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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 11./​12.1929/​30

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1./2. Märzheft
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Gemälde, die im Krieg verschwanden / Londoner Kunstschau / Aus Amerikas Kunstleben / Kunstausstellungen / Kunstauktionen / Der Salon der Unabhängigen in Paris / Deutsche Graphik in Amerika / Aus der Kunstwelt / Historisches Museum Frankfurt a. M. nach seiner Neuordnung / Das Liebesmotiv in der antiken Kunst / Betrachtungen aus der Bibliophilen-Perspektive / Neue Kunstbücher
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https://doi.org/10.11588/diglit.26238#0274

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Qemäldc, die im Krieg üeetcbiüanderu

ilm Frühling 1917, als die deutsche Heeresleitung für die Ver-
kürzung des Frontbogens einen gewollten Rückzug im Sektor der
Aisne vorbereitete, wurde wertvolles Kunstgut in besondere
Museen in Sicherheit gebracht, darunter Bilder und Kunstgegen-
stände aus Privathäusern und aus öffentlichen Gebäuden. Aber die
Schwierigkeiten der Aufgabe und die damals große militärische
Spannung haben nicht immer das Ziel zu erreichen erlaubt. Ueber
das Schicksal mancher aus der Feuerzone geretteter Gegenstände
weiß man gar nichts.

Da ist z. B. bei den großen Gemälden, die sich im Spital
von Blerancourt befanden, der Fall. Blerancourt ist eiin

Bernard Potier de Gesvres, Marquis de Blerancourt

kleines Dorf im Aisne-Bezirk zwischen Noyon und Coucy-le-
Chäteau, das auf der früheren sogenannten Hindenburgstellung un-
weit vom Chemin des Dames liegt. Man fürchtete, daß Blerancourt
zerstört werden würde. Deshalb wollte man, Mitte März 1917, diese
Gemälde nach Valenciennes schaffen, damit sie nicht der Vernich-
tung anheimfielen. Diese Bilder, die aus dem 17. und IS. Jahrhun-
dert stammten, stellten die Mitglieder der Familie Potier de Gesvres,
Marquis und Marquises von Blerancourt dar. Diese Bilder
sind zum letztenmal in Missancourt, einem Weiler, 4 Kilometer
weit von Saint-Gobain, gesehen worden, wo man bei ihrem Trans-
port nach Valenciennes Aufenthalt hatte. Wahrscheinlich ist
Valenciennes niemals erreicht worden. Sie hatten übrigens auf

Londonec

Aus London berichtet unser Kunstreferent: Auf allge-
meines Verlangen hatte das Kuratorium der Königlichen Akademie
sich bewogen gesehen, den Schlußtermin für die Italienische
AussteHung auf 14 Tage zu verlängern, was in der Geschichte
von Burlington House ein Novum darstellt. Auch ist die Besuchs-
zeit an gewissen Tagen um drei Stunden verlängert worden, um

dem großen Boden eines Hauses gehangen, wo während der Kriegs-
zeit der Gottesdienst abgehalten wurde.

Diese Gemälde haben keinen besonderen Kunstwert. Ihr
Maler ist meist unbekannt. Aber sie haben eine lokal-geschichtliche
Bedeutung für das Museum und für das Spital von Blerancourt,
dessen Gründer und Wohltäter die Marquis de Blerancourt waren.
Sie igelten alle als nationale historische Denkmäler und waren
infolgedessen unverkäuflich. Die Rahmen bestanden aus geschnitz-
tem, vergoldetem Holz aus der Zeit der Bildnisse.

Es waren neun Gemälde. Wir führen von ihnen die folgen-
den auf: Zunächst das Bildnis von „Bernard Potier de
Gesvres, Marquis de Blerancourt, commandant general de la Pro-
vince de Picardie, gouverneur de Roy et Montdidier, fondateur de
l’Hospice“, wie es am Bilde oben verzeichnet steht; dann das Por-
trät von „Charlotte de Vieux-Pont, Marquise d’Annebault, femmc
de Bernard Potier, Marquis de Blerancourt. Elle fut tnariee en
1600', ägee de dix-neuf ans. Elle mourut en 1645.“ Diese Angabe
ist auf dem oberen Teil des Bildes zu lesen. Sie ist als sitzende
Minerva, mit Helm und Lanze in der Hand dargestellt. Ferner
nennen wir noch die Bildnisse von Eleonore de Montmorency
Tingre, Herzogin von Tresmes, als Pilgrim, von Saint-Jacques de
Compostelle dargestellt. Endlich Louis Joachim Paris
Potier, duc de Gesvres, pair de France.

Louis Joachim Paris Potier, duc de Gesvres

Sind nun diese Gemälde schon in der Kriegszeit vernichtet
oder nach Deutschland gebracht worden? Dast ist die Frage. Die
Nachforschungen in Frankreich waren erfolglos, vielleicht ist es
möglich, hier etwas zu erfahren. Ein Mitglied der Societe des
Arnis du Musee de Blerancourt und des Syndicat d’Initiative de
Blerancourt weilt in Deutschland und hat sich verpflichtet, so viel
Angaben als möglich zu sammeln.

Schriftliche Angaben können an Melle Clevenot, Mit-
glied des Verwaltungsrates der Societe des Amis de Musee de
Blerancourt, Berlin SW, Ltitzowplatz 10, gerichtet werden. Jeder
Wink, welcher dieses Rätsel seiner Lösung näher bringt, wird mit
Dank zur Kenntnis genommen und benutzt werden.

Kun{l{cbau.

Kunstsinnigen Gelegenheit zu gewähren, nach Büro- und Geschäfts-
schluß sich an den Meisterwerken zu ergötzen,. Für Bildungs-
anstalten sind Sonderzüge eingestellt worden, die aus ganz Eng-
land Schüler mit Lehrerschaft herbeigeführt haben. In den ersten
sechs Wochen, bis Mitte Februar, wurde die Ausstellung von über
einer Viertelmillion Personen besucht. Man glaubt, daß die Ziffern

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