Vorstellung von dem ursprünglichen Zustand des Bil-
des und seiner späteren Beschädigungen und Verunstal-
tungen. Und gleichzeitig ergibt die Quarzlichtlampen-
bestrahlung, durch die die Uebermalungen sich beson-
ders deutlich abheben, eine wünschenswerte Kontrolle.
In der letztgenannten Richtung, insbesondere durch das
Photogaphieren der im Quarzlicht sichtbar werdenden
Erscheinungen, hat der auch aus dem Holzknecht’schen
Institut hervorgegangene Wiener Restaurator Robert
Maurer sehr gute Erfolge erzielt.
Es ist ohne weiteres klar, daß eine objektive Uebcr-
prüfung des Erhaltungszustandes eines Gemäldes für
dessen Beurteilung durch den Kenner von höchster Be-
deutung ist. Denn wenn dieser auf Grund der Morelli-
schen Methode die Form einer Hand, eines Fußes, einer
Gewandfalte zur Bestimmung des Meisters verwertet,
dieselbe Hand aber, derselbe Fuß, dieselbe Gewandfalte
von einem späteren Restaurator hinzugefügt worden
sind, muß er da nicht notwendig in einen Irrtum ver-
fallen? Allein, nicht nur der Erhaltungszustand des
alten Gemäldes ergibt sich aus dem Roentgen-Bilde,
sondern merkwürdigerweise trennen sich manchmal
auch Farbenschichten, die fast gleichzeitig entstanden
sind, von einander, wodurch Untermaiungen, Pentimente
und Aehnliches sichtbar werden können. Es versteht
sich freilich von selbst, daß zur ganz präzisen Beobach-
tung und Deutung solcher Erscheinungen eine größere
Erfahrung gehört, als wir sie heute besitzen. Erlangen
wir aber diese Erfahrung, so werden wir sicherlich noch
zu überraschenden Ergebnissen kommen.
Ein merkwürdiger Fall, der mir jüngst vorgekom-
men ist, mag hier die vielfachen Möglichkeiten solcher
Resultate andeuten. In schwedischem Privatbcsitz
lernte ich vor nicht langer Zeit ein vorzügliches Ge-
mälde kennen, das die Halbfigur eines Dudelsackpfeifers
im Profil nach rechts wiedergibt und das seither in die
kunstgeschichtlich sehr interessante und gewählte
Sammlung des Herrn Bankdirektor Osborn Kling in
Stockholm gelangt ist (Abb. 1). Das Bild, das früher
den Namen keines geringeren als des Velazquez führte,
an dessen Bodegones die von Caravaggio ausgehende
Behandlung des Motivs erinnert haben mag, konnte ich
ohne Schwierigkeit als das bedeutende Werk eines
holländischen Nachahmers Caravaggios feststellen und
zwar als das des hervorragendsten von ihnen: Hendrik
T erb ru ggen, zu dem allein die welche und zu-
gleich breite Malweise, der feine Farbengeschmack, die
konsequente Durchführung des Helldunkels, die höchst
lebendige Charakteristik, die eigentümlich rundende
Faltengebung des Gewandes, die knochige Bildung der
Hände passen.
Nun hatte kurz vorher Dr. Otto Benesch ein in
Wiener Privatbesitz befindliches Gemälde eines jungen
Geigenspielers in Vorderansicht demselben Terbruggen
zugeschrieben (Abb. 2), eine Bestimmung, der ich aus
denselben Gründen wie bei dem Stockholmer Stücke
zustimmte. Als der Restaurator Robert Maurer, ange-
regt durch Erfolge, die ihn unter anderen bei einzelnen
Veduten Francesco Guardis in der Wiener Akademie
der bildenden Künste Figurenszenen als Untermalung
hatten finden lassen, auch dieses Bild eines Violin-
spielers einer Roentgen-Durchleuchtung unterzog, er-
schien auf der Platte deutlich die Komposition des
Stockholmer Dudelsackpfeifers im Profil (Abb. 3).
Offenbar hatte der Künstler auf derselben Leinwand das
Motiv des Bildes der Sammlung Kling in Stockholm zu-
erst skizziert und dann, nachdem er dieses für eine an-
dere Leinwand bestimmt hatte, auf der alten nach Ver-
suchen einer anderen Komposition, die teilweise noch
auf der Platte sichtbar wird, die neue des Violinspielers
vollendet durchgeführt. Welche Gründe bei dieser Art
des Schaffens maßgebend gewesen sein dürften, ver-
mögen wir heute wohl schwer zu sagen. Daß aber
beide Gemälde, das Stockholmer sowohl als das Wiener,
von einer Hand stammen, läßt sich wohl mit Sicher-
heit behaupten, und die unabhängig von einander aus-
gesprochenen Vermutungen über den Maler der Bilder
Hendrik Terbruggen finden dadurch eine erwünschte
objektive Bestätigung.
Sdoacd Mund) und die Frauen
oon
Adolf
r-< ines Tages, im Winter 1892/93, trat der vor kurzem
verstorbene norwegische Dichter, Gunnar Helberg,
in den Kreis skandinavischer Künstler in Berlin. Er
hatte einen jungen Landsmann mit sich, dessen Erschei-
nung sofort das Interesse auf sich zog. Ein braungelber
Ulster mit Pelerine umhüllte eine hohe, hagere ein
wenig gebeugte Gestalt, ein schwarzer Cylinderhut be-
schattete ein blasses, scharfgeschnittenes Gesicht mit
energischem Kinn, mit frauenhaft weichen Lippen unter
Paul
einem rötlichen Schnurrbart und hellen, verträumten
Augen, die stets in eine andere Welt hineinzublicken
schienen.
Man hatte gleich den Eindruck, er gehöre ebenso-
wenig in diese Welt, in der wir lebten, wie in jenes
sonderbare Habit, das er anhatte. Er schien seine Wur-
zel und sein Seelenleben in irgend einer Traumwelt zu
haben, die allen anderen verschlossen war, über deren
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des und seiner späteren Beschädigungen und Verunstal-
tungen. Und gleichzeitig ergibt die Quarzlichtlampen-
bestrahlung, durch die die Uebermalungen sich beson-
ders deutlich abheben, eine wünschenswerte Kontrolle.
In der letztgenannten Richtung, insbesondere durch das
Photogaphieren der im Quarzlicht sichtbar werdenden
Erscheinungen, hat der auch aus dem Holzknecht’schen
Institut hervorgegangene Wiener Restaurator Robert
Maurer sehr gute Erfolge erzielt.
Es ist ohne weiteres klar, daß eine objektive Uebcr-
prüfung des Erhaltungszustandes eines Gemäldes für
dessen Beurteilung durch den Kenner von höchster Be-
deutung ist. Denn wenn dieser auf Grund der Morelli-
schen Methode die Form einer Hand, eines Fußes, einer
Gewandfalte zur Bestimmung des Meisters verwertet,
dieselbe Hand aber, derselbe Fuß, dieselbe Gewandfalte
von einem späteren Restaurator hinzugefügt worden
sind, muß er da nicht notwendig in einen Irrtum ver-
fallen? Allein, nicht nur der Erhaltungszustand des
alten Gemäldes ergibt sich aus dem Roentgen-Bilde,
sondern merkwürdigerweise trennen sich manchmal
auch Farbenschichten, die fast gleichzeitig entstanden
sind, von einander, wodurch Untermaiungen, Pentimente
und Aehnliches sichtbar werden können. Es versteht
sich freilich von selbst, daß zur ganz präzisen Beobach-
tung und Deutung solcher Erscheinungen eine größere
Erfahrung gehört, als wir sie heute besitzen. Erlangen
wir aber diese Erfahrung, so werden wir sicherlich noch
zu überraschenden Ergebnissen kommen.
Ein merkwürdiger Fall, der mir jüngst vorgekom-
men ist, mag hier die vielfachen Möglichkeiten solcher
Resultate andeuten. In schwedischem Privatbcsitz
lernte ich vor nicht langer Zeit ein vorzügliches Ge-
mälde kennen, das die Halbfigur eines Dudelsackpfeifers
im Profil nach rechts wiedergibt und das seither in die
kunstgeschichtlich sehr interessante und gewählte
Sammlung des Herrn Bankdirektor Osborn Kling in
Stockholm gelangt ist (Abb. 1). Das Bild, das früher
den Namen keines geringeren als des Velazquez führte,
an dessen Bodegones die von Caravaggio ausgehende
Behandlung des Motivs erinnert haben mag, konnte ich
ohne Schwierigkeit als das bedeutende Werk eines
holländischen Nachahmers Caravaggios feststellen und
zwar als das des hervorragendsten von ihnen: Hendrik
T erb ru ggen, zu dem allein die welche und zu-
gleich breite Malweise, der feine Farbengeschmack, die
konsequente Durchführung des Helldunkels, die höchst
lebendige Charakteristik, die eigentümlich rundende
Faltengebung des Gewandes, die knochige Bildung der
Hände passen.
Nun hatte kurz vorher Dr. Otto Benesch ein in
Wiener Privatbesitz befindliches Gemälde eines jungen
Geigenspielers in Vorderansicht demselben Terbruggen
zugeschrieben (Abb. 2), eine Bestimmung, der ich aus
denselben Gründen wie bei dem Stockholmer Stücke
zustimmte. Als der Restaurator Robert Maurer, ange-
regt durch Erfolge, die ihn unter anderen bei einzelnen
Veduten Francesco Guardis in der Wiener Akademie
der bildenden Künste Figurenszenen als Untermalung
hatten finden lassen, auch dieses Bild eines Violin-
spielers einer Roentgen-Durchleuchtung unterzog, er-
schien auf der Platte deutlich die Komposition des
Stockholmer Dudelsackpfeifers im Profil (Abb. 3).
Offenbar hatte der Künstler auf derselben Leinwand das
Motiv des Bildes der Sammlung Kling in Stockholm zu-
erst skizziert und dann, nachdem er dieses für eine an-
dere Leinwand bestimmt hatte, auf der alten nach Ver-
suchen einer anderen Komposition, die teilweise noch
auf der Platte sichtbar wird, die neue des Violinspielers
vollendet durchgeführt. Welche Gründe bei dieser Art
des Schaffens maßgebend gewesen sein dürften, ver-
mögen wir heute wohl schwer zu sagen. Daß aber
beide Gemälde, das Stockholmer sowohl als das Wiener,
von einer Hand stammen, läßt sich wohl mit Sicher-
heit behaupten, und die unabhängig von einander aus-
gesprochenen Vermutungen über den Maler der Bilder
Hendrik Terbruggen finden dadurch eine erwünschte
objektive Bestätigung.
Sdoacd Mund) und die Frauen
oon
Adolf
r-< ines Tages, im Winter 1892/93, trat der vor kurzem
verstorbene norwegische Dichter, Gunnar Helberg,
in den Kreis skandinavischer Künstler in Berlin. Er
hatte einen jungen Landsmann mit sich, dessen Erschei-
nung sofort das Interesse auf sich zog. Ein braungelber
Ulster mit Pelerine umhüllte eine hohe, hagere ein
wenig gebeugte Gestalt, ein schwarzer Cylinderhut be-
schattete ein blasses, scharfgeschnittenes Gesicht mit
energischem Kinn, mit frauenhaft weichen Lippen unter
Paul
einem rötlichen Schnurrbart und hellen, verträumten
Augen, die stets in eine andere Welt hineinzublicken
schienen.
Man hatte gleich den Eindruck, er gehöre ebenso-
wenig in diese Welt, in der wir lebten, wie in jenes
sonderbare Habit, das er anhatte. Er schien seine Wur-
zel und sein Seelenleben in irgend einer Traumwelt zu
haben, die allen anderen verschlossen war, über deren
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