ist.*) Da sich weder in mittelalterlichen Schriftquellen noch in
Hausrat-Inventaren eine andere Bezeichnung für Geschenkkästchen
gefunden hat, als etwa „ein holtzingemalet Laden“ (oder verwandt),
hat sich die hübsche Bezeichnung der Romantiker eingebürgert.
„Die Rechtfertigung einer Liebe“ nennt Heinrich Kohlhausseri
sein schönes Buch über „Minnekästchen im Mittealter“. Da die
Liebe allein das Feuer brennend hält, bringt diese erste systemati-
sche Darstellung eines bisher vernachläßigten Gebietes mehr als
man dem Titel nach vermuten darf. Mit ungewöhnlichem Wissen
geht Kohlhaussen an seine Aufgabe heran. Goldschmiedekunst,
Bildteppiche, Plastik, Malerei, Graphik, Handzeichnungen, Siegel,
Trachten und Waffen, die zeitgenössische Dichtung, die vorhan-
denen Schriftquellen werden als Vergleich und Erklärung heran-
gezogen. Lebendig wird sogar die Gesellschaftsschicht, für die die
Minnekästchen bestimmt waren und die geistige Atmosphäre,
deren Niederschlag diese bezaubernden Werke der Kleinkunst sind.
Der Stoff ist in drei große Abschnitte übersichtlich gegliedert:
Stilform, Bildgehalt und kritischer Katalog. Dazu kommen Namen-,
Sach- und Ortsregister.
Deutsche Holzkästchen — gelegentlich durch Lederkästchen,
die zum Vergleich herangezogen sind, ergänzt — stehen im Mittel-
punkt von Kohlhaussens Untersuchungen. Die gleichzeitigen fran-
zösischen Elfenbeinkästchen, die unter anderen Bedingungen ent-
standen sind, scheiden für den Verfasser aus. In Paris haben zunft-
mäßig organisierte Betriebe für den Export gearbeitet. Berühmte
Liebespaare aus den Ritterromanen wurden serienweise dargestellt.
Rücksicht auf besondere Wünsche der Besteller wird nicht ge-
Käufer für Kupferstich
210X 295 cm, das r\ Abendmahl darstellend,
datiert 1523, sign. fD\ Zuschriften erbeten an
Courty, No. 247, 114 Rue Vivienne 17, Paris.
nommen. Das deutsche Minnekästchen dagegen beherrscht das
Liebespaar schlechthin, unter Verzicht auf bekannte Situationen
der bekannten Liebesromane. Wohl lassen sich bestimmte Werk-
stattgriuppen unterscheiden, doch scheinen Maler und Schnitzer oft
in direktem Auftrag zu arbeiten, wie aus den Bestellungen und be-
stimmten Inschriften ersichtlich. Französische Elfenbeinkästchen
sind ein wertvoller internationaler Luxusgegenstand, das beschei-
dene deutsche Holzkästchen wahrt seine Eigenheit und verrät nach
Jahrhunderten noch persönliche Beziehungen zwischen dem Schen-
kenden und der Beschenkten.
Die Sitte der Geschenkkästchen geht auf orientalische An-
regungen, vermutlich durch die Kreuzfahrer vermittelt, zurück.
Hauptzentrum ist der Oberrhein. Von den hundert bedeutendsten
Kästchen, die auf ums gekommen sind, entfällt die Hälfte auf diesen
räumlich engen Bezirk. Dabei sind selbst zwischen Basel und
Konstanz die Unterschiede groß. „Kultivierte Gelassenheit“ in
Basel, „drängende unmittelbare Frische“ in Konstanz. Es würde
den Rahmen eines Referates weit überschreiten, würde ich dem
Verfasser folgen bei seinen Untersuchungen am Mittel- und Nieder-
rliein, in Westfalen, Niedersachsen und Franken1. Keineswegs ist,
wie man annehmen könnte, das Entstehen von Minnekästchen be-
günstigt durch eine glänzende Hofhaltung, wie etwa Wien oder
*) Im kritischen Katalog sind 210 der bedeutendsten Käst-
chen beschrieben, von denen aber verschiedene außerdeutscher
Herkunft sind.
■«Ulla, LENNESTRASSE 6
Wir erbitten Angebote
von Gemälden alter Meister
höchster Qualität
NEW YORK, 2 EAST 56™ STREET 5™ AVENUE
BADIN-BADE«, LUISENSTRASSE 26
Prag, oder gebunden an eine wohlhabende, künstlerisch interessierte
bürgerliche Bevölkerung, wie etwa in Nürnberg. Aber das Bür-
gertum nimmt im 15. Jahrhundert die Sitte der Vornehmen an,
Minnekästchen zu schenken, damit sinkt das künstlerische Niveau
ins Flandwerkliche.
Liebespaare, Drolerien aller Art, Frau Minne mit ihrem Hof-
staat, die „Minnerorden“, die falsche, neue Minne als Gegnerin der
wahren und echten, die Erstürmung der Minneburg, wilde Männer,
Jagd und Vogelstellerei kommen auf den Minnekästchen vor. Tiere,
Pflanzen, selbst Buchstaben bekommen symbolhafte oder allegori-
sche Bedeutung gemäß der Auffassung des Mittelalters:
„Die Erde trägt nicht Stamm noch Art,
Denen tief’rer Sinn nicht eigen ward,
Und kein Geschöpf ist davon frei,
Zu weisen ein andres als es sei.“
(Freidank: Bescheidenheit.)
Dem Einfluß der Kirche waren Minnekästchen naturgemäß ent-
rückt; in bezaubernder Frische spiegeln sie das Leben des Alltags.
Schon von der Leyen hat darauf hingewiesen, daß die bildende
Kunst von, der Auffassung des Minnewesens ein überzeugenderes
und tieferes Bild gibt als die Dichtung; dies gilt in besonderem
Maße für die Darstellungen der Kästchen. Sie sind auch ein Grad-
messer für Zucht und Kultur: unflätige derbe Szenen kommen
kaum vor.
Die führende Kunstgattung der Zeit beeinflußt die Formen-
gebung der Minnekästchen!. Zu den hübschesten von Kohlhaussen
gemachten Funden gehört die genaue Kopie des Frankfurter
Paradiesgärtleins“ in einem oberrheinischen geschnitzten Buchs-
baumkästchen um 1450 (in London im Victoria- und Albert-
Museium). Nur ein Bruchstück, vielleicht vom Deckel, ist erhalten.
Kohlhaussens Ausführungen, die sich in ihrer tiefschürfenden
und lebendigen Art am besten mit Julius von Schlossers Darstellun-
gen vergleichen lassen, werden durch Textabbildungen und 66 Licht-
dnuicktafelin unterstützt. Der Deutsche Verein, für Kunstwissen-
schaft hat zum Erscheinen des glänzend ausgestatteten Werkes
beigetragen.
der Gesellschaft, hum. Abitur, erfahren in kaufmännischer
Korrespondenz und Schreibmaschine, spricht Englisch,
Französisch und Italienisch, sucht zum Herbst entsprechende
Tätigkeit im Kunsthandel, um ihre während
sechsjährigen Aufenthalts in Italien erworbenen kunst-
geschichtlichen Kenntnisse zu verwerten. Zuschriften unter
Nr. 6000 an den „Kunstwanderer“.
Redaktionsschluß für das 1.12. Juniheft 28. Mai. — -Redaktion»Schluß für das 1./2. Juliheft 28. Juni.
Herausgeber u. verantw. Leiter: Adolph, Donath, Berlün-Sohöneberg, / Verlag: „Der Kunstwanderer“, G. m. b. H., Berlin-Schöneberg.
Redaktion: Berlin-Schöneberg, Hauptstraße 107. — Druck: Pflaume & Roth, Berlin SW 68.
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Hausrat-Inventaren eine andere Bezeichnung für Geschenkkästchen
gefunden hat, als etwa „ein holtzingemalet Laden“ (oder verwandt),
hat sich die hübsche Bezeichnung der Romantiker eingebürgert.
„Die Rechtfertigung einer Liebe“ nennt Heinrich Kohlhausseri
sein schönes Buch über „Minnekästchen im Mittealter“. Da die
Liebe allein das Feuer brennend hält, bringt diese erste systemati-
sche Darstellung eines bisher vernachläßigten Gebietes mehr als
man dem Titel nach vermuten darf. Mit ungewöhnlichem Wissen
geht Kohlhaussen an seine Aufgabe heran. Goldschmiedekunst,
Bildteppiche, Plastik, Malerei, Graphik, Handzeichnungen, Siegel,
Trachten und Waffen, die zeitgenössische Dichtung, die vorhan-
denen Schriftquellen werden als Vergleich und Erklärung heran-
gezogen. Lebendig wird sogar die Gesellschaftsschicht, für die die
Minnekästchen bestimmt waren und die geistige Atmosphäre,
deren Niederschlag diese bezaubernden Werke der Kleinkunst sind.
Der Stoff ist in drei große Abschnitte übersichtlich gegliedert:
Stilform, Bildgehalt und kritischer Katalog. Dazu kommen Namen-,
Sach- und Ortsregister.
Deutsche Holzkästchen — gelegentlich durch Lederkästchen,
die zum Vergleich herangezogen sind, ergänzt — stehen im Mittel-
punkt von Kohlhaussens Untersuchungen. Die gleichzeitigen fran-
zösischen Elfenbeinkästchen, die unter anderen Bedingungen ent-
standen sind, scheiden für den Verfasser aus. In Paris haben zunft-
mäßig organisierte Betriebe für den Export gearbeitet. Berühmte
Liebespaare aus den Ritterromanen wurden serienweise dargestellt.
Rücksicht auf besondere Wünsche der Besteller wird nicht ge-
Käufer für Kupferstich
210X 295 cm, das r\ Abendmahl darstellend,
datiert 1523, sign. fD\ Zuschriften erbeten an
Courty, No. 247, 114 Rue Vivienne 17, Paris.
nommen. Das deutsche Minnekästchen dagegen beherrscht das
Liebespaar schlechthin, unter Verzicht auf bekannte Situationen
der bekannten Liebesromane. Wohl lassen sich bestimmte Werk-
stattgriuppen unterscheiden, doch scheinen Maler und Schnitzer oft
in direktem Auftrag zu arbeiten, wie aus den Bestellungen und be-
stimmten Inschriften ersichtlich. Französische Elfenbeinkästchen
sind ein wertvoller internationaler Luxusgegenstand, das beschei-
dene deutsche Holzkästchen wahrt seine Eigenheit und verrät nach
Jahrhunderten noch persönliche Beziehungen zwischen dem Schen-
kenden und der Beschenkten.
Die Sitte der Geschenkkästchen geht auf orientalische An-
regungen, vermutlich durch die Kreuzfahrer vermittelt, zurück.
Hauptzentrum ist der Oberrhein. Von den hundert bedeutendsten
Kästchen, die auf ums gekommen sind, entfällt die Hälfte auf diesen
räumlich engen Bezirk. Dabei sind selbst zwischen Basel und
Konstanz die Unterschiede groß. „Kultivierte Gelassenheit“ in
Basel, „drängende unmittelbare Frische“ in Konstanz. Es würde
den Rahmen eines Referates weit überschreiten, würde ich dem
Verfasser folgen bei seinen Untersuchungen am Mittel- und Nieder-
rliein, in Westfalen, Niedersachsen und Franken1. Keineswegs ist,
wie man annehmen könnte, das Entstehen von Minnekästchen be-
günstigt durch eine glänzende Hofhaltung, wie etwa Wien oder
*) Im kritischen Katalog sind 210 der bedeutendsten Käst-
chen beschrieben, von denen aber verschiedene außerdeutscher
Herkunft sind.
■«Ulla, LENNESTRASSE 6
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Prag, oder gebunden an eine wohlhabende, künstlerisch interessierte
bürgerliche Bevölkerung, wie etwa in Nürnberg. Aber das Bür-
gertum nimmt im 15. Jahrhundert die Sitte der Vornehmen an,
Minnekästchen zu schenken, damit sinkt das künstlerische Niveau
ins Flandwerkliche.
Liebespaare, Drolerien aller Art, Frau Minne mit ihrem Hof-
staat, die „Minnerorden“, die falsche, neue Minne als Gegnerin der
wahren und echten, die Erstürmung der Minneburg, wilde Männer,
Jagd und Vogelstellerei kommen auf den Minnekästchen vor. Tiere,
Pflanzen, selbst Buchstaben bekommen symbolhafte oder allegori-
sche Bedeutung gemäß der Auffassung des Mittelalters:
„Die Erde trägt nicht Stamm noch Art,
Denen tief’rer Sinn nicht eigen ward,
Und kein Geschöpf ist davon frei,
Zu weisen ein andres als es sei.“
(Freidank: Bescheidenheit.)
Dem Einfluß der Kirche waren Minnekästchen naturgemäß ent-
rückt; in bezaubernder Frische spiegeln sie das Leben des Alltags.
Schon von der Leyen hat darauf hingewiesen, daß die bildende
Kunst von, der Auffassung des Minnewesens ein überzeugenderes
und tieferes Bild gibt als die Dichtung; dies gilt in besonderem
Maße für die Darstellungen der Kästchen. Sie sind auch ein Grad-
messer für Zucht und Kultur: unflätige derbe Szenen kommen
kaum vor.
Die führende Kunstgattung der Zeit beeinflußt die Formen-
gebung der Minnekästchen!. Zu den hübschesten von Kohlhaussen
gemachten Funden gehört die genaue Kopie des Frankfurter
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baumkästchen um 1450 (in London im Victoria- und Albert-
Museium). Nur ein Bruchstück, vielleicht vom Deckel, ist erhalten.
Kohlhaussens Ausführungen, die sich in ihrer tiefschürfenden
und lebendigen Art am besten mit Julius von Schlossers Darstellun-
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schaft hat zum Erscheinen des glänzend ausgestatteten Werkes
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Redaktionsschluß für das 1.12. Juniheft 28. Mai. — -Redaktion»Schluß für das 1./2. Juliheft 28. Juni.
Herausgeber u. verantw. Leiter: Adolph, Donath, Berlün-Sohöneberg, / Verlag: „Der Kunstwanderer“, G. m. b. H., Berlin-Schöneberg.
Redaktion: Berlin-Schöneberg, Hauptstraße 107. — Druck: Pflaume & Roth, Berlin SW 68.
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