Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 11./​12.1929/​30

DOI issue:
1./2. Dezemberheft
DOI article:
Born, Wolfgang: Oesterreichische Maler in Paris
DOI article:
Nathan, Fritz: Ein neu aufgefundenes Hauptwerk des Rayski
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.26238#0143

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
rung. Die Wirklichkeit verliert mehr und mehr an Ge-
wicht gegenüber den Gesetzen des Bildraumes. Was
sich darin abspielt, ist das Leben der Farbe, die das
Substrat für den Körper abgibt. Jede Bewegung erhält
ihr farbiges Korrelat. Zu ausgebogenen Gewand-
silhouetten eines stumpfen Schwefelgelb finden sich
Würfel von tönendem Rot, Ebenen von Schwerem,
materiellen Braun und Himmelsgewölbe von schweben-
dem, fliehendem Blau. Deutlich spürbar ist der schöpfe-
rische Anteil der Musik an dem optischen Ergebnis:
nach Art des mehrstimmigen Satzes wird das Thema
gewissermaßen kontrapunkt'isch auf der Bildebene ab-
gewandelt.

Victor Tischler, 1890 in Wien geboren, war
bereits zu Hause ariviert, als er (etwa gleichzeitig mit
Floch) nach Paris kam. Er hatte sich innerhalb der
Wiener dekorativen Sphäre zu einer verhältnismäßig
selbständigen Haltung entwickelt, aber es bedurfte noch
eines weiten Weges, ehe er zu der absoluten Freiheit
seiner heutigen Wirkung gelangte. Er steht der Realität
näher als Floch. Seine Stilleben — Blumen und Früchte
zumeist — quellen von Duft und Farbe. Sie haben das
sinnliche Parfüm der unmittelbaren Lebensverbunden-
heit. In Marseille entdeckte er die Phantastik de‘s

Hafens für sich. Schiffskörper und Quai, Dock und
Speicher: Formen von anorganischer Strenge und tech-
nischer Logik werden ihm zum Schauplatz delikater
Stimmungen unter dem Schleier von lichtgrauem
Wasserdampf und bräunlichem Rauch, der sie umhüllt.
Betroffen und dichterisch angerührt von dem Ewig-
Fremden des Meeres, dem alle diese Dinge ihre Existenz
verdanken, entwirft er die Szenerie: Formel für eine
seelische Beziehung, die sehr zart ist.

So ist auch sein Verhältnis zu menschlichen
Modellen. Sie sind herb und schmucklos in Umriß und
Komposition — aber sanft gelöst unter dem Anhauch
einer süßen Farbigkeit . . .

Drei österreichische Maler in Paris — drei Stufen
der Auseinandersetzung des süddeutschen mit dem fran-
zösischen Kunstgeiste. Das vorliegende Resultat die-
ser Begegnung ist nicht wegzudiskutieren. Es hat sei-
nen historischen Sinn, wenn es erlaubt ist, derartig
junge Dokumente in einen kaum erst geahnten Zusam-
menhang einzuordnen. Sie bilden, so anspruchslos ihr
Gewicht ist, einen künstlerischen Beitrag zu dem
allgemeinen Problem einer werdenden europäischen
Gemeinschaft.

6tn neu aufeefundenes Haupttoeek des Rayski

oon

fvitz JHatban — jYlüneben

In den Besitz der Ludwigs-Galerie Otto H.
* Nathan, München, gelangte ein bis jetzt in der Lite-
ratur gänzlich unbekanntes, größeres, äußerst repräsen-
tatives Gemälde von Ferdinand vonRayski : „Bild-
nis der Freifrau von Zobel zu Giebelstadt, geb. Freiin
Speth von Zwiefalten“ (geb. 1808, gest. 1900), das in der

Familie der Dargestellten bewahrt wurde. Es ist be-
kannt, daß Ferdinand von Rayski in den Jahren nach
seinem kurzen Pariser Aufenthalt von 1835, also zwi-
schen 1836 und 1838, in der Gegend von Würzburg auf
den Besitztümern des fränkischen Adels, zu dem er
durch die ihm befreundete Familie von Bechtolsheim

133
 
Annotationen