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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 11./​12.1929/​30

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1./2. Januarheft
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Uhren-Fälschungen: Erinnerungen an Carl Marfels
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https://doi.org/10.11588/diglit.26238#0199

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ein altes Rad mit der Hand gezahnt wurde, werden die Räder der
heutigen Uhren mit der Maschine zu Dutzenden auf einmal ge-
schnitten oder gar von einer im Eiltempo arbeitenden Stanze, viele
Tausende im Tag, ausgedrückt.

Benutzt nun der Fälscher solche modernen Räder oder
sonstige in ähnlicher Weise angefertigten Uhrteile, so sieht der
Kenner sofort, daß es sich um ein neues Uhrwerk handelt. Aber es
hat von jeher Künstler gegeben, die ein altes Uhrwerk so vorzüg-
lich nachahmen, von den Rädern und Trieben angefangen bis zu
dem Ziffernblatt und den Zeigern, daß man zunächst manchmal
unsicher ist und eine eingehende Prüfung vornehmen muß. Einer
solchen Prüfung hält allerdings ein gefälschtes Werk so wenig
Stand wie. ein Lügner dem Kreuzverhör. Ist aber die Unechtheit
eines Uhrwerks einmal festgestellt, so wird das Gehäuse von vorn-
herein verdächtig. Dennoch wäre es ein großer Irrtum, anzuneh-
men, daß deswegen das Gehäuse unter allen Umständen auch
falsch sein müsse.

Hier ist vielmehr folgendes zu berücksichtigen Die Uhren-
gehäuse früherer Zeit, namentlich die farbenprächtigen üoldemail-
gehäuse der Zeit Ludwigs XIII. erfreuten sich einer solchen Be-
liebtheit, daß, wenn das Uhrwerk einmal dienstuntauglich wurde
oder nicht mehr die Ansprüche zu befriedigen vermochte, die in
späterer Zeit an den Gang einer Uhr gestellt wurden, man das
Gehäuse nicht etwa einschmolz, sondern es als Bonbonniere um-
arbeitete und das Uhrwerk selbst meistens wegwarf. Als spätere
Geschlechter dann entdeckten, daß man in der Bonbonniere ein
altes Uhrgehäuse vor sich habe, wurde sic wieder in ihren Ur-
zustand zurückverwandelt und ein modernes Uhrwerk eingesetzt.
Ueberdies ist es nicht selten vorgekommen, daß der Besitzer einer
künstlerisch verzierten Uhr, die wie alle Zeitmesser des 16. und 17.
Jahrhunderts nur die Stunde anzeigte, sich ein neues Uhrwerk mit
Minutenteilung in das schöne Gehäuse einsetzen ließ, wodurch
sehr häufig die Anachronismen zwischen Uhrwerk und Gehäuse
herrühren.

Die Fälschungen von Uhren sind sehr mannigfaltig. Da treten
vor allen Dingen die bekannten pompösen Wiener Emailarbeiten
auf, und zwar sowohl in kleinen Standuhren (Pendülen) als in
Taschenuhren. Schon die Zifferblätter und Zeiger fallen aber so
stark aus der Zeit heraus, daß nur ganz krasse» Ignoranten diesen
plumpen Fälschungen zum Opfer fallen können. Gefährlicher sind
schon die gefälschten silbernen gravierten Ei-Uhren im Stile des
16. und 17. Jahrhunderts, von denen eine rheinische Sammlung,
die vor einigen Jahren zur Versteigerung gelangte, eine ganze An-
zahl enthielt. Hier waren die Uhrwerke sofort als plumpe Falsifi-
kate zu erkennen, nicht aber manche der dazu angefertigten Ge-
häuse, die so täuschend imitiert und künstlerisch alt gemacht
waren, daß sie nur mit Mühe als Fälschungen erkannt werden
konnten.“

Eine hervorragende Imitation hat Carl Marfels einmal bei
einer silbernen Ei-Uhr angetroffen, deren Werk alt war, während
sich das Gehäuse als eine außergewöhnlich schön gravierte
moderne Arbeit erwies. „Interessant war mir bei dieser Uhr“, so
erzählt er, „daß, obgleich sie ebenso fein graviert war und so alt
aussah wie eine echte Uhr, man dennoch fühlte, daß es eine
moderne Arbeit war. Wenn ich aber sagen sollte, woran man dies
erkannte, müßte ich die Antwort schuldig bleiben. Die Momente,
auf die sich in diesem und ähnlichen Fällen unser Urteil stützt,
stammen, wie es mir scheint, mehr aus dem Gefühl; dieses er-
weist sich hierbei sicherer als der Verstand und wird, wie es
scheint, von so subtilen Einflüssen berührt, daß es der plumpen
Sprache nur schwer oder gar unmöglich wird, sie in Worte zu
fassen.

Noch erstaunlicher war eine andere Fälschung, der ich be-
gegnet bin, einer prächtigen goldenen Ei-Uhr in Form eines alten
Anhängers, mit Perlen und Edelsteinen geschmückt. Selbst die
hintere Platine des Uhrwerks war, wie zweifellos das Original,
dem sie anscheinend aufs genaueste nachgebildet war, in Gold ge-
arbeitet und mit schwarzen Emaileinlagen verziert. Auch hier
konnte man im ersten Momente glauben, daß man es mit einem
Originale zu tun habe, bis man bei näherem Zusehen erkannte, daß

eine allerdings geniale Nachahmung vorlag. Derartige vollendete
Fälschungen kommen aber nur sehr selten vor, und zwar aus
folgenden zwei Gründen. Erstens gibt es nur wenige Goldschmiede,
die Können, Muße und Lust haben, eine solch vollendete Nach-
ahmung zu schaffen. Zweitens ist die Herstellung so kostspielig,
daß der Verkaufspreis ein ziemlich hoher wird. An teuere Stücke
wagt sich aber nur der erfahrene Kenner heran, und dieser lehnt
Falsifikate nach eingehender Untersuchung eben ab. Jedenfalls
ist es aber für den nicht ganz sicheren Sammler ratsam, sich bei
alten Uhren, wie überhaupt bei allen alten Gegenständen, deren
Echtheit garantieren zu lassen.

Fälschungen, denen man verhältnismäßig oft begegnet, sind
silberne Taschenuhren, die an und für sich echt sind, d. h. deren
Werk und Gehäuse alt sind. Ihre ursprünglich glatten Gehäuse
sind aber nachträglich mit religiösen oder mythologischen Dar-
stellungen in getriebener Arbeit versehen worden. Diese nach»
fragliche Treibarbeit ist aber immer so oberflächlich und roh aus-
geführt, daß sie nur ein Anfänger kaufen wird. Seltener wieder
trifft man Goldemailuhren als Nachahmung der so sehr geschätz-
ten Louis XIIL-Uhren. Sie werden in Paris, der Hochburg guter
Fälschungen, hcrgestellt und wirken auf den ersten Anblick wie
echte Stücke. Wenn man sie aber näher betrachtet, sient man,
daß es moderne Arbeiten sind, denn sie sind im Vergleich zu den
alten Stücken doch ziemlich oberflächlich ausgeführt. Die Fest-
stellung wird natürlich dadurch erleichtert, daß ihre Werke gleich-
falls nicht aus der Zeit stammen, sondern auch moderne, ad hoc
hergestellte Arbeiten sind.

Auch folgende kühne Fälschung wurde mir eines Tages zum
Kaufe angeboten: eine schwere silberne Standuhr (Pendiile) mit
ganz aus Silber gearbeitetem Gehäuse, das allein mehrere Kilo
wog. Die Uhr trug das Wappen Karls V. und wurde als eine
Schöpfung dieses Herrschers ausgegeben, der zur Uhrmacherkunst
eine so starke Neigung hatte; er soll das Stück, so hieß es, im
Kloster St. Just, in das: er sich in seinem Alter zurückgezogen
hatte, und wo er sich tatsächlich viel mit der Uhrmacherei abgab,
hergcstellt haben, ln Wahrheit war es eine ganz moderne Arbeit.

Nicht selten kommt es dann vor, daß alte glatte goldene oder
silberne Uhren nachträglich mit Emailmalereien versehen werden;
auch diese Arbeiten stechen aber so stark von den alten Arbeiten
ab, daß sie leicht als nachträgliche „Embellissements“, so nennt
der Pariser Kunsthandel verschämt diese Art der Fälschung, er-
kannt werden.

Zu den ersten Größen des Kunstgewerbes muß ein unbekann-
ter Ciseleur gezählt werden, der vor etwa 20 oder 30 Jahren eine
Anzahl wunderbarer Uhrgehäuse als alt in den Handel brachte.
Er war so klug, sie ohne Uhrwerk zu verkaufen, sonst wäre durch
die erwänhten Umstände die Fälschung bald entdeckt worden. Sie
zeigten in unübertroffener geschnittener und ciselierter Arbeit her-
vorragend entworfene Reitergefechte und dergleichen bewegte
Szenen, die zur Bewunderung hinrissen. Man konnte sich des
Bedauerns nicht erwehren, daß ein so gottbegnadeter Künstler sein
Können in den Dienst eines so bedenklichen Gewerbes stellte. Er
erinnert nämlich in seiner Bedeutung an den russischen Gold-
schmied Rouchomovsky, den Verfertiger der goldgetriebenen Tiara
des „Saitaphernes“, die s. Zt. vom Louvre in Paris für 200 000 Fr.
als alt angekauft worden ist. „Es wäre übrigens“, meint Marfels,
„verfehlt, eine Museumsleitung, die eine solch wunderbare Arbeit
als echt ankauft, tadeln zu wollen. Tatsache ist, daß bei so genia-
len Leistungen alle Kennerschaft versagt. Auch wurde die Unecht-
heit der Tiara nur durch eine an dem Stücke angebrachte Widmung
festgestellt; ein Philologe hatte nämlich, meines Wissens, ermittelt,
daß diese Inschrift Unstimmigkeiten mit den zur Zeit des Saita-
phernes gebräuchlichen Schriftzeichen aufwies.

Daß schließlich die Galvanoplastik bei Imitationen eine ge-
fährliche Rolle spielen kann, zeigt die Nachbildung einer präch-
tigen mit zierlichem Rankenwerk und mit Tierdarstellungen durch-
brochenen Renaissance-Tischuhr (in der Art des Jeremias Mctzgker
in Augsburg), der man öfter im Handel begegnet, und die man
manchmal sogar in Museen als vermeintliche echte Stücke trifft.
Es gehört allerdings ein gewisser Blick dazu, um die galvano-

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