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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 17,2.1904

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Heft 20 (2. Juliheft 1904)
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Münzer, Geog: Uebungen im Musikhören, [4]: die Variation
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7886#0409

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schar wieder zur Höhe . . . und im hellsten Lichte des blauen HimmelsätherS
verschwindet die hehre Schar, wie aus ihm sie zuvor sich genaht." (Wagner,
Ges. Schriften, 2. Aufl., Bd. V, S. l?9.)

Es wird nicht gut möglich sein, sich dieses wunderherrliche Stück anderS
„auszulegen". Das allmähliche Wachsen des Themas in der Klangstärke
zwingt uns die Vorstellung einer allmählich näher kommenden, strahlenden
Erscheinung auf. Uns fasziniert dieses Herausglühen und Blühen der
Melodie bis zum höchsten, wonnigsten Glanze. Aber — was an der musi-
kalischen Struktur des Stückes so wunderbar und neu erscheint, was einem
früheren Geschlecht geradezu unverständlich dünkte, wie ist das sinnvoll und
einfach gestaltet! Was anders ist das Lohengrin-Vorspiel als eine Folge
von drei Variationen? Das Thema wird in den ersten acht Taktcn von
Wagner beibehalten und durch Hinzutreten der „kontrapunktierenden" Stim-
men variiert. Der zweite Teil des Themas wurde nicht in derselben Wcise
variiert, sondern Wagner benutzt ihn frei zu Zwischenspielen zwischen jenen
Variationen des ersten Teiles. Der künstlerische Grund ist leicht einzusehn.
Es wird durch jene kurzen freien Zwischenspiele einer Monotonie vorge-
beugt, die bei der durchaus gleichmäßigen, mehrfachen Wiederholung der
ganzen Melodie leicht hätte entstehen können. So wirkt nach dieser Ab-
weichung der Wiedereintritt des Themas neu und überraschend. Diese Art
der Variation hat Wagner nicht erfunden.

Sie gehört zum Formenschatz der alten Schule. Nur hat sie Wagner
geistvoll und originell benutzt. Es mag uns das Lohengrin-Vorspiel ein
Beispiel dafür scin, wie das Genie alte Form mit neuem Geiste füllt.
Wir mögen uns aber auch merken, daß auch bei Wagner — dessen Musik
ganz „Jnhalt" erscheint — die Form eine große Rolle spielt. Was freilich
nur wenige wissen oder wissen wollen. Eben die diamantgleich klare, scharf-
geschliffene Form ist es, die — dem naiven Hörer freilich unbewußt — jene
ungemeine Wirkung gerade dieser Wagnerischen Schöpfung hervorruft. Die
musikalische Logik dieses ätherischen Stückes hat zugleich die zwingende lkeber-
zeugungskrast einer mathematischen Beweisführung. Münzer.

I^ose klatter.

veni Seckeriken an llarl Mritbreckt

mögen die folgenden Verse dienen. Sie sind seinen bei Bonz in Stuttgart
erschieneneu „Gesammelten Gedichtcn" entnommen.

Mein Geburtsort.

Line Wiese voll Blumen, warm zitternde kuft —

Lin Tannwald voll ^arz- und voll Lrdbeerduft —

Line Dorfgaffe und ein pläischernder Bronnen,

Lin jdfarrhof, von Licht und von Grün umsponnen —

Line 5>tube mit geschlossenem kaden,

Durch ein Affloch hercin ein leuchtcnder Faden

Von Sonncnftaub — cin schläfnges Aind

Auf der Mutter Schoß, an der atmonden Brust —

Draußcn lustiger Sommerwiud —

Alles andre im Gedächlnis verloren —

Nur noch ein Zweiglein mit K>rschenblust:

Das wciß ich von dort, wo ich bin geboren.

zzz

2. Iuliheft tyo^
 
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