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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 11./​12.1929/​30

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1./2. Dezemberheft
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Weidler, Charlotte: Christian Rohlfs: zu seinem achtzigsten Geburtstage
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Born, Wolfgang: Oesterreichische Maler in Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.26238#0141

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Reich und vielfältig ist der Umfang seines
Schaffens. In der Weimarer Zeit malte er die thürin-
gische Landschaft, die Parks um Weimar, helle, liclit-
durchwebte Birken- und Weidenstudien in klarem
Wasser sich spiegelnde Brücken, später Kirchen und
Türme von Soest und Dinkelsbühl, um die eine sonder-
bare Mystik lagert und die mehr Vision als reales Stadt-
bild sind. Die Problematik seiner menschlichen Gestal-
tung offenbart sich in Porträtköpfen, Cafehaus- und
Zirkusszenen, deren Groteske ihn auch oft zu Woll-
stickereien in kräftigen, satten Farben reizt, Rohlfs bib-
lische Szenen, religiöse Visionen wachsen in Bildern,
Aquarellen und Graphiken aus den Vorstellungen alten
bäuerlichen Volksglaubens und uralt überkommenen
Volksgutes. Er ist ein Fabulierer von seltsamer Phan-
tastik, dabei von naiver, erdverbundener Gläubigkeit,
der an der Burleske bäuerischen Spukes eine ebenso
große Freude hat wie an schlicht naiven Erzählungen.
In seinen Holzschnitten erhöht er die Wirkung herben,
primitiven Gestaltens durch sparsam eingesetzte Far-
ben. Rohlfs druckt primitiv, mit allereinfachsten
Mitteln. Kein Druck gleicht dem andern: sie sind von
großem Reiz. Jedes ist neu, jedes bezaubert auf andere
Weise. Es ist ein immer wieder neues Glück, sich in
diese Arbeiten vertiefen zu können. Exotik und Rasse
wunderbarer dunkelhäutiger Menschen verlockt ihn zu
bacchantischen Tanzdarstellungen. Seine Blumen-
aquarelle, namentlich die der Spätzeit, sind vielleicht
das Reichste und Faszinierendste seines Schaffens.
Kaum vorstellbar und in Worten wiederzugeben sind

Christian Rohlfs, Sonnenblumen. Oel auf Leinewand, 37 : 56 cm

Köstlichkeit, Zartheit und Glanz der Farben. Die satten
Farben sind von jugendfrischer Sinnlichkeit. Das leise
Schwingen und Zittern der Blüten ist in vielfältigsten
Farbstufungen eingefangen. Da setzt bei einer Blüte
ein zarter rötlicher Hauch ein, steigt über die reiche
Skala von Lachs, Hellrot, Braunrot, Rostrot, blau durch-
mischtem Rot und schwingt mächtig aus bis zu tiefstem
metallischem Dunkelrot. Hier.ein blauer, da ein leuch-
tend gelber Tupfen, hellt die Farbe wieder auf und kehrt
auf dem nüanzierten Grün der Blätter, vor allem im
Hintergründe, immer wieder.

Wie bei dein alten Corinth werden die Arbeiten der
letzten Jahre immer weiser und nach innen gewandter.

OeßevveiebUcbc plalev in Paris

non

lÜotfgang Boim^tDten

| er Weg nach Paris ist zwar von Berlin aus näher
als von Wien, aber in der Geographie des Geistes
liegen die Dinge anders. Berlin ist eine Schöpfung des
Willens, konstruktiv und sehr männlich — Paris und
Wien sind gewachsene Organismen: gewissermaßen
weiblich. Die leidenschaftliche Bemühung um franzö-
sische Malkultur ist für den Norddeutschen — psycho-
logisch betrachtet — ein Versuch, den angeborenen
Mangel an unmittelbar sinnlicher Anschauung zu kom-
pensieren. Der Süddeutsche, Erbe einer alten künst-
lerischen Tradition, fühlt sich seiner ästhetischen Ver-
anlagung so sicher, daß er lange Zeit hindurch die Not-
wendigkeit nicht empfand, nach Westen zu blicken, wo
die Entscheidungen der modernen Kunst fielen. Das
bedeutet gleichzeitig einen Vorzug wie einen Mangel:
die österreichische Kunst des 19; Jahrhunderts besitzt
den Reiz des Intimen, die Geschlossenheit eines kulti-
vierten gesellschaftlichen Milieus, das glückliche Gleich-
gewicht zwischen Inhalt und Form; aber die kosmo-

politische Reichweite und Allgemeingültigkeit, die etwa
Menzel von Deutschland aus gewinnen konnte, war
einem Waldmüller versagt.

Kommt aber eine Berührung zwischen einem Talent
österreichischer Herkunft und der Pariser Malerei zu-
stande, so wirkt sich die Verwandtschaft der geistigen
Struktur fruchtbar aus. Es bedarf keiner gewaltsamen
Anpassung. Gerade das, was sich dem norddeutschen
Temperament spröde verschließt, der Charme der fran-
zösischen Farbe, fällt dem süddeutschen Gast fast mühe-
los zu. Der Fall Anton Faistauer ist bekannt; Cezanne
und Salzburger Barock haben gleichen Anteil an den
Voraussetzungen seiner reichen und persönlichen Lei-
stung. Für ihn war Paris aber nur Anregung und Ueber-
gang. Er blieb an die Heimat gebunden. Anders liegt
es, wenn Wiener Künstler sich in Paris ansiedeln. Sie
bringen dann in die französische Malerei eine spezi-
fische Note von dekorativem Geschmack und produk-

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