal den Namen des
Fabrikpächters Körblin 1752, der nicht nur die einzel-
nen Teile zusammengebaut haben mochte, sondern
vielleicht auch schon den Gesamtplan dieses Prunk-
möbels geliefert hatte, was nicht ganz leicht war, da
der soeben aufkommende wilde deutsche Rokoko-Stil
nur im Ornament und höchstens im Aufsatz zur Geltung
kommen konnte, aber kühne Bauchungen, Schweifungen
oder auch nur Begrenzungen der Glasplatten ausschlie-
ßen mußte, wenn die Kosten nicht geradezu phantastisch
werden sollten.

10) Abb. der ganzen Uhr in den „Bau- und Kunstdenkrhälern
des Kreises Woilfenbiittel“, II. Abt. (1906) S. 52/53 und im „Kunst-
wanderer“, Januar 1926, S. 184.

Trotzdem verging immerhin eine erhebliche Zeit,
bevor man sich zu dem zweiten Prunkstück, wieder für
den gleichen herzoglichen Fabriksherren, Carl von
Braunschweig, entschloß. Die jetzt in Stuttgart befind-
liche Prunkuhr (Abb. 8) mag auch noch nach Angaben
Körbleins in Angriff genommen worden sein, der jedoch
deren Fertigstellung nicht mehr erlebte. Man merkt es
diesem Stück an, daß es trotz des komplizierten Uhr-
lind Spielwerks von 1. R. Fischer in Cöthen nicht so
teuer werden durfte wie der Schrank. Daher sind auch
sicher nicht alle Platten, deren Rohglas die Grünen-
planer Spiegelhütte geliefert hatte, von Sang selbst ge-
schnitten, obwohl er die Hauptplatten doch niemandem
sonst anvertraute, so namentlich das geradezu ent-
zückende größte Stück unterhalb des Zifferblattkastens
mit dem in der Landschaft sitzenden Liebespaar. Aber
nicht nur dieses trägt eine Signatur, sondern auch die
anderen kleineren Platten mit figuralen Motiven, nament-
lich. die etwas steif gehaltenen Engel (Abb. 9 u. 10); doch
auch hier ist die Komposition schwungvoll. Dann kommen
aber ganze Partien am Uhreukasten und namentlich am
Sockelteil, für die Sang gewiß nicht verantwortlich ge-
macht werden kann. Es ist nicht mehr Rädchenschnitt,
sondern ziemlich derbe Schleif- und Kugelarbeit, die
namentlich durch die Hinterlegung wirkt. Der Effekt ist
hier dadurch erzielt, daß der Schnitt nicht nachträglich
auf der Rückseite mit gleichmäßiger Zinnfolie bedeckt
erscheint, sondern daß überall weiße und gelbe Verspie-
gelung die teils matten teils blank polierten Ornamente
verstärkt, dazu aber noch ein schwarzer Untergrund
den Schnitt und Schliff kraftvoll heraushebt. Die Schleif-
arbeit mag vom Schleifer der Spiegelglasfabrik Johann
Carl Dietrich Bestmann, der damals —- nach Scherers
Feststellungen — dort tätig war, herrühren; aber die
allgemeinen Risse hierfür werden wohl doch auf J. H.
B. Sang zurückgehen, wenn dieser auch nicht die ganze
Zeit in Braunschweig gelebt haben muß, zumal ja die
Zusammenmontierung jedenfalls nicht von ihm, sondern
durch die Fabrik selbst besorgt worden sein wird. —

(Fortsetzung folgt.)

Das Problem dev Kunßküife dev Gegenwavt

von

Paul ftuedtud)

Der Menschheit Würde ist in Eure Hand gegeben,
Bewahret sie!

Sie sinkt mit Euch, mit Euch wird sie sich heben.

Schiller, Die Künstler.

A ls ich am Tag der Vorbesichtigung die Räume des
* *• Schlosses Bellevue verließ, sagte ich mir: Es lohnt
sich nicht mehr. „Finis Poloniae!“ Ich war leer,
müde, grenzenlos gelangweilt. Diese „Große Berliner
1930“ war nur das „Tüpferl auf dem i“, die definitive
Bestätigug, daß so Schluß ist. Aber ich konnte mich

irren, konnte doch persönlich irgendwie „verrutscht“
sein.

Nun las ich die Kritik Dr. I^aul Fechters in der
„D.A.Z.“ und mit etwas freundlicheren Worten aber
gleicher grenzenloser Enttäuschung das gleiche Ergeb-
nis. „So wie jetzt, geht es nämlich nicht mehr weiter.“
Dr. Fechter ist ehrlich gering, sich zu fragen, ob cs nur
daran liegt, daß er seit zwanzig Jahren unendlich viel
solcher Ausstellungen gesehen und besprochen hat und

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