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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 11./​12.1929/​30

DOI Heft:
1./2. Dezemberheft
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Weidler, Charlotte: Christian Rohlfs: zu seinem achtzigsten Geburtstage
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https://doi.org/10.11588/diglit.26238#0140

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Chvißian Roblfs

Eu feinem acbtsiglfen Geburtstage
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Welten umfaßt Leben und Schaffen eines Künstlers
^ eine so große Entwicklungsspanne wie das des
jetzt achtzigjährigen, aber wunderbar jungen Christian
Rohlfs. Dieser junge Mann von achtzig Jahren, Führer
und Bahnbrecher modernen Gestaltens, einer der
charakteristischsten Vertreter der „jungen Kunst“, be-
wahrte sich bis in ein Alter hinein, in dem andere aus-
ruhen, Sensibilität und Erlebnisfähigkeit für Landschaft,
Blumen und Menschen. Darüber hinaus aber noch wun-
derbarerweise die Kraft zu eigenwilligem, schöpfe-
rischem Gestalten.

Der am 22. Dezember zu Niendorf in Holstein
geborene Rohlfs entstammt einer alten Bauernfamilie.
Jahrzehntelang hemmte große Armut seine Arbeit.

Rohlfs begann in dem Weimar der siebziger Jahre.
Der Einfluß der Schule von Barbizon war an der Aka-
demie vorherrschend. Der Kritiker Ludwig Pietsch
hatte den jungen Rohlfs, dessen Arbeiten ihn sehr inter-
essierten, an Karl Buchholtz und Theodor Hagen
empfohlen. Den stärksten Eindruck von Rohlfs Stil
der Weimarer Zeit vermitteln die ausgezeichneten Bil-
der in den Museen von Weimar und Erfurt. Besonders
Weimar besitzt zahlreiche gut gekonnte, handwerklich
ausgezeichnete Arbeiten der ersten Stilepoche. Da ist
die „Buchfahrter Brücke“ mit herrlich roten Tönen, der
„wilde Graben“, die „Studie mit den Birken“, ein
Meisterwerk die „Brücke in Weimar“. Ein Werk, das
in seiner Zartheit und in seinen malerisch reichen Mitteln
bereits weit über die Weimarer Barbizon-Tradition hin-
ausgewachsen ist und bereits Charakteristisches, das

Christian Rohlfs, Weimar 1877. Leinwand 87 : 100 cm
Aus dem Besitz der Galerie Ferdinand Möller, Berlin

noch zehn Jahre zum Ausreifen brauchte, um gewalt-
sam durchzubrechen, in sich birgt. Es sind Bilder, die uns
in ihrer Geschlossenheit und Reife altmeisterlich anmu-
ten, und die von Jahr zu Jahr mehr zusammenwachsen
und größer werden. Die Arbeiten der Frühzeit sind im
Gegensatz zu seinen späteren, gelockerten, sehr fest
Umrissen in der Farbgebung und zeigen die Tendenz zu
klarem, konstruktivem Aufbau. Rohlfs befreit sich früh-
zeitig von der in Weimar üblichen allzu ängstlichen Be-
tonung des Zeichnerischen. Ihm liegt breite, pastose
Malweise mehr.

In Hagen, bei dem Sammler Osthaus, sieht Rohlfs
1897 einige Bilder Claude Monets. Sie sind ihm eine
gewaltige Offenbarung. Eine neue Welt tut sich ihm
auf: Beherrschung des Lichtes und der Farbe. Impres-
sionistische Probleme, wie sie der Franzose formt und
ausspricht, werden aber bald überwunden. Rohlfs löst
sich nicht nur gänzlich los von Tradition und Schule,
sondern er wandelt auch neue Anregung und Vorbild in
typisch nordischen Ausdruck. Er erkennt ihm eigene
Gesetze, sein Sehen und sein Gestalten. Jäh erwachte
Freude am Experimentieren nimmt ständig zu.

Es wandelt sich sein Verhältnis zur Natur. Erschien
früher die Architektur seiner Landschaften streng, be-
tont konstruktiv, so werden die späteren Formulierun-
gen merklich lockerer, leichter, schwingender. Alle
Materie löst sich auf in einen Traum von märchenhafter
Koloristik. Die Materie, das Stoffliche gibt nur noch die
Anregung, wird dann unwichtig, löst sich auf und kehrt
vergeistigt wieder. Das Gegenständliche tritt gegen-
über den neuen Farbproblcmen zurück.

War in den Bildern der Weimarer Zeit die Farbe
verhalten, gedämpft, so bricht sie jetzt klar und befreit
durch. Mit kräftigen Pinselstrichen trägt Rohlfs sie
rein und unvermischt auf. Wohlklang und Zauber sei-
ner Palette sprechen aus Kirchen und Türmen der
Soester Bilder. Das tiefe Rot des alten Gemäuers, die
duftige Wiedergabe leicht angedeuteter Bäume in zar-
testem Grün, überrieseln vibrierende Farbströme, in
denen immer wieder ein leicht phosphorisierendes Gelb
auftaucht. Wie kein anderer vermittelt Rohlfs die
legendäre Märchenstimmung dieser alten Kirchen mit
ihren köstlichen Glasfenstern.

Dem Weimarer Großherzog paßt die „neue Rich-
tung“ ganz und gar nicht. Impressionismus ist ihm ein
Greuel. „Solche Leute kann ich an meiner Akademie
nicht brauchen!“ und damit droht er mit Entziehung des
dringend notwendigen Freiateliers.

Kurz danach — 1902 — beruft Osthaus den dre'i-
undfünfzigjährigen nach Hagen, gibt ihm Atelier und
Arbeitsmöglichkeit. In Hagen lebt Rohlfs noch heute.

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