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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 17,2.1904

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Heft 13 (1. Aprilheft 1904)
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Unsre Noten und Bilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.7886#0058

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der zwcite Spieler auf die Zartheit seiner arpeggienartigen Begleitfigur,
wogegen dem ersten die schwere Aufgabe zufällt, durch gebundenen, wohl
ausgearbeiteten Vortrag der gehaltenen Noten den Schein einer ununter-
brochen strömenden Melodie hervorzurufen. Dabei sordert die chromatische
Stimmführung einen sehr delikaten Anschlag. — Die erste Seitc unserer Noten
wurde benutzt, um an den verschiedenen Erscheinungsformen des Haupt-
motivs die Psychologische Wandelnng der Motive, worauf die moderne Musik
beruht, zu zeigen. Ob Nr. V als cine Umbildung des Motivs zu deuten
sei, das möchte ich in der Schwebe lassen. Der erste Takt hat ja frcilich
den charakteristischen Sekundenschritt ab- und aufwärts und im zweiten
könnte man den Aufstieg zum k nebst der Bekräftigung dicser Note wohl
aus dem Urbild ableiten. — Zur Ausfüllung der letzten Seite wählten wir
ein altdeutsches Wanderlied aus dem zu Beginn des s5. Jahr-
hunderts in Südböhmen geschriebenen „Hohenfurter Liederbuch". Man glaubt
Kückens „Wer will unter die Soldaten" fünfhundert Jahre vorausklingen
zu hören. Findet Jemand noch den passenden Text dazu, so ist unserm
Liederschatze cine prächtige frische Nnmmer aufs Neue zurückgewonnen. —
Jn der vorigen Notenbeilage S. 7 Takt 8 ist statt ns natürlich § zn lesen.

Von unsern Bildern scheint uns das crste, Dirk Wiggers Land-
schaft, die wir in farbiger Reproduktion bringen, durch die Vereinigung
von kräftigem Erfassen und zartcm Schildern ein ganz ungcwöhnlich gutes
Bild. Vorfrühling und Morgendämmcrung. So duftig der Schleier die
Gegend einhüllt, cr ist kein Nebel, es ist ein „wirkendes Licht" auf dieser
Landschaft, das leise Nähe und Ferne leben läßt und noch mehr belebt.
Da strecken die stattlichen Büume denn ihr Geäst wie ein feines Geäder
in die Luft, als wollten sie aus der Frische saugen, klar aber beherrscht
das bescheidene Kirchlein mit Tür und Turmuhr vom Hngcl aus Gegend
und Bild.

Frühling auch auf dem nächsten Bild — wie anders aber hicr die
Stimmung, nicht Ahnen mehr, jauchzendcs Genießen. Ein Regenschauer im
April, hinter dem schon wiedcr die Sonne dcn Winter auslacht, der in
die Bergc geflüchtet ist. Und was für ein Negen! Als „stürzte sich der
Himmelsliebe Kuß". Das ist geschaut, nicht gesehen — als wär's ein Schul-
beispiel zu unscrn Anfsätzen. Auf den Namen dessen, dcr das gemalt hat,
Rudolf Sieck, werden wir künftig achten dürfen.

Und nun eine lange Extra-Ostergabe für unsre Leser, Paul Konew-
kas „Osterspaziergang" nach dem Faust. Jung gestorben, ist, der diese
Silhuetten gebildet hat, jetzt lange schon tot. Einst war er so berühmt,
daß man ihn wohl „in Mode" nennen konnte, jctzt wisscn die jüngercn
unter uns oft gar nichts mehr von ihm. Jst das sv ganz in Ordnung?
Man schreitc, Geothes Verse im Kopf, ein Weilchen mit Bürgern und Bur-
schen und Mägden und Mädeln an Konewkas Seite dies stattliche Stück
Papier entlang und frage sich dann, ob die Schatten zu Körpern wcrden.

Wer von unsern Lesern wußte, wie Johann Strauß dcr Vater
aussah, wird sich beim Betrachten des Bildnisses im vorigen Heft aufrichtig
darüber gefreut haben, wie vortrefflich er sich bis zu seinem hundertstcn
Geburtstage konserviert hat. Sah er nicht grade so aus wie Johann Strauß
der Sohn? Freilich — die Vervielfältigungsanstalt hatte nämlich eine falsche
Vorlage benutzt. Wir haben den Pudcl erst bemerkt, als er aus uusrer
Druckerei schon wieder hinaus und in alle Weitcn entsprungcn war.

Veramworlttq: der HcrauSgeber Ferdinand Avenarlus in DreSden-BIasewitz. Mtllcitende:
fitr Aiusik: Or. Richard Batka tn Praa-Weinberge, für bildende Äunst: Prof. Paul Schultze-
Naumburg in Saaleck bei Kösen in Tbürtngen. — Sendungen für den Text an dcn Herausgeber,
über Mufik an vr. Batta. — Druck und Verlag von Georg D. W. CallweY tn München.
 
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