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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 11./​12.1929/​30

DOI Heft:
1./2. Septemberheft
DOI Artikel:
Paul, Adolf: Edvard Munch und die Frauen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26238#0015

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Schlachtfeld, das es nunmehr galt. zu erobern und zu
behaupten. In zähem, jahrzehntelangem Kampf hat
Munch das bewirkt.

Immer wieder trieb es ihn nach Berlin. In Berlin
weilte er, in Berlin malte er und unverdrossen stellte er
immer wieder hier aus.

Eine dieser Ausstellungen ist mir noch lebhaft in
Erinnerung. Munch machte sie mit dem finnischen
Maller Gallen zusammen bei Ugo Barroccio, Unter den
Linden. Ich half den beiden Malern ein wenig mit den
Vorbereitungen, konnte es aber keinem der beiden recht
machen. Der Eine fand immer, ich hätte die Bilder des
Anderen zu gut, seine aber zu schlecht gehängt. Zur
Strafe hing Munch mich — in effigie — am Baume der
Erkenntnis auf, an den Haaren einer seiner, schlecht
gehängten und darum verächtlich davonschreitenden
Frauengestalten. Alles in einer auf dem Titelblatt des
Ausstellungsverzeichnisses rasch hingeworfenen Kari-
katur.

Das geschäftliche Resultat jener, wie fast aller Aus-
stellungen Munchs in den ersten Jahren hier, war gleich
Null. Er verkaufte fast gar nichts, hatte wohl Freunde,
aber abgesehen von ein Paar „Sechsdreiermäzenen“
wenige Gönner. Bis der Himmel ihm plötzlich einen
Manager bescherte, der wie eine Gestalt aus Hoffmanns
Erzählungen anmutete und extra für Munch geschaffen
zu sein schien. Er war lang und hager, das Gesicht
nach unten spitz wie ein Apfelkern verlaufend, mit
dünnem, hellen Haar über einen mächtigen Schädel und
mit einem verlegenen Lächeln um die dünnen Lippen,
als bäte er um Entschuldigung, weil er sich erkühnte
überhaupt da zu sein.

Dieser merkwürdige Mensch tauchte eines schönen
Tages bei mir, draußen in Charlottenburg auf, hustete
diskret, räusperte sich und flüsterte mit fast unhörbarer
Stimme: „Um Verzeihung, aber Sie haben doch den
Schlüssel zu Munchs Gemälden?“

„Ja!“ sagte ich. Munch hatte nämlich, ehe er in
die Sommerferien ging, seine sämtlichen „Schinken“

in einem unbenutzten Badezimmer in seinem Pensionat,
in der Berliner Straße einquartiert und mir das Ver-
sprechen abgenommen, sie wohl zu hüten.

„Wollen Sic mir den Schlüssel borgen? Mein Name
ist Kollmann. Ich bin einer der intimsten Freunde
Munchs!“

„Bedaure“, sagte ich. „Und wenn Sie sein intim-
ster Feind wären, könnte ich’s nicht!“

Der Besucher hustete, räusperte sich und ver-
schwand ebenso lautlos wie er gekommen war. Am
nächsten Tag war er wieder da.

Munch hätte, sagte er, ihn gemalt. Er wollte nur
sehen, ob sein Bildnis auch bei den anderen dabei sei!
Ich möchte ihm doch den Gefallen tun usw.

Ich tat ihm den Gefallen, nahm ihn mit ins Pensio-
nat, schloß die Tür zum Badezimmer auf. Und er
schlängelte sich sofort, glatt wie ein Aal, hinein, zählte
nach, daß die Bilder alle da waren, seufzte erleichtert
auf, nachdem er sich so überzeugt hatte, daß nichts ge-
klaut worden war, und blickte mich vertrauensvoll an.

Munch wäre ein Genie, sagte er dann geheimnis-
voll, das man aber noch nicht zu würdigen wüßte.
Wenn aber die Sammler nur ahnen würden, welche
gute Kapitalsanlage seine Bilder seien, würden sie Kopf
stehen! Er würde es denen aber beibringen!

Er hielt Wort. Er galt etwas hinter den Kulissen
des Kunsthandels und war geradezu gefürchtet wegen
seines unbestechlichen Urteils. Ein Kunstfanatiker rein-
sten Wassers hatte er die unbezwingliche Leidenschaft,
unerkannte, noch ringende Talente aufzuspüren und
ihnen vorwärts zu helfen und das in der selbstlosesten
Weise. Er hatte, wie der Brillenverkäufer in Hoffmanns
Erzählungen, die dämonische Macht, den Menschen die
geeignete Brille aufzusetzen und sie zu zwingen, wie er
wollte zu sehen. Im Falle Munch gelang es ihm auch.
Von dem Augenblick an, als er in Munchs Leben trat, war
das Eis gebrochen, Bestellungen kamen, Käufer fanden
sich ein und mit den materiellen Sorgen war’s vorbei.

Deshalb sei er hier erwähnt.

W. Trübner

Dampfbootsteg
auf der Herreninsel

Auktion der Nachlässe
Kozel, Buenos Aires
und

A. v. Ramberg, München
am 24. September
bei

Hugo Helbing, München

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