hunderts bildet das aus der Sammlung von Nagler in
das Museum gelangte Birnbaumholzrelief eines stehen-
den Pferdes (Abb. 8). Die Arbeit gibt im Gegensinn
einen in Anlehnung an die Lemberger Dürer-Zeich-
nung (L. 742) geschaffenen Holzschnitt Hans Sebald
Behams wieder, der 1528 in dem „Büchlein von der
proporcion der Ross“ erschien (Pauli 1263). Gegenüber
den graphischen Vorlagen wirkt das Relief jedoch so
weich und malerisch, daß nur eine Entstehung im
17. Jahrhundert in Betracht kommt. An Wahrschein-
lichkeit gewinnt diese Datierung noch, wenn man an das
Gegenstück denkt, das das Berliner Relief in Wien hat:
das „schreitende Pferd“, das ebenfalls einem Holzschnitt
aus dem Beham'schen Roßbüchlein nachgebildet ist6)
(Pauli 1265).
Die Zahl der selbständig erfundenen Goldschmiede-
modeille ist im Berliner Schlloßmuseum also nicht gerade
groß. Aber das darf nicht erstaunen; denn die Ein-
stellung zur Kunst war, was die Originalität anbetrifft,
im 16. und auch noch im 17. Jahrhundert eine grundsätz-
lich andere wie heute. Und doch war es in vielen
Fällen sicher nicht Phantasiearmut oder Bequemlichkeit,
die die Künstler auf fremde Vorlagen zurückgreifen ließ,
sondern Ehrfurcht und Bewunderung vor den Leistun-
gen der deutschen Graphik.
“) Abb. Schlosser Taf. XX, 1.
Rembrandt
Federzeichnung
ludtüig Knaus
Paul f.
| aß wir Knaus nicht völlig zu den Vergessenen zäh-
len und am 5. Oktober seines hundertsten Geburts-
tages uns erinnern, verdankt er nicht den zu seinen
Lebzeiten berühmten Genrebildern aus dem Bauern-
und Kinderleben, sondern seinen Frühwerken und ihrer
malerischen Frische. Er gehört zu der Majorität der
deutschen Künstler aus dem 19. Jahrhundert, die nach
einem vortrefflichen, das Beste versprechenden Anfang
bald und gründlich nachgelassen haben und dem Geist
oon
Schmidt
der Zeit unterlegen sind. Da selbst ein Meister von
dem Range Menzels unter diese Majorität zu rechnen ist,
muß die Gewalt der äußeren Umstände eine übermäch-
tige gewesen sein; von einer Art, wie wir sie heute
nicht mehr kennen. In der Tat kann die geistige Ein-
stellung der Schriftsteller, die seit den sechziger Jahren
sich über Kunst geäußert haben, kaum mehr verständ-
lich erscheinen; sie sind der getreue Spiegel ihrer Zeit,
und man findet eine Erklärung für ein so massenweises
14
das Museum gelangte Birnbaumholzrelief eines stehen-
den Pferdes (Abb. 8). Die Arbeit gibt im Gegensinn
einen in Anlehnung an die Lemberger Dürer-Zeich-
nung (L. 742) geschaffenen Holzschnitt Hans Sebald
Behams wieder, der 1528 in dem „Büchlein von der
proporcion der Ross“ erschien (Pauli 1263). Gegenüber
den graphischen Vorlagen wirkt das Relief jedoch so
weich und malerisch, daß nur eine Entstehung im
17. Jahrhundert in Betracht kommt. An Wahrschein-
lichkeit gewinnt diese Datierung noch, wenn man an das
Gegenstück denkt, das das Berliner Relief in Wien hat:
das „schreitende Pferd“, das ebenfalls einem Holzschnitt
aus dem Beham'schen Roßbüchlein nachgebildet ist6)
(Pauli 1265).
Die Zahl der selbständig erfundenen Goldschmiede-
modeille ist im Berliner Schlloßmuseum also nicht gerade
groß. Aber das darf nicht erstaunen; denn die Ein-
stellung zur Kunst war, was die Originalität anbetrifft,
im 16. und auch noch im 17. Jahrhundert eine grundsätz-
lich andere wie heute. Und doch war es in vielen
Fällen sicher nicht Phantasiearmut oder Bequemlichkeit,
die die Künstler auf fremde Vorlagen zurückgreifen ließ,
sondern Ehrfurcht und Bewunderung vor den Leistun-
gen der deutschen Graphik.
“) Abb. Schlosser Taf. XX, 1.
Rembrandt
Federzeichnung
ludtüig Knaus
Paul f.
| aß wir Knaus nicht völlig zu den Vergessenen zäh-
len und am 5. Oktober seines hundertsten Geburts-
tages uns erinnern, verdankt er nicht den zu seinen
Lebzeiten berühmten Genrebildern aus dem Bauern-
und Kinderleben, sondern seinen Frühwerken und ihrer
malerischen Frische. Er gehört zu der Majorität der
deutschen Künstler aus dem 19. Jahrhundert, die nach
einem vortrefflichen, das Beste versprechenden Anfang
bald und gründlich nachgelassen haben und dem Geist
oon
Schmidt
der Zeit unterlegen sind. Da selbst ein Meister von
dem Range Menzels unter diese Majorität zu rechnen ist,
muß die Gewalt der äußeren Umstände eine übermäch-
tige gewesen sein; von einer Art, wie wir sie heute
nicht mehr kennen. In der Tat kann die geistige Ein-
stellung der Schriftsteller, die seit den sechziger Jahren
sich über Kunst geäußert haben, kaum mehr verständ-
lich erscheinen; sie sind der getreue Spiegel ihrer Zeit,
und man findet eine Erklärung für ein so massenweises
14