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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 17,2.1904

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Heft 15 (1. Maiheft 1904)
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Motta, José Viana da: Konzertprogramme
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https://doi.org/10.11588/diglit.7886#0132

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RonLertprogi'amnie.

Den mancherlei Anregungen über Konzertprogramme, die der
Kunstwart besonders aus Göhlers Feder schon gebracht hat, möchte
ich heut Einiges hinzufügen.

Was stilvolle Programme seien, wissen nur wenige Menschen.
Gewöhnlich flößte (ich brauche das Jmperfektum aus Höflichkeit) ein
Programm schon durch die historische Folge Respekt ein. Und nament-
kich Pianisten hielten es für ihre Pflicht, mit Bach zu beginnen und
mit Liszt zn enden. Sie glaubten, das Publikum durch alle Zeiten
und Stile abhetzen zu müssen nnd zugleich die eigene „Vielseitigkeit"
zu entfalten. Bülow dagegen dachte nach Zeugnis seiner Briefe
schon im Jahre s868 daran, bei seinen Konzerten sich auf einen
Komponisten zu beschrünkcn, da sein „Widerwille gegen Mischpro-
gramme stetig wachsc". Beethoven-Abende und — von Orchestern —
auch Wagner-Abende werden freilich häufig gegeben (wozu sich neuer-
dings noch die Liszt-Abende anreihen). Abcr das Publikum liebt offen-
bar nicht solche „monotonen" Konzerte. Bei Beethoven hcißt es —
weil es hier „ungebildet" erscheinen könnte, von Monotonie zn reden
— es sci zu „anstrengend", vicr Sonaten oder drei Quartctte nach-
einander zu hören. Man bedenkt dabei nicht, daß nur die äußcre
Form gleich ist, und was die Schwere des Gehalts anbetrifft, sv
könnte man fragen, weshalb ein Werk der ersten Periode, selbst der
zweiten, so fürchterlich anstrengend sein sollte? Setzt man das Pro-
gramm nicht aus lauter Werken der letzten Periode zusammen, so
bleibt der Hörer vollkommen frisch und elastisch genug, um nun auch
eins der letzten Werke zu genießen und ist, was man nicht bedenkt,
nun viel besser darauf vorbereitet, als wenn er vorher Werke ganz
«nderen Stiles gehört hätte. Und wie wundervoll kann man ein
Drama aus Beethovens Seele zusammenstellen, wenn man die ein-
zelncn Werke so wählt, daß jedes einen Akt oder ein Stück eines
Zyklus bedeutet. Bcispielsweise mit folgendem Programm, das der
Verfasser dieser Zeilen wiederholt ausgeführt hat:

Sonaten op. 26
op. 57
op. s06
op. Uk

Wic scheint sich da vor unsern Augen eine gewaltige Pcrsön-
lichkeit zu entwickeln, welches Ringen, von der ersten Schwärmcrci
des Jünglings bis zur erhabensten Resignation des Weisen! Wenn
man dicses Drama daraus zu hören fähig ist, so kann ein solches
Programm nicht „anstrengend" zu hören sein.

Anstrengcnd ist überhaupt nicht eine Folge von großen (im
äußeren und innern Sinn) Werken, sondern eine Folge von kleinen
Stücken, die vielleicht obcndrein zu gleichen oder zu verschiedenen
Charakters sind, wodurch im crsten Falle Monotonie, im zweiten Zer-
splitterung entsteht. Es kann anstrcngender sein, fünfzchn Lieder an-
zuhören als drei Symphonieen. Die Monotonie ist viel größer zwischen
Stücken kleiner Formen als zwischen solchen großer Formen. Welcher
Abstand in der Form zwischen Beethovens op. 26 und op. Us! Und

t- Maibeft tyo^ tor
 
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