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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 11./​12.1929/​30

DOI issue:
1./2. Aprilheft
DOI article:
Unus, Walther: Neuentdeckte Bilder von Carl Blechen
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.26238#0298

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I f eher die Künstler des deutschen Vormärz haben wir
'“'uur dann ausreichende und authentische Nachrich-
ten, wenn sie in ihrer Zeit im offiziellen Staatsleben eine
sichtbare Rolle spielten oder zu der das öffentliche
Interesse beherrschenden Literatur Beziehungen pfleg-
ten. Da keines von beiden bei Blecher zutraf, werden
wir, nachdem Kern die irgend erreichbaren Daten ge-
sammelt hat, kaum auf wesentliche Erhellungen noch
hoffen dürfen; zumal er wahrscheinlich auch keinen
regen Briefwechsel geführt hat, der irgendwo einmal
zutage kommen könnte. Blechen hat gemalt — diese

im Berliner Privatbesitz befindlichen Gemälde (auf der
Nürnberger Ausstellung von 1926), deren Bedeutsamkeit
bereits wichtig hervorgetreten war. Das Schaffen
Blechens gliedert sich jetzt deutlich in vier Perioden,
von denen die drei letzten sich an Reichtum und Wich-
tigkeit die Wage halten dürften; die erste möchten
wir bereits mit dem Abschluß seines Akademiebesuchs
und der Dresdner Reise enden lassen. Was wir aus
dieser Zeit an Jugendarbeiten und Uebungen besitzen,
genügt immerhin zu der Feststellung, daß die schwe-
bende Leichtigkeit des Pinselstrichs, der Bleistiftlinie

einzige Leidenschaft nahm alle seine Kräfte in An-
spruch, bis sie ihn verzehrt hatte. Und er muß 'be-
denkenlos mit ihnen umgegangen sein, sonst bliebe
nicht bloß die Anzahl seiner Werke unerklärlich, viel-
mehr noch ihre Vielfältigkeit, jenes blitzschnelle Er-
fassen neuer Probleme und neuer Stoffkreise, von denen
jede nicht nur künstlerisch ausreift, sondern sich in aller
Verschiedenheit unverkennbar als ihm zugehörig
erweist.

Immer wieder tauchen bisher unbekannte Werke
auf: in diesem Jahr vollends ein großes, diesmal sogar
glücklicherweise datiertes Bild, das geeignet ist, unsere
Vorstellung von seinem Wirken vor der italienischen
Reise wesentlich zu revidieren, nachdem insbesondere
durch die beiden großen, ehemals Deckerschen*), jetzt

*) Aus demselben Besitz tauchte auch der derselben Zeit ent-
stammende „Weg mit kahlen Bäumen bei Mondschein“ auf und ein
„Wasserlauf im Spandauer Forst bei kaltgrauem Himmel“ auf
(45 : 37 cm), welch letzteres Kern gar nicht zu Gesicht ge-
kommen war.

ihm vor allem Unterricht eigen und angeborene Gabe
waren. Wir finden sie in seinen Kopien, die an leben-
diger Tonigkeit, im duftigen Erfassen des Ganzen, oft
die Originale übertreffen und in allen kleinen Studien,
deren technische Mängel über dem Reiz der gesamten
Atmosphäre zurücktreten. Diese Art von Meisterschaft
begleitet ihn als führende künstlerische Note; wir ver-
missen sie nur in den wenigen Arbeiten, die er Brot-
erwerbs willen hier und da machen mußte und bei denen
er innerlich kalt blieb.

Die zweite Periode, die Anfänge seines wirklichen
Schaffens, beginnt mit der Dresdner Reise im Jahre
1823. Sie umschließt zuerst eine kurze Zeit der Hin-
neigung zu Schinkel, von dessen Zweiseelenhaftigkeit,
der Klassik und der Romantik, er nur die letztere kon-
genial mitfühlte. Schinkel war im Grunde Klassiker;
auch wo er Gotik bewunderte und nachzuschaffen ver-
suchte, ging er von einem vorgefaßten Gesamteindruck
aus. Seine Gefühlsenergien waren längst erlahmt, wenn
er die gotische Einzelform zu gestalten unternahm. Für

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