Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 11./​12.1929/​30

DOI Heft:
1./2. Januarheft
DOI Artikel:
Peter, Kurt von: Lawrence
DOI Artikel:
Uhren-Fälschungen: Erinnerungen an Carl Marfels
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26238#0198

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
trät von Qeorgiana Spencer“ besonders bemerkenswert. Schon
von Beginn an ist ihm die Verve der ersten Impression, das schnelle
Zeichnen in großen Zügen „vertraut“. Und schon in Bath „streitet
man sich“ um seine Zweifarbenzeichnungen. 1787 läßt er sich in
London nieder, und sehr bald malt er das Bild der „Miß Farren“,
späteren Gräfin Derby, bei Pierpont Morgan; in bizarrer Laune
stellt er die reizende Schauspielerin in weißem Satinkleid mit Muff
und unbekleideten Armen durch die Landschaft schreitend dar,
und mit diesem Bild, eine vortrefflich gemalte Paradoxie, ist er die
Sensation des Salons von 1790, der Liebling Londons, insbesondere
der Damen. Nur Van Loo hatte einige Zeit zuvor eine solche
Woge der Gunst erfahren. Wie vor einem Theater stauen sich
die Equipagen vor seiner Tür. Jeder Tag bringt neue Triumphe.
Der Souverän beteiligt sich am Enthusiasmus. Georg III., der
ernste, beinahe traurige Georg III., begeistert sich wie die anderen
an der brillanten mondänen Malerei: an der Malerei von Thomas
Lawrence. Durch das große Wohlwollen des Königs überspringt
er das Reglement der Akademie, das ein Alter von 24 Jahren vor-
schreibt, und ist schon 1791 Mitglied der Körperschaft. Und als
Reynolds stirbt, wird, unter Außerachtlassung der Bejahrtheit und
der großen Verdienste von Hoppner, Lawrence, der eben noch unbe-
kannte und sehr jugendliche Th. Lawrence Maler des Königs. Er
malt Walter Scott, Cooper und Davy, die Poesie und die Wissen-
schaft, er malt Lord Grey, Lord Aberdeen, Canning und Pitt, die
Aristokratie und das Parlament, Mistriß Siddons, die Gräfin von
Charlemont, die Herzogin von Devonshire, die Königinnen der
Theater und der Salons. Sein Ruhm dringt „bis zu den Wolken“
und „über das Meer“, er wird der Porträtist aller Notabilitäten,
aller gekrönten Häupter Europas; wie ein künstlerischer Bevoll-
mächtigter thront er auf dem Kongreß von Aachen, verlegt er
seine Staffelei in die Pracht der Wiener Hofburg. Er und Isabey
und Gerard konterfeien die ganze internationale Welt des „Wiener
Kongresses“; in Wien malt er Erzherzog Karl, Schwarzenberg,
Friedrich von Gentz für die Waterloo-Galerie in Windsor, malt er
das berühmte, vortreffliche Bild „Kaiser Franz II.“ vor roter
Draperie; Georg IV. adelt ihn, billigt durchaus seine Erhebung zum
Präsidenten der Akademie als Nachfolger von Benjamin West und
findet ein wiederholtes Vergnügen daran, von ihm gemalt zu wer-
den (Windsor, Vatikan). Für die graziöse, nicht robuste Art von
Lawrence war eine Aktivität übermäßig und erdrückend, die sein
Biograph D. E. Williams (London 1831) deutlich charakterisiert,
indem er die Zahl 516 fiir die Porträts nennt, die der Künstler in
seinen letzten Jahrzehnten geschaffen, Historienbilder — wie
Hamlet vor Yoricks Schädel (National Gallery) — nicht einbezo-

gen; seine Preise stiegen zuweilen bis zu der enormen Summe
von 700 Guineen. (Aus Wien schrieb er an seine Nichte: „Ich bin
so müde, daß das Erheben der Feder mir fast als Sache der Un-
möglichkeit erscheint.“) 1825 war er sehr gealtert und stirbt 1830,
auf die Verse, die Campbell auf seinen Freund Flaxmqn gedichtet
hatte, horchend. Flaxmans „Michelangelo“ und „Raphael“ zierten
sein Heim. Man denkt an Lawrence nicht nur als an den Maler
der „Repräsentationen“ sowie des raffinierten Charmes der Lady,
sondern insbesondere auch an den Darsteller der Grazie des Kin-
des, der junge rot gekleidete „Master Lambton“ und die Kinder
des Georges Dor unter dem Namen „Natur“ sind zwei vorzügliche
Proben seiner Kunst. Er ruht in Sanct-Paul, zur Seite
von Reynolds.

Es dürfte von Interesse sein, an die Reise des jungen Amerling
zu Lawrence zu erinnern, die 1827 (bis März 1828) erfolgte. Amer-
lings Freund und Biograph Frankl erzählt, daß der junge Oester-
reicher von seinem ersten Besuch bei dem weltbekannten und von
ihm vergötterten Meister äußerte: „Beim jüngsten Gericht kann
eine arme Seel’ nicht mehr zittern und auf das Urteil des gött-
lichen Richters warten, wie ich damals“; daß aber Lawrence, nach-
dem er einige seiner Skizzen betrachtet, ihn ermutigte und so zu-
gunsten der künstlerischen Hoffnungen des Jünglings das entschei-
dende „Ja“ sprach. Lawrence übte nur eine geringe Lehrtätigkeit
aus (A. Sutherland Gower, Lawrence) und so riet er Amerling an
der Akademie seine Studien fortzusetzen, doch zeigte er ihm bei
wiederholten Besuchen einzelne Stücke seiner reichen Kunstschätze
in seinem Hause am Rüssel Square (er besaß insbesondere eine
Sammlung von Handzeichnungen alter Meister und eine Gemälde-
galerie). Das Atelier von Lawrence hat Amerling wohl betreten,
doch konnte er den Meister nicht beim Malen beobachten, „da die-
ser nach den ersten genommenen Umrissen und einigen charakte-
ristischen Kennzeichen bei der Vollendung seiner Porträts stets
allein zu arbeiten pflegte“ (Ridlers Archiv, Wien 1832, S. 594). Die
Wahlverwandtschaft des jungen „Eleven der Malerakademie“ mit
dem gefeierten Porträtmaler Europas kommt wohl am deutlich-
sten in den Porträts zum Ausdruck, die Amerling, nach Wien zu-
rückgekehrt, hernach malte. Die ähnliche Eleganz im Vortrag, die
Aehnlichkeit im Kolorit, die mit Lawrence gemeinsame Bevor-
zugung von „stofflichen“ (nicht „psychologischen“) Momenten ist
unverkennbar. Wenn auch bei Amerling später vieles aus dem
Englischen in das Wienerische „übersetzt“ war, so hat er doch
die Grundelemente von Lawrence, nicht zum mindesten: seine Mal-
kultur in hohem Grade beibehalten.

Kurt von Peter.

Uf)ren c fälfcbungen.

etn'nneeungen an Cant ]Mat>fels.

Zum Hinscheiden des hervorragenden deutschen Uhrensamm-
lers Carl M a r f e 1 s , dessen zweite Sammlung kürzlich bei
Helbing in Frankfurt a. M. versteigert wurde, geben wir einen Ab-
schnitt aus dem Kapitel „Sammler und Kunstfälscher“ wieder, das
sicli als Kapitel 8 in dem Buch „T e c h n i k des Kunst-
sammelns“ von Adolph Donath (Verlag Richard
Schmidt & Co., Berlin) befindet. Donath schreibt hier aus
seinen Begegnungen mit Marfels und aus seinem Studium der
Marfelsschen Uhrenschätze folgendes:

Professor Darmstaedter meint, daß sich für den
Porzellan-Sammler mit notwendiger Folgerichtigkeit der Schluß
ergibt: „Sei vorsichtig, kaufe nur bei zuverlässigen Händlern.
Lasse Dich nicht durch billige Preise zum Kaufen verführen, und
kaufe lieber ein Stück guter Ware als viele Stücke Mittelgut, bei
dem das Risiko der Fälschung ein sehr großes ist.“

Diese klaren Schlüsse des Sammlers passen natürlich auf
jegliche Kunstgattung. Da ich jedoch im Rahmen dieses Buches
nicht alle Gebiete der Kunst berühren kann, möchte ich nur noch
ein sehr spärlich beackertes Feld nennen, nämlich das der Uhr-

macherei. Zwar haben schon Wissenschaftler wie Ernst v.
Bassermann-Jordan (München) und Max Engelmann (Dresden)
- Bassermann-Jordan zuletzt in dem von mir herausgegebenen
„Jahrbuch für Kunstsammler“ Bd. 3 (Frankfurt a. M„ 1923) -
sich mit der Fälschung von Uhren beschäftigt, aber ich glaube
nicht, daß zu dieser Frage jemals auch ein Uhren-Sammler Stellung
nahm, der auch in den wissenschaftlichen Kreisen als besonderer
Kenner der Materie geschätzt ist. Ich habe nämlich Carl Marfels
in Neckargemünd, dessen Sammlungen ich sah, gebeten, mich mit
seinen Erfahrungen bekannt zu machen.

Marfels meint nun, daß das Erkennen der Unechtheit einer
Uhr meistens viel leichter sei als bei den anderen Dingen des
Kunstsammelns. Der Grund hiervon sei einleuchtend: „Das Uhr-
werk, das bei den echten Stücken schon vor zwei bis vierhundert
Jahren entstanden ist, läßt sich nicht so leicht hersteilen, daß der
Kenner es nicht sofort als moderne Arbeit beanstanden würde. Die
vielen einzelnen Teile eines alten Uhrwerkes sind nämlich zu-
meist mit der Hand oder mit primitiven Werkzeugen hergestellt,
wie man sie heute nicht mehr verwendet, . Während zum Beispiel

188
 
Annotationen