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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 11./​12.1929/​30

DOI issue:
1./2. Januarheft
DOI article:
Vondoerfer, P. E.: Das Prager Vorbild zum Meissener heiligen Wenzel Kirchners
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.26238#0188

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gebildete Stich Neureuters ein in der Zusammenhang-
losigkeit der Gruppenteile und der unwahren Zeich-
nung der Details recht minderwertiges Produkt.

Umsomehr ist die für Kirchner ganz respektable
Leistung der Umformung für die Porzellangruppe bei
seiner fast mit voller Sicherheit anzunehmenden Un-
kenntnis des wirklichen Aussehens des Originals er-
staunlich. Die Haltung der Gestalt des heil. Wenzel
ist hier, wohl durch Abweichung vom Vorbild und

Abb. 1

Uebertragung ins heroisch Imperatorische heraus ge-
bildet, eine etwas gesuchte. Aber der restliche Teil
der Komposition verrät eine ziemlich geglückte freie
Behandlung der Gruppierung des Originals. Wie sind
nun die Abweichungen auszulegen?

Die Fahne, deren Schaft der Heilige der Brücken-
gruppe mit der Linken festhält und die schräg über sei-
nem Rücken steht, hat Kirchner wohlweislich fort-
gelassen, weil sie sonst, angesichts der ohnehin vor dem
Sockel gruppierten Fahnen und Trophäen, ein iiber-

Gesamtüberblick aller Vorgänger dieses Spczialthemas) übersicht-
lich behandelt.

flüssiges Uebergewicht hergestellt hätte. Die Abwei-
chung in dem Teil der Waffentrophäen der Porzellan-
gruppe von dem Brückenwerk ist bei der Naherückung
des Engels zum Sockel vom Standpunkt der wohl-
erwägten Vermeidung einseitiger Ueberbürdung durch-
aus einleuchtend. In der Folge ist auch nichts nahe-
liegender, als die Uebertragung des Szepters in die
Linke des Heiligen, um durch die Aushölung nach die-
ser Seite das Gleichgewicht mit der zur Rechten stehen-

Abb. 2

den Figur des Engels herzustellen. Die freigewordene
Rechte sollte naturgemäß in die Hüfte gestemmt aus
gleichen Gründen die Stellung von Stand- und vorge-
strecktem Bein vertauscht werden. Bei Kirchner ist
cs wohl leicht erklärlich, daß auch bei Folgerichtigkeit
der Abweichungen in der Hauptfigur, die natürliche Un-
gezwungenheit einen Klaps bekommt. Die vom Vor-
bild abweichende Komposition im unteren Teile der
Gruppe Kirchners verrät hingegen eine sinngemäße
und richtige Anordnung eines echten Barockbildners.
Während der eine zur Rechten des Heiligen unten-
stehende Engel inbrünstig zum heiligen Herzog empor-
blickt, konnte der zweite, das Wappen haltende (Abb. 6)

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