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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 11./​12.1929/​30

DOI Heft:
1./2. Oktoberheft
DOI Artikel:
Donath, Adolph: Die Bildhauerin Dora Gordine
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https://doi.org/10.11588/diglit.26238#0075

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von dem Chinesen gelernt hat? Sie ist Autoditakt,
doch die alte Chinakunst mag sie angeregt haben. Das
scheint begreiflich. Sie ist ja Russin, wie ich schon
sagte, und als Russin hat sie das rassige Empfinden für
die Charaktere Asiens, für die Seele des Ostens und

seine ehrwürdige Kultur, in der das Handwerk die
Grundlage aller Kunst gewesen ist.

Selten wurde in der Plastik von heute so unbedingt
Starkes geschaffen wie der Chinesenkopf der Gordine.
Die Augen sind geschlossen, aber der Mund, dessen
Unterlippe stärker vorquillt als die Oberlippe — auch in
der griechischen Antike haben wir solche Beispiele von
Bildnerei — spricht von der Lebensgeschichte des

Modells. Die Bronze ist hell, um Schädeldecke und
Backenknochen spielen Lichter um Lichter. Wunder-
sam ist die Oberfläche bearbeitet. Und auch das ist
das Seltsame an dieser Frau: sie beherrscht das
Material, weiß ihm buchstäblich die „letzte Feile“ zu

geben. Sie „putzt“ nicht nur die Köpfe, sie ziseliert sie,
poliert sic, rauht sie auf, Höhen und Tiefen gegeneinan-
der abstimmend. Und „verhaut“ sich technisch nie.
Die Musik ihrer Bronzen hat keine Dissonanz. Legt
man die Hände auf so eine Bronze, wie etwa auf den
Mongolenkopf, dann glaubt man lebendes Fleisch zu
spüren.

Die Gordine hat eine Vorliebe für das Exotische.

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