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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 11./​12.1929/​30

DOI Heft:
1./2. Oktoberheft
DOI Artikel:
Buchwald, Conrad: Ein unbekanntes Bildnis Heinrich Heine's
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https://doi.org/10.11588/diglit.26238#0066

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Aus dieser Sammlung dürfen wir hier mit freund-
lichst gegebener Erlaubnis des Besitzers ein Bild zum
ersten Male veröffentlichen, das als feintönige, male-
rische Leistung ebenso erfreulich ist wie inhaltlich wert-
voll. Es stellt nämlich zweifellos Heinrich Heine und
seine Frau Mathilde, geborene Mi rat, im Pariser 1 leim
des Dichters dar. Eine Künstlerbczeichnung trägt es
nicht. Aber man kann die Zeit, in der es entstanden
ist, mit einiger Sicherheit feststellen. Es ist wohl aus
dem Jahre 1851, der Zeit von Heines schwerer Erkran-
kung.

Vergleicht man die vielen Heine-Bildnisse in „Hein-
rich Heines Briefwechsel“, herausgegeben von Friedrich!
Hirth (Bd. I—111, Georg Müller, 1914—1920), untcrschei-

der beiden Köpfe mit den müden Augen und den leiden-
den Zügen ist so groß, daß der Künstler des Loewe-
schen Bildes durch die Zeichnung von Kietz inspiriert
worden sein muß oder daß Kietz selbst der Maler des
Bildes ist. Das ist auch die Meinung von Dr. Friedrich
Hirth, dem eine Photographie des auch ihm unbekannten
Bildes Vorgelegen hat, und der so freundlich war, ein
Gutachten darüber abzugeben.

Der Porträtzeichner und Lithograph Ernst Kietz,
der Bruder der Bildhauer Gustav und Theodor, ist in
Leipzig 1815 geboren und in Dresden 1892 gestorben.
Er war Schüler der Dresdener Akademie, von 1838 an
lebte er in Paris, um sich bei Delaroche als Porträt-

det man bärtige von den unbärtigen. Auch auf den bei-
den Denkmälern von Hasselriis auf dem Monmartre in
Paris und in Hamburg trägt Heine den Bart, den
Schnurr-, Kinn- und teilweise Backenbart, aber in ge-
pflegter Form, auch auf einer Lithographie von Lots in
der Revue de deux mondes von 1852 und dem Bilde von
Francois Louis Laynaud. Auf unserem Bilde aber ist
es der in den Tagen der Krankheit ungepflegt gebliebene
Bart, wie ihn eine Zeichnung nach der Natur von Ernst
Benedict Kietz, die sich im Besitze von Dr. phil. Karl
Freiherrn von Vietinghoff, genannt Scheel, in Berlin be-
findet. (Briefwechsel 111, Taf. 1).*) Die Aehnlichkeit

*) Eine danach entstandene Lithographie ist schlecht und
unähnlich.

maler auszubilden. Sein Pariser Aufenthalt brachte ihm
den bedeutendsten Gewinn seines Lebens, die Bekannt-
schaft mit Richard Wagner, seinem allerengsten Lands-
manne, zu dessen treuesten Freunden er später zählte
und dessen Umgangskreis er in vielen Bildnissen fest-
gehalten hat. Für Wagner zeichnete er 1840 auch das
Titelblatt zu der Heine gewidmeten Komposition der
deux grenadiers auf Stein. So sind die Beziehungen
des Malers auch zu dem Dichter naheliegend. Kietz ist
in seiner zweiten Heimat, dem damaligen Sammel-
punkte bedeutender Geister, geblieben bis eine Auswei-
sung bei Ausbruch des Krieges 1870 ihn wieder nach
Deutschland brachte, wo er sich dem Zeichenunterricht
widmete.

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