in der Neuen Pinakothek in München, schön und klar ge-
ordnet und ebenso wirkungsvoll wie aufschlußreich ge-
hängt, bedeutet ein Kunstereignis, für das man nicht nur
dem Besitzer, sondern auch der Leitung der bayerischen
Museen dankbar zu sein hat.
Unter den vielen merkwürdigen Begebenheiten, die
im deutschen und itn internationalen Kunsthandel nach
der Stabilisierung der deutschen Währung geschahen,
war eine der merkwürdigsten das Auftreten des „großen
Unbekannten“. Man konnte ihn mit dem Grafen von
Carabas aus dem Märchen vom gestiefelten Kater ver-
gleichen: Er war immer schon grade vorher dagewesen.
Immer, wenn man ein hervorragendes Bild zum Preise
von hunderttausend oder zweihunderttausend Mark usw.
kaufen wollte, war es nicht mehr zu haben: Der Graf
von Carabas hatte es sich gerade gesichert. Das eigent-
lich Märchenhafte an der Angelegenheit aber war, daß
es, entgegen dem Märchen, dieses Mal diesen Grafen
von Carabas wirklich gab und daß er nicht etwa ein
Geschöpf blühender Kunsthändlerphantasie war, son-
dern wirklich lebte und bezahlte: Es war der Herr auf
Rohoncz, ein Deutscher aus dem Rheinland, der in
Ungarn Güter erworben hatte.
Der museale Charakter der Sammlung äußert sich
in dem an allen Stellen fühlbaren Bestreben, alle großen
Schulen europäischer Malerei des letzten halben Jahr-
tausends nicht nur mit den Werken der Großmeister
allein zur Geltung zu bringen, sondern jeden großen
Meister selbst mit bezeichnenden Werken aus möglichst
allen entscheidenden Epochen seiner Entwicklung, vom
Frühwerk bis zum Spätwerk, vertreten zu haben; und
ihn dann mit Bildern der Trabanten zu umgeben, mit
Bildern der Künstler zweiten und auch dritten Ranges,
Bildern, die den Geist der Zeit wiederspiegeln, aus der
jener oder dieser betreffende Große hervorgewachsen
ist. Wenn man Bildnisse von Retel und Key gesehen
hat und steht dann vor dem herrlichen Porträt Erz-
herzogs Albrecht von Rubens, fühlt man plötzlich um
so eindringlicher, was die wahre Genialität bedeuten
kann. Man wird die Sammlung gründlich studieren
müssen, um alles zu lernen, was es in ihr, auch kunst-
geschichtlich, zu lernen gibt. Unser Bericht
kann nur einige Hauptsachen aus der Fülle herausheben
und Anmerkungen machen.
Unter den Altdeutschen, die nicht den geringsten
Ruhm der Sammlung ausmachen, fehlen einstweilen
noch Dürer und Holbein. Als in Schweden das Männer-
bildnis von Dürer auftauchte, als der Herzog von Braun-
schweig-Lüneburg seinen Holbein verkaufte, gab es die
Sammlung Schloß Rohoncz ja noch nicht. Dafür aber
bietet die Kunst Albrecht Altdorfers eine ganz große
Ueberraschung. Vier, der Altdorfer-Literatur unbekannt
gebliebene Werke seiner Hand sieht man, Werke aus
den verschiedenen Phasen des Regensburgers. Zwei
große Altartafeln aus der Zeit um 1510, sehr dramatisch
die Begrüßung der Elisabeth durch Maria. Aus dem
dritten, schon etwas renaissancemäßig anmutenden
Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts eine doppelseitig be-
malte Tafel mit Adam und Eva auf der Vorderseite, und
vor allem, zwischen 1515 und 1520, ein Frauenbildnis,
nicht nur koloristisch und farbig ein Wunderwerk, son-
dern auch im Menschlichen; eine der bedeutendsten
deutschen Bildnisleistungen der Zeit. Porträts, gemalte
Porträts von Altdorfer kannte man bisher überhaupt
nicht. Aehnlich romantische Empfindung, wie sie Alt-
dorfer großgemacht hat, lebt in der schönen Beweinung
Christi von dem Augsburger Ulrich Apt, auch um etwa
1515 entstanden. Nicht minder reich als Altdorfer wirkt
Cranach. Die vier schönen Altarflügel stammen aus
der Frühzeit und sind nach Friedländer im Jahre 1508,
auf Cranachs niederländischer Reise, entstanden, das
sehr eindrucksvolle glänzend gezeichnete Frauenbildnis
auf hellblauem Grund wird um 1525 datiert, die ruhende
große Diana, die einst Wilhelm Trübner besaß, vertritt
den Spätstil des Meisters. Hans Baidungs etwas unter-
lebensgroßes Liebesbild des ersten Menschenpaares,
das einst in Cremona war und dann beim Baron Bissing
in München, zeigt die deutsche Kunst des Renaissance-
Aktes auf ihrer großen nur sehr kurz währenden Höhe.
Besonders gut kann man das deutsche Porträt in
dieser Sammlung studieren. Das älteste Beispiel, ein
Knabenbildnis in einem Zimmer, wird von Büchner kei-
nem Geringeren als Michael Pacher zugeschrieben. Da
man Pacher als eigentlichen Porträtisten noch nicht
kennt und so leicht auch wohl nicht kennen kann, muß
man das letzte Wort in dieser Frage noch abwarten.
Pacher erscheint sonst schwerer in der Modellierung
und reicher im Licht. Eine Crux findet der Kunst-
historiker in der höchst interessanten Doppeltafel mit
den Bildnissen des Augsburgers Helmschmid und seiner
Frau, der Schwester des Malers Breu (früher war das
Bild beim Fürsten Giovanelli in Venedig). Ein Hoch-
zeitsbild, etwa 1497 entstanden. Die Frau ist wahr-
scheinlich von Jörg Breu gemalt, der Mann wird Hans
Burkmair zugeschrieben. Unter den Bildnissen des 16.
Jahrhunderts steht an erster Stelle ein Porträtpaar von
Barthel Bruyn, dann eine etwas geputzte Fuggerin von
Amberger. Was die Namen Seisenegger und Wertin-
ger, Hans Maler und Konrad Faber von Kreuznach,
Brosamer und Hans von Kulmbach trägt, bezeichnet das
hohe Niveau jener Epoche. Die Zuschreibung eines sehr
scharf gezeichneten und in der Oberfläche sehr
emaillierten Knabenbildnisses an Ambrosius Holbein, um
1530 entstanden, ist im Katalog mit einem Fragezeichen
versehen. In der Reihe der frühen Deutschen ist einiges
gute Kölnische, aus der Spätgotik dann der
Evangelistenaltar der Sammlung Streber. Eine um 1467
entstandene Himmelfahrt Körbeckes zeigt den West-
falen hier stark unter südniederländischem Einfluß. Des
sogenannten Dünwege aus Scarborough stammendes
Altarstück wirkt als eines der bedeutendsten Werke im
altdeutschen Kabinett.
Auch in der niederländischen Abteilung findet man
große Ueberraschungen. Man begegnet manchen alten,
wegen ihrer Abwanderung zeitweise betrauerten
Freunden wieder. Vor allem Roger van der Weydens
herrlichem Männerbildnis, diesem Meisterwerk der ehe-
maligen Sammlung von Kauffmann und, ebendaher für
Deutschland wiedergerettet, dem berühmten Selbst-
porträt des Joo's van Cleve, das von Berlin nach
418
ordnet und ebenso wirkungsvoll wie aufschlußreich ge-
hängt, bedeutet ein Kunstereignis, für das man nicht nur
dem Besitzer, sondern auch der Leitung der bayerischen
Museen dankbar zu sein hat.
Unter den vielen merkwürdigen Begebenheiten, die
im deutschen und itn internationalen Kunsthandel nach
der Stabilisierung der deutschen Währung geschahen,
war eine der merkwürdigsten das Auftreten des „großen
Unbekannten“. Man konnte ihn mit dem Grafen von
Carabas aus dem Märchen vom gestiefelten Kater ver-
gleichen: Er war immer schon grade vorher dagewesen.
Immer, wenn man ein hervorragendes Bild zum Preise
von hunderttausend oder zweihunderttausend Mark usw.
kaufen wollte, war es nicht mehr zu haben: Der Graf
von Carabas hatte es sich gerade gesichert. Das eigent-
lich Märchenhafte an der Angelegenheit aber war, daß
es, entgegen dem Märchen, dieses Mal diesen Grafen
von Carabas wirklich gab und daß er nicht etwa ein
Geschöpf blühender Kunsthändlerphantasie war, son-
dern wirklich lebte und bezahlte: Es war der Herr auf
Rohoncz, ein Deutscher aus dem Rheinland, der in
Ungarn Güter erworben hatte.
Der museale Charakter der Sammlung äußert sich
in dem an allen Stellen fühlbaren Bestreben, alle großen
Schulen europäischer Malerei des letzten halben Jahr-
tausends nicht nur mit den Werken der Großmeister
allein zur Geltung zu bringen, sondern jeden großen
Meister selbst mit bezeichnenden Werken aus möglichst
allen entscheidenden Epochen seiner Entwicklung, vom
Frühwerk bis zum Spätwerk, vertreten zu haben; und
ihn dann mit Bildern der Trabanten zu umgeben, mit
Bildern der Künstler zweiten und auch dritten Ranges,
Bildern, die den Geist der Zeit wiederspiegeln, aus der
jener oder dieser betreffende Große hervorgewachsen
ist. Wenn man Bildnisse von Retel und Key gesehen
hat und steht dann vor dem herrlichen Porträt Erz-
herzogs Albrecht von Rubens, fühlt man plötzlich um
so eindringlicher, was die wahre Genialität bedeuten
kann. Man wird die Sammlung gründlich studieren
müssen, um alles zu lernen, was es in ihr, auch kunst-
geschichtlich, zu lernen gibt. Unser Bericht
kann nur einige Hauptsachen aus der Fülle herausheben
und Anmerkungen machen.
Unter den Altdeutschen, die nicht den geringsten
Ruhm der Sammlung ausmachen, fehlen einstweilen
noch Dürer und Holbein. Als in Schweden das Männer-
bildnis von Dürer auftauchte, als der Herzog von Braun-
schweig-Lüneburg seinen Holbein verkaufte, gab es die
Sammlung Schloß Rohoncz ja noch nicht. Dafür aber
bietet die Kunst Albrecht Altdorfers eine ganz große
Ueberraschung. Vier, der Altdorfer-Literatur unbekannt
gebliebene Werke seiner Hand sieht man, Werke aus
den verschiedenen Phasen des Regensburgers. Zwei
große Altartafeln aus der Zeit um 1510, sehr dramatisch
die Begrüßung der Elisabeth durch Maria. Aus dem
dritten, schon etwas renaissancemäßig anmutenden
Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts eine doppelseitig be-
malte Tafel mit Adam und Eva auf der Vorderseite, und
vor allem, zwischen 1515 und 1520, ein Frauenbildnis,
nicht nur koloristisch und farbig ein Wunderwerk, son-
dern auch im Menschlichen; eine der bedeutendsten
deutschen Bildnisleistungen der Zeit. Porträts, gemalte
Porträts von Altdorfer kannte man bisher überhaupt
nicht. Aehnlich romantische Empfindung, wie sie Alt-
dorfer großgemacht hat, lebt in der schönen Beweinung
Christi von dem Augsburger Ulrich Apt, auch um etwa
1515 entstanden. Nicht minder reich als Altdorfer wirkt
Cranach. Die vier schönen Altarflügel stammen aus
der Frühzeit und sind nach Friedländer im Jahre 1508,
auf Cranachs niederländischer Reise, entstanden, das
sehr eindrucksvolle glänzend gezeichnete Frauenbildnis
auf hellblauem Grund wird um 1525 datiert, die ruhende
große Diana, die einst Wilhelm Trübner besaß, vertritt
den Spätstil des Meisters. Hans Baidungs etwas unter-
lebensgroßes Liebesbild des ersten Menschenpaares,
das einst in Cremona war und dann beim Baron Bissing
in München, zeigt die deutsche Kunst des Renaissance-
Aktes auf ihrer großen nur sehr kurz währenden Höhe.
Besonders gut kann man das deutsche Porträt in
dieser Sammlung studieren. Das älteste Beispiel, ein
Knabenbildnis in einem Zimmer, wird von Büchner kei-
nem Geringeren als Michael Pacher zugeschrieben. Da
man Pacher als eigentlichen Porträtisten noch nicht
kennt und so leicht auch wohl nicht kennen kann, muß
man das letzte Wort in dieser Frage noch abwarten.
Pacher erscheint sonst schwerer in der Modellierung
und reicher im Licht. Eine Crux findet der Kunst-
historiker in der höchst interessanten Doppeltafel mit
den Bildnissen des Augsburgers Helmschmid und seiner
Frau, der Schwester des Malers Breu (früher war das
Bild beim Fürsten Giovanelli in Venedig). Ein Hoch-
zeitsbild, etwa 1497 entstanden. Die Frau ist wahr-
scheinlich von Jörg Breu gemalt, der Mann wird Hans
Burkmair zugeschrieben. Unter den Bildnissen des 16.
Jahrhunderts steht an erster Stelle ein Porträtpaar von
Barthel Bruyn, dann eine etwas geputzte Fuggerin von
Amberger. Was die Namen Seisenegger und Wertin-
ger, Hans Maler und Konrad Faber von Kreuznach,
Brosamer und Hans von Kulmbach trägt, bezeichnet das
hohe Niveau jener Epoche. Die Zuschreibung eines sehr
scharf gezeichneten und in der Oberfläche sehr
emaillierten Knabenbildnisses an Ambrosius Holbein, um
1530 entstanden, ist im Katalog mit einem Fragezeichen
versehen. In der Reihe der frühen Deutschen ist einiges
gute Kölnische, aus der Spätgotik dann der
Evangelistenaltar der Sammlung Streber. Eine um 1467
entstandene Himmelfahrt Körbeckes zeigt den West-
falen hier stark unter südniederländischem Einfluß. Des
sogenannten Dünwege aus Scarborough stammendes
Altarstück wirkt als eines der bedeutendsten Werke im
altdeutschen Kabinett.
Auch in der niederländischen Abteilung findet man
große Ueberraschungen. Man begegnet manchen alten,
wegen ihrer Abwanderung zeitweise betrauerten
Freunden wieder. Vor allem Roger van der Weydens
herrlichem Männerbildnis, diesem Meisterwerk der ehe-
maligen Sammlung von Kauffmann und, ebendaher für
Deutschland wiedergerettet, dem berühmten Selbst-
porträt des Joo's van Cleve, das von Berlin nach
418