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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 11./​12.1929/​30

DOI Heft:
1./2. Maiheft
DOI Artikel:
Tiander, Karl Friedrichovič: Schwedische Webereien
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https://doi.org/10.11588/diglit.26238#0349

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ihren Webstühlen singend saßen. Noch heute kann man
in Mustern, die auf alte Ahnen zurückgehen, den Ein-
fluß des Ostens verspüren. Aber auch ein anderer Ein-
fluß ist deutlich erkennbar. In einigen Provinzen
Schwedens nahmen die Hausfrauen Legenden und ein-
heimische Sagen auf und woben daraus eigenartige
Muster, an deren Farbenschema man die betreffende
Provinz oder Volksgruppe erkennen kann. Jeder
Kenner schwedischer Handwebereien kann an dem
Farbenmuster die Herkunftsprovinz feststellen. Das
lebhafte Blau und Rot der Floda-Gruppe in der zentra-
len Provinz Dalekarlien z. B. kontrastiert gegen die
korallfarbenen und himmelblauen Zusammenstellungen
der südlichen Provinz Blekinge oder gegen die dunkle-
ren Nuancen der Nachbarprovinz Schonen, wo außer-
dem die Stilisierung von Tiermotiven, z. B. des
Hirsches, eine große Vollkommenheit erreicht hat.

Die handgewebten Stoffe und Teppiche bilden nur
eine Abteilung der Ausstellung 1930. In den letzten
Jahren ist man eifrig bestrebt gewesen, schöne und
originelle Zeichnungen für die Industriewaren zu
schaffen. Zunächst kopierten die Fabrikarbeiter die
handgewebten Zeichnungen und die traditionellen
Muster. Heute aber entwickelt man in den Fabriken
eine freiere Formgebung. Das Streben der neuen natio-
nalen Bewegung, nicht nur schöne Dinge zu schaffen,
sondern auch die Schönheit der Nützlichkeit anzu-
passen, hat sich auch auf diesem Gebiete geltend ge-
macht. Die fabrikmäßig erzeugten SJoffe und Teppiche
sind eng den Bedürfnissen des modernen Heims an-
gepaßt, wo Einfachheit zum Prinzip erhoben ist.

Besondere Aufmerksamkeit hat man den Folge-
erscheinungen des neuen Möbelstils gewidmet. Man ist
in Schweden wieder zu den einheimischen Hölzern zu-
rückgekehrt, zur Birke und Kiefer, die als Weichhölzer
ganz andere Formen erfordern als die, welche den

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Moderne Arbeit des Hemslöjdsförbundet

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Martha Gähn, Moderner Teppich

importierten Harthölzern durch eine kunstvolle Be-
handlung Anmut und Schönheit verleihen. In Abhängig-
keit davon stehen auch die Textilmuster. Man bevor-
zugt jetzt Streifen in harmonischen Farben oder an-
sprechende Motive, die das Auge ausruhen lassen, und
vor allem frische, originelle Muster, die weder dem Aus-
lande noch der Vergangenheit entnommen sind.

Diese Unabhängigkeit ist nicht in kurzer Zeit er-
reicht worden. Als um die Mitte des vorigen Jahrhun-
derts grundsätzliche Veränderungen zu einer industrie-
eilen Revolution führten, indem der Handwebstuhl
durch die Maschine und die individuelle Arbeit durch
Künstlerentwürfe und handwerkliche Herstellung er-
setzt wurden, entstand unmittelbar darauf in Schweden
eine Bewegung, die dem drohenden Verfall des guten
Geschmacks entgegenarbeiten wollte. Tischlerei,
Weberei und andere Handwerksarten wurden in den
Schulen als Unterrichtsfächer eingeführt. In den letz-
ten zwei Jahrzehnten ist man bestrebt gewesen, die
Geschicklichkeit in den alten Handwerksarten wieder
zu beleben. Mehr sogar. Künstler und Handwerker
sind in den Fabriken angestellt worden, um Schönheit
mit Nützlichkeit und Standardisierung zu verbinden.

Was die kirchliche Textilkunst anbetrifft, ist das
Interesse bei den Handwerkern selbst wiedererwacht.
Schweden ist so glücklich, eine Sammlung kirchlicher
Webereien zu besitzen, die eine Periode von sieben
Jahrhunderten umfaßt und jedenfalls im Norden die
reichste Kollektion ihrer Art ist. Diese Altarvorhänge,

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